Sean Paul – Imperial Blaze

Es war glaube ich 2002, da lag ich nichts Böses ahnend auf dem Bett und zappte mich durchs Abendprogramm und da geschah es: Sean Paul mit “Gimme De Light“, das erste kommerzielle, international erfolgreiche Dancehall Video, lief in Deutschland bei VIVA. Auf Klassenfahrt haben  dann alle kiffenden Jungs auf einmal “Duttyrock“ gehört, zwar kein Wort verstanden, aber es übertrieben gefeiert. Die ganze Dancehallszene hasste ihn, denn auf ein mal war Dancehall “In“. Man sieht meine gewisse Vorbelastung gegenüber dem Künstler. Gerade deswegen war ich sehr gespannt, ob es dem Jamaikaner diesmal gelingen würde, durch die Qualität seiner Musik auf “Imperial Blaze“ meine Abneigung ihm gegenüber zu mildern.

Das Einzige, was die Platte vor dem absoluten Untergang bewahrt, ist die Tatsache, dass es eine Dancehallproduktion ist. Man kann einfach machen was man will, die Basics eines Dancehallbeats packen jeden im Hintern und bringen jedermann zumindest zum verlegenen Schunkeln. “Imperial Blaze” ist auf sehr hohem Niveau produziert. Das zumindest hat sich der Jamaikaner beibehalten und damit natürlich eine saubere Arbeit abgeliefert. Bei  Superproduzenten wie Stephen “Di Genius“ McGregor oder Arif Cooper, ist was anderes auch wohl kaum zu erwarten gewesen. Für den Konsumenten bedeutet das: catchy Hooks, die einem so schnell ins Ohr gehen, wie Usain Bolt laufen kann (was ein Vergleich). Zum Tanzen bewegt einen “Imperial Blaze“, mit einem Mix aus Dancehall und Reggae,  also allemal.

So viel zum musikalischen Aspekt, doch der Inhalt lässt die ganze Sache derartig kippen, dass mein Zorn nicht geschwächt, sondern geschürt wurde. Obwohl ich ein riesiger Dancehall Fan bin, die Musik im Club feiere bis zum Umfallen und auch verstehen kann, dass Sean Paul gerade auf Grund seiner Kommerzialität nicht den Underground-Dancehall neubelebt, bin ich nicht dazu in der Lage, mir die Platte noch einmal anzuhören. So voll gestopft ist sie mit dem Motiv der Liebe, des Verliebsteins und des innigen Liebemachens. Wer jetzt denkt ich sei derzeit sexuell frustriert, sodass mich das Liebesglück anderer auf die Palme treibt, der irrt. Um verständlich zu machen, wie kitschig und eintönig die Platte textlich ist, hier ein kleines Hookline-Portporree:

“I’ll be your sunshine you could be mine you’ll be my wind chime” ("So Fine")

“Now that I got your love girl, I never ever give it up girl” ("Now That I Got Your Love")

“Girl you know I care, so if you ever seem to lose your way, have no fear, hold my hand, i´ll be there girl, you know I care girl ("Hold My Hand")

“Try to be there for you girl, when you call my name….I tell you I give you love straight to the end…they don´t understand its from my heart, baby girl you know this from the start” ("Pepperpot")

“Cause I need you and you need me, together girl, that’s how we must be” ("Running Out Of Time")

und natürlich mein Lieblingsvers:

“I just wanna hold you so tight, freak white you until the morning light, you know why I drink so much, all these late night in the clubs, its because I miss you tender touch”  ("Lately")

“Ob nun Herr Paul selber oder aber sein Songwriter, bei der  Produktion von “Imperial Blaze”,  mit einem gemeinen, heimtückischen Liebeszauber des karibischen Voodoo belegt wurden, ist bist jetzt noch ungeklärt!”. So stand es mir als Bild-Titel im Sinn, als ich mich den geistigen Ergüssen des Albums widmete. Es fehlt einfach an Slackness und Dancehall typischem dreckigem Sound.

Wer also ganz, ganz doll verliebt ist oder wer DJ Hans-Peter heißt und sein Setup für den kommenden Gig am Ballerman vorbereitet, für den wird die Platte ein ganz wichtiger Zusatz werden. Der Rest der Welt kann sich den Kauf ersparen, gute Produktionen machen nämlich noch lange kein gutes Album. Außerdem werden wir ja sowieso von allen Seiten und diversen Radiostationen mit dem eindringlichen Sound des Sean Paul zugeschallt. Ob wir wollen oder nicht.