Creme Fresh – Organisiertes Zerbrechen

Creme Fresh, einigen vielleicht bekannt durch ihren aufsehenerregenden, weil reichlich unkonventionellen Auftritt auf "Feuer über Deutschland 3".
Creme Fresh, das sind die drei Münchner Fatoni, Keno und Bustla.
Creme Fresh, das ist die Crew, die vor ein paar Jahren heiß erwartet und viel gerühmt war, vor allem von der Juice, um die es dann aber längere Zeit wieder etwas stiller war. Nun aber sind sie mit "Organisiertes Zerbrechen“ "back“, wie man heutzutage zu sagen pflegt.

Beim Hören des Albums fällt als allererstes auf, dass die Beats und somit die Songs allesamt musikalisch sehr vielseitig sind. Da klingt keiner wie der andere und es lassen sich dann auch mal Saxophone und andere Blasinstrumente oder eine Violine und Gitarre vernehmen, die tatsächlich von wirklichen, echten Musikern eingespielt wurden.
Die Arrangements sind bewusst abwechslungsreich gehalten und fernab des Part-Hook-Part-Hook-Schluss-Schemas.
Das Ganze hat auf jeden Fall eine starke experimentelle Komponente, die irgendwann aber auch ziemlich anstrengend wird.

Ähnlich verhält es sich mit den Texten der einzelnen Songs. Thematisch sind sie sehr, sehr unterschiedlich und nur der Track "Click“ soll so etwas wie einen Battletrack darstellen. Der klingt allerdings sowas von hingeschissen, dass man ihn gar nicht zu Ende hören will, um das Bild, das man bei "Feuer Über Deutschland" von Creme Fresh gewann, nicht irreparabel zu beschädigen.
Die anderen Stücke sind leider Thementracks. 

"Leider“, weil ich mir echt gewünscht hätte, zumindest ein paar Parts im Stile ihrer "Feuer über Deutschland" Performance zu hören. Stattdessen scheint es aber eher die Passion der drei Münchner zu sein, Musik zu machen, die künstlerisch wertvoll, latent lustig und abwechslungsreich sein soll.
Das erinnert dann auch mehr an Kabarett als an Hip-Hop und vermittelt den Eindruck, Musik zu sein, welche die drei dann auch gerne mal zusammen mit Kommilitonen im Literaturcafé hören können, wobei diese dann wiederum sowas sagen werden wie: "Ohh köstlich! Schau mal einer an, nicht alle Hip-Hopper sind also asozial, primitiv und dumm.“ Leider bleibt dabei dann irgendwie auch die Sympathie und die, ich nenn sie jetzt einfach mal plump "Coolness" auf der Strecke.

Beginnen wir aber erstmal mit den ganz guten Tracks. "Halb so wild“ z.B. Hier wird ein nicht näher bezeichneter Dritter angesprochen, der im Trennungsschmerz versinkt, weil ihn seine Freundin offenichtlich mit seinem besten Freund betrogen hat.
Die Jungs von Creme Fresh versuchen ihn daraufhin mit der Backpfeifen-Methode a la "Du hängst allein daheim und niemand ist dein Freund/ nur das Ding ist Mann, du wirst nicht attraktiver wenn du heulst.“, wieder auf eine gerade Linie zu bringen. Der Refrain bringt die Aussage des Liedes dann auch kurz und knapp auf den Punkt: "Heul hier nicht so rum!“.
Das wäre wirklich ein tolles Lied, textlich habe ich da rein gar nichts auszusetzen, aber diese experimentellen Passagen mit den effektbeladenen Stimmen und die musikalische Untermalung, die an esoterische Meditationsmusik erinnern, versauen das dann einfach.

Richtig gut dagegen ist der Track "Niedertracht“, in dem die Stammtisch-Bild-Zeitungs-Meinung und die daraus folgenden Medien-Opfer, nach deren Meinung die Welt total schlecht und niederträchtig ist und alles immer weiter den Bach runter geht, thematisiert und parodiert werden. "Man kann niemanden mehr trauen/ Letztens in der U-Bahn ham sie wieder wen verhaun/ Und du weißt ganz genau du könntest der nächste sein, deswegen wählst du extreme Parteien/ Und fährst mit dem Taxi zur Stammkneipe/ Der Nachbar ist Ausländer da machst du ne Anzeige/ Denn das ist alles Gesindel das Rentner verprügelt , Wände besprüht und schwindelt“
Vor allem Keno’s Part ist wirklich hervorragend.

