Call of Duty – Modern Warfare 2

Wenn ein Krieg ausbricht, stellen sich viele Menschen wahrscheinlich ähnliche Fragen: "Werde ich ihn gesund überstehen? Welche Seite wird gewinnen? Überleben meine Freunde? Überlebe ich?“ Das muss sich der U.S. Ranger James Ramirez wohl auch fragen, als er durch die engen Gänge eines Bunkers watet. Links und rechts sind viele weitere Soldaten, die Energie tanken, Verwundete behandeln und sich kampfbereit machen. In einer Ecke des Bunkers liegen sogar Leichensäcke…die Lage ist ernst. Irgendwann kommt der Punkt, an dem er aus dem Bunker tritt. Der Anblick des Inneren verblasst nahezu im Vergleich zu dem, was man hier draußen zu Gesicht bekommt. Wir sind in Washington, D.C., der Himmel ist in ein bedrohliches Orange gehüllt, die schlechte Luft wird durchlöchert von Patronen, Raketen und den Geräuschen ferner Artillerie und Flak-Geschütze. Und das große Gebäude vor uns, dessen Säulen teilweise eingestürzt sind und dessen "Vorgarten" durchpflügt ist von Panzersperren und Sandsäcken, ist nichts anderes als das Weiße Haus. Und… wir sollen es in der Person Ramirez‘ angreifen. Denn die Feinde haben sich dort verschanzt. Keine Terroristen, keine Scientologen…nein, der längst vergessene Erzfeind Russland selbst ist in die USA einmarschiert. Die Invasion kam überraschend – was ist geschehen?
Das ist fürs Erste unwichtig, denn wir müssen das Weiße Haus zurückerobern. Zum Glück unterstützt uns ein Panzerwagen und wir können uns relativ einfach Zugang verschaffen. Wir entdecken bei einer aufgesprengten Hauswand ein russisches Waffendepot und sollen es nutzen, um die anrückende Luftwaffe zurückzuschlagen. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Ein in komplette Stille und Dunkelheit gehülltes Washington kann noch viel bedrohlicher wirken.
 
Klingt wie ein Kinofilm von Roland Emmerich, ist aber ein Videospiel. Der Ego-Shooter Call of Duty: Modern Warfare 2, um genau zu sein. Der neueste Ableger hat bereits im Voraus die Gemüter gespalten, da das Spiel eine (überspringbare) Mission enthält, die moralisch höchst brisant ist. Auf der anderen Seite gab es in diesem Jahr wohl kaum ein Spiel, welches mehr erwartet wurde (von denen, die auch tatsächlich erschienen sind). Wird im nunmehr sechsten Teil der Call of Duty-Reihe die Luft brennen oder wird man nur einen "Kalten Krieg“ serviert bekommen? Man wird sehen.
 
Für die getestete PC-Version gilt: Steam ist Pflicht! Dabei trennt das Programm den Single- vom Multiplayer. Außerdem kann man sich auch mit Koop-Missionen alleine oder zu zweit vergnügen. Doch dazu später mehr. Zuallererst ist es vielleicht interessant, einen Einblick in die Handlung zu bekommen. Diese knüpft ein paar Jahre hinter dem ersten Modern Warfare an und spielt damit in einer fiktiven Gegenwart. Russland wurde von den Ultranationalisten übernommen und der damals besiegte Imrael Zakhaev wird als Held gefeiert. Einer seiner ehemaligen Untergebenen, Vladimir Makarov, übt derweil diverse terroristische Anschläge in Europa aus. Das Spiel beginnt derweil mit dem obligatorischen Trainingsparcours, der dem Spieler einen, seinem Können entsprechenden, Schwierigkeitsgrad vorschlägt. Man kann natürlich auch einen anderen auswählen. Dann geht es direkt nach Afghanistan, in der Rolle des Rangers Joseph Allen. Anfangs geht es mit einem Humvee am Bord-MG durch die Straßen einer Stadt. Feuern darf man allerdings nur reaktiv. Die engen Gassen lassen das Adrenalin förmlich steigen, ahnt man doch schon, dass es gleich zu einem Angriff kommen könnte. Und tatsächlich, die Milizen greifen an! Zu allem Überfluss wird der Humvee durch einen Raketenangriff zerstört. Doch Allen übersteht das ganze weitgehend unbeschadet. Durch seine Leistung dort wird er als Undercover-Agent in eine Unternehmung Makarovs eingeschleust. Dies ist die im Vorfeld heiß diskutierte "Flughafen“-Mission, in der Makarov einen Terrorakt an einem russischen Flughafen verübt. Doch am Ende kommt alles anders und Makarov schafft es, Amerika die Schuld an dem Anschlag in die Schuhe zu schieben. Ein Krieg bricht aus.
 
