Aber gut. Grundlegend sollte es ja um die Musik gehen. Unmittelbar nach Einlegen der CD schläft mein Hirn leider ein und ich starre minutenlang unbewegt auf den Bildschirm meines Rechners. Somit laufen "Betcha Gon’ Know“, das bereits bekannte "Obsessed“ mit wenig spektakulärer Abrechnung mit Mariahs angeblichem Ex-Lover Eminem sowie die drei darauf folgenden Songs nahezu ungehört an mir vorbei. Alles verdichtet sich zu einem süßlich-wabbrigen Soundgebilde, das sich an einem festklebt und einem nach und nach sämtliche Denkfähigkeit entzieht. Eigentlich ist das genial. Totale Verdummung innerhalb von Minuten. Könnte mir vorstellen, dass die US-Regierung dieses Album zur Terroristenbekämpfung einsetzt. Aber das ist auch nur so eine Idee. Die Redaktionskollegen unterhalten sich, doch alles zieht an mir vorbei und ich bin nicht in der Lage, auch nur irgendetwas davon aufzunehmen. Miss Carey säuselt sich über mal flotte, mal trantütig vor sich hinschmelzende PianogeklimperHipHopClapsKarusselschubsermucke-Berge, beglückt den noch zurechnungsfähigen Teil der Hörer mit literarischen Perlen wie "My sweet thing, like candy. Felt like real love, not just play play. Missin’ you my sweet baby“ ("Candy Bling“ – Glaubt mir, der Titel sagt schon alles) und ich frage mich ernsthaft, wann die Frau eigentlich vergessen hat, dass sie richtig, richtig gut singen kann.
Erst bei Lied Nummer Sechs stelle ich urplötzlich fest, dass ich seit gut 20 Minuten auf das Firefox-Symbol meines Desktops starre und vergewissere mich nach einem kurzen Blick ins Booklet, dass ich dieses Lied nicht schon mal gehört habe. "Standing O“ heißt der Song und fängt sogar regelrecht ambitioniert an. Man könnte sich vorstellen, dass Mariah die Soulröhre in sich jetzt mal richtig raus lässt und durch das tiefe Luftholen ihr auf den Leib genähtes Spandex-Kleid zum Platzen bringt. Einige wenige Sekunden der Hoffnung, dann gliedert sich auch dieser Track trotz ansatzweise eigenständig klingender Hook in den womöglich lachsrosanen Einheitsbrei also known as Verbrechen an der differenzierten Wahrnehmungsmöglichkeit des menschlichen Gehirns ein. Was passiert noch so auf "Memories Of An Imperfect Angel“? Nichts. Absolut gar nichts. Kennt man einen Song, kennt man alle und warum "Obsessed“ auf dem 21 Songs starken Album insgesamt fünf mal (Originalversion plus Remixe) vertreten sein muss, weiß wohl nur die Künstlerin selbst.
Schade, aber das, was die Amerikanerin hier abliefert, ist wirklich eine Frechheit. Vom Stimmwunder zur R’n’B-Wurst. Das hatte sich wohl niemand gewünscht.