Bei den allermeisten Tracks denke ich mir allerdings dann einfach: "Hmm. Wo war da jetzt der Witz?" Damit ist nicht gemeint, dass ich den Witz nicht verstehe oder erkennen würde, das tue ich sehr wohl. Es ist halt oft nur einfach nicht wirklich witzig und das obwohl das Album offensichtlich genau das sein will.

Nehmen wir zum Beispiel den Track "Schauspielerin“. Das erste Wort ist "Babygirl“ und es ist klar: Okay, ein Player spricht damit im Club eine Dame an "Du siehst aus wie aus einem Video von Snoop/ Was du kennst nicht Snoop?/ Das war ein Kompliment die Frauen in seinen Videos sind gut" Er will offensichtlich mit ihr Beischlaf vollziehen und macht ihr deshalb zweifelhafte Komplimente, wird allerdings abgewiesen, weshalb er sich dann zu Sätzen hinreißen lässt wie: "Bitte reiß dich mal zusamm (Mann)/ Komm zurück und tanz mit mir/ Warum hast du einen Freund?/ Was hab ich dir denn getan? Warum bist du so gemein zu mir?/ (Ich schwör damit brichst du mir das Herz)" usw. Garniert wird das ganze in der Hook mit:"Du bist zum Star geboren/ (und wir drehen einen Film, deine erste Rolle) Spiel mir ein Orgasmus vor“

Okay, der Typ ist also ein Versager, der im Bett nix drauf hat, auf Player und wichtig macht, abgewiesen wird und dann der Frau verzweifelt die Ohren voll heult. Das Ganze noch durch die selbstironische Brille gesehen, was den sophisticated Ansatz unterstreichen soll. Obwohl. Das weiß man nicht so genau.
Von mir aus ist das ein ganz gutes Konzept für einen Song und auf jeden Fall hätte so eine Geschichte auch das Potential, mich vom allerfeinsten zu unterhalten. Das wurde aber nicht ausgeschöpft.
Mann, das hätte man doch auch viel, viel, viel, viel lustiger umsetzen können. So schwingt zwar beim Hören eine ganz ganz feine Nuance Peinlichkeit und Fremdscham mit, der Track an sich, bleibt dann aber einfach nur unsympathisch und nervig. Statt witzig.

Und da liegt einfach das größte Problem zwischen "Organisiertes Zerbrechen" und mir : Creme Fresh´s Humor. Der ist so unübertrieben, dem Realen verhaftet und verborgen, dass er sich dadurch selber belanglos macht und gar kein Humor als solcher mehr ist, weil und ich sag’s nochmal: Das ist einfach nicht lustig.
Ich unterstelle Creme Fresh  jetzt mal, dass sie mit Absicht ihren Humor so latent und versteckt mitschwingen lassen, aber ich für meinen Teil brauche es etwas handfester und offensichtlicher, damit ich sofort laut und euphorisch loslachen kann und muss.

Um noch einmal den Kabarett-vergleich zu bemühen. Man stelle sich einen Kabarettisten vor, der unglaublich enthusiastisch und kunstvoll sein Programm vorträgt, aber der Funken will eben einfach nicht überspringen. Alle kratzen sich nur am Kopf und keiner lacht. Genau so, ist "Organisiertes Zerbrechen".

Anscheinend steckt ja wirklich viel Mühe und Konzept hinter jedem einzelnen Lied, aber bis auf ein, zwei Ausnahmen weckt keines der angesprochenen Themen, so richtig wirklich mein Interesse. Rechnungen, die sich häufen oder ein Urlaubsmorgen mit einer Frau und Frühstück im Bett und ähnlich weltbewegendes…Gähn. Das ist einfach nicht spannend.
Die unsympathische, weil besserwisserische Vortragsweise und die musikalische Umsetzung tun dann ihr Übriges. – Nicht mein Album. Sorry.