Das Spiel versteht es, vom Fleck weg eine spannende Atmosphäre aufzubauen. Ob Beklemmung in den Straßen Afghanistans, eine Schleichfahrt in einigen Metern Tiefe in einem Eismeer, der oben beschriebenen Situation in Washington oder im Anflug auf einen russischen Gulag – man hat das Gefühl, mittendrin zu sein. Ein Gefühl, dass kaum ein anderes Spiel oder gar Film erzeugen kann. Dabei schlüpft man in die Rollen verschiedener Charaktere, die einerseits in den Reihen der US Rangers groß angelegte Schlachten schlagen und andererseits in der Task Force 141 speziellere Aufgaben in einem kleinen Verband bewältigen. Dementsprechend ändert sich auch das Spielgefühl immer wieder auf erfrischende Art und Weise. So hervorragend die Verzahnung der Teilhandlungen auch klingt, im Ganzen gibt es hier und da Handlungslücken und generell tendiert die Handlung zur Übertreibung. Hollywood lässt grüßen. Nebenbei gesagt, hätte man die Flughafenmission auch etwas reflektierter ablaufen lassen können. Man wird dort zum Zuschauer degradiert und hat keine Möglichkeit, dieses Zivilistenmassaker abzuwenden. In den nichtdeutschen Versionen kann man sogar selbst zu den Waffen greifen. Außerdem unterbietet Modern Warfare 2 noch einmal, die schon im Vorgänger viel zu kurze Spieldauer. Mehr als 8 Stunden wird man hier nicht beschäftigt.
Zum Glück gibt es noch die Koop-Missionen, die man alleine oder online mit einem Freund spielen kann. Hier spielt man an bekannten Schauplätzen diverse Einsätze und soll, mal unerkannt durch ein Gebiet schleichen oder einfach Feindwellen auslöschen. Dabei kann man sich bis zu drei Sterne verdienen, die weitere Missionen freischalten. Letztendlich wird man aber im Multiplayermodus landen. Und der ist nochmal ein eigenes Thema für sich. Man kann hier in etlichen, leider nicht wirklich ausgefallenen Modi gegen andere Spieler antreten, ob im Team oder jeder für sich. Die 5 zur Verfügung stehenden Klassen sind typische Vertreter wie Scharfschütze oder Standardsoldat. Eine Sache, die ich als PC-Spieler nicht verstehen kann: Warum gibt es nur das Matchmaking-System der Konsolenversion (d.h. man kann nur automatisch einem Spiel beitreten und sich nicht selber eins aussuchen) und warum fehlen dedizierte Server? So kann man kaum Einfluss auf eigene Vorlieben nehmen, man kann keine Favoriten speichern und Cheater treiben sich auch ungestraft in den Spielen herum. Es können und werden nervige Verbindungsabbrüche entstehen, weil mal wieder die Lobby des aktuellen Spieles geschlossen wird oder der Spieler aussteigt, der gerade ein Spiel (unfreiwillig) hostet. Außerdem haben momentan Modder keine Möglichkeiten, dem Spiel neue Nuancen zu verpassen, obwohl hier bereits Besserung gelobt wurde. Und trotzdem macht der Multiplayer Spaß! Das mag am Belohnungssystem liegen. Denn Modern Warfare 2 orientiert sich an Rollenspielen, indem man durch bestimmte Aktionen wie Abschüsse, besondere Treffer oder dem Erfüllen bestimmter strategischer Ziele Erfahrungspunkte erhält, die den militärischen Dienstgrad des Spielers steigen lassen.
Dadurch werden diverse Dinge freigeschaltet, von neuen Waffen & Ausrüstungsteilen über den Klasseneditor bis hin zu Erfolgen, mit deren Erreichen man wiederum Erfahrungspunkte erhält.
Mit den "Extras“ kann man Verbesserungen aktivieren, die dem Spieler zum Beispiel mehr Treffsicherheit bei Hüftschüssen oder einen Radarblocker für nahe Feinde verleihen. Stetes Benutzen verbessert diese sogar noch. Die Wahl dieser Extras hängt dabei von den Vorlieben der Spieler ab, ebenso wie die Zusammenstellung der Waffen.
Eine sehr breit gefächerte Auswahl an Sturmgewehren, Maschinenpistolen, leichten MG’s, Shotguns, Scharfschützengewehren, Pistolen und Projektilwerfern, die sich teilweise deutlich voneinander unterscheiden, wartet auf Benutzung. Außerdem kann man auch einen Einsatzschild verwenden, der jeglichen Kugelbeschuss abhält. Besonders gute Spieler können außerdem durch Abschussserien Unterstützung anfordern. 3 Treffer reichen beispielsweise für eine Aufklärungsdrohne, mit 9 Treffern kann man einen Kampfhelikopter anfordern und bei 15 wird ein EMP ausgelöst, der die komplette Elektronik des Feindes lahmlegt. Klingt nett, doch sind diese Dinge viel zu stark. Gerade bei unausgeglichenen Spielen (dank Matchmaking) kann es echt frustrierend sein, wenn mal wieder ein halbes Dutzend Flugzeuge die Karte bombardiert. Trotzdem motiviert jeder Abschuss, jede Belohnung, jeder Sieg. Es funktioniert wie die Karotte am Stiel, die man dem Maultier vorhält.
 
