Robin Weed – erster. erster.

Wenn man sich diese CD so anhört, fragt man sich, ob man immer noch im Jahre 2010 ist oder doch eher so in der Zeit um die Jahrtausendwende, so oldschoolig kommt Robin Weed aka Spliffhanga auf seiner LP "erster. erster." daher.
Alles klingt so total altbacken, so fernab des Fortschritts und so nach 90er, dass es irgendwie, ja, schon wieder ein bisschen cool ist.

Schon allein thematisch: Es geht um Sommer. Es geht ums kiffen. Es geht um die Crew und um: wir sind doch alle gleich, Materialismus ist falsch und so weiter. 
Auf  dem ersten Track nach dem Intro "77 Tonna“ lässt Robin Weed den einzigen richtigen Battletrack auf den Hörer los. Der soll vielleicht technisch ein bisschen anspruchsvoll sein, in dem über 16 Bars am Zeilenende immer auf die gleichen Vokale gereimt wird, da gehört aber ganz ehrlich gesagt nicht sehr viel Können dazu im Stile von: "Ja ich weiß Mcees ihr hasst es/ dass mein Stuff so tough ist/  weil jeder Text von euch neben meinem voll verblasst ist./ Aber ich sag nicht lass es/ weil hier ja auch kein Spast is/ Hauptsache du machst es nicht für Cash auf ner Compactdisc….“ 16 Bars durchzureimen. Also Battlerap ist schonmal nicht so Herrn Weeds Stärke, das ist aber offensichtlich auch nicht sein Hauptanliegen.

Sondern eher so Tracks wie "Wir Zwei“, in dem der Rapper ein Zwiegespräch mit einem Mitmenschen hält und ihm klarmachen will, dass trotz der Unterschiede auch Gemeinsamkeiten zwischen allen Menschen bestehen und wir deshalb doch respektvoll miteinander umgehen können. Oder "Kleinigkeit“ und "Verfickter Scheiß“, die die Gesellschaft, den zunehmenden Materialismus der Menschen und die Schäden, die dadurch entstehen, kritisieren und nahelegen, dass man sich besser davon ab und den Kleinigkeiten des Lebens zuwenden sollte.

Auf "Ohne Mich“ wird die Kritik dann auf Hip-Hop bezogen. Hier richtet sich Robin Weeds Unmut gegen Künstler, die nur wegen dem Geld und dem Ruhm und nicht wegen der Kunst rappen. Na ja, zumindest die Sache mit dem Geld hat sich ja dank den nicht mehr ganz so jüngsten Entwicklungen (Stichwort: Rezession im Musikgeschäft) erledigt.
Man sieht: Auf dieser CD wird man nicht großartig durch Provokationen oder ähnliches überrascht. Alles klingt sehr friedlich und grasgeschwängert und in dieser Oldschool-Manier ist wirklich die ganze Platte gehalten. Ja, irgendwie ist das auch wirklich ein bisschen angenehm, so was mal wieder zu hören.

Auch die Beats sind fernab von Synthie und Elektro Einflüssen und allesamt minimalistisch und Sample-basiert. So wie man die ganz alten deutschen Hip-Hop Beats halt kennt: sommerlich, ungefährlich, alles andere als düster und synthetisch. Ebenso wie man eigentlich Robin Weeds Rapstil beschreiben könnte. Das ist Musik, die man wohl eher im Hochsommer im Park hört oder in der gleichen Jahreszeit in einer abgedunkelten Bude auf ein paar Köpfen, statt sie mit Fenster runter im Auto zu pumpen. Aber das ist wahrscheinlich auch haargenau so gedacht.

"erster.erster." spiegelt als Gesamtprodukt also so den alten netten deutschen Hip-Hop von nebenan. Der ist im Großen und Ganzen total politisch korrekt. Der tut niemandem weh. Man bekommt eigentlich auch gar nicht viel von ihm mit und manchmal ertappt man sich selbst schon bei der Frage: "Na, ob der Alte überhaupt noch unter uns weilt?“ Doch dann wird man überrascht von einem Sack Äpfel, den er aus seinem eigenen Garten mitgebracht und uns an die Türklinke gehängt hat oder wenn er abends an die Tür klopft und freundlich fragt ob denn "dieses laute Gewummer" auch leiser ginge, schließlich sei es schon um zehn und er wolle im Bett noch ein paar Sudokus lösen. Ein typischer Rentner eben, nur mit Sprechgesang statt Klassik.

Dass Robin Weed trotzdem an dieser Art von Rap festhält, spricht für eine gewisse Ignoranz, die ihn aber irgendwie auch sympathisch macht. Die, die die Zeit, in der diese Musik ihre Hochphase hatte, damals hautnah miterlebten, wird es in jedem Fall freuen "mal wieder so etwas wie früher“ zu pumpen und sicher werden sich auch in der aktuellen Hörergeneration ein paar Leute finden, die sich das mal ganz gerne anhören.

Leider ist Robin Weed aber technisch nicht besonders versiert und auch alles andere als innovativ. Seine Stärke liegt ganz einfach darin begründet, dass er diesen Oldschool-Flavour sehr authentisch rüberbringt und man merkt einfach irgendwie: Da hat nicht irgend so ein Myspace-Rapper mal auf die Schnelle was hingeschissen, da steckt einfach wirklich Herzblut drin. Das kann man deutlich vernehmen. Auch wenn ich jetzt nicht vor Euphorie aufschreie und Luftsprünge mache, wie geil doch diese Platte ist, ich kann mir das zumindest gut anhören und finde die vertretene Einstellung auch irgendwie sympathisch. Ich bekomme hier mit dieser CD einen Einblick in eine Hip-Hop-Welt, die mit der meinen so gar nichts mehr zu tun zu haben scheint. Das ist auf der einen Seite ganz interessant und schön. Auf der anderen Seite kann ich aber genau aus diesem Grund die Platte nicht so richtig abfeiern. Das ist einfach nicht meine Welt.