Außerdem ist die Präsentation einfach toll. Der 5.1-Sound hallt fantastisch in den Boxen, die Waffen klingen echt und die Musik ist super auf bestimmte Ereignisse abgestimmt. Am Soundtrack ist übrigens auch Hans Zimmer beteiligt, der auch Filmmusik für Pirates of the Caribbean oder Gladiator komponiert hat. Besonders gut bemerkt man dies in dem Moment, wo man in der beschriebenen Washington-Mission aus dem Bunker tritt, das Schlachtfeld sieht, während ruhige, aber kolossale Musik einsetzt. Wahnsinn!

Die Grafik fällt nicht ganz so gut aus wie der Sound, weiß aber dennoch zu begeistern. Das liegt wohl am alten Grafikgerüst, das schon vom Vorgänger benutzt wurde. Trotzdem kann man erhebliche Verbesserungen erwarten (bei moderaten Systemanforderungen), da die Engine massiv modifiziert wurde. Explosionen, die kurze Unterwasserpassage, ein Schneesturm – alles sieht atmosphärisch stimmig aus.
Wenn eine Blendgranate vor einem explodiert, friert der momentane Bildschirm ein und erst langsam scheint das eigentliche Geschehen wieder hindurch, während die Boxen nur ein hohes Fiepen erzeugen. Bei schweren Verletzungen ist der Bildschirm blutverschmiert – doch dank dem modernen Shooterstandard reicht es, einige Sekunden in Deckung zu gehen.
 

Was kann man nun also abschließend zu Call of Duty: Modern Warfare 2 sagen? Ich stehe mit gemischten Gefühlen da. Das Spiel nervt mich durch die eingeschränkte Mechanik, besonders im Multiplayer, dem viel zu kurzen "Film“modus aka Kampagne und einer Handlung, die weitaus besser hätte sein können.
Andererseits begeistert es mich mit einem interaktiven Hollywoodfilm, der jedem Game und Film in Sachen Spannung, Dramatik und Atmosphäre den Rang abläuft sowie mit einem motivierenden Multiplayermodus. Das Kriegspielen hat damit durchaus seine Grenzen – inhaltlich und technisch. Aber wer sich damit arrangieren kann, findet hier ein paar Stunden Spielspaß.