Amewu – Entwicklungshilfe

Ich habe dieses Album jetzt unzählige Male gehört, immer mit dem unterschwellig nagenden Gefühl, dass irgendetwas fehlt. Irgendein klitzekleiner Baustein, der mich davon abhält, voller Freude auf die Repeat-Taste zu drücken. Mittlerweile weiß ich es, auch wenn die Erkenntnis spät kam. Lustig, dass mir dies erst beim Lesen der Review eines anderen großen Onlinemagazins auffiel. Dort nämlich wurde Amewu zugesprochen, auf seiner Platte die besten Aspekte zu vereinen, die Rap zu bieten hätte: Gehalt, Technik und ansprechende sowie ungewöhnliche Beats. Wenn ich ganz ehrlich bin, fehlt mir da allerdings der Punkt, der in Verbindung mit Kunst im Allgemeinen und vielleicht Musik im ganz, ganz Besonderen immer als allererstes genannt werden sollte: Gefühl. Ich möchte etwas fühlen, wenn ich Musik höre, unabhängig davon, ob das jetzt Trauer, Freude, Schmerz oder Hass ist. Kunst ist Emotion, festgehalten in einem Moment und gebannt auf eine Leinwand, ein Videoband, einen Tonträger.

Der Edit-Künstler ist also viel mehr ein Handwerker, technisch perfekt, absolut souverän im Vortrag und dabei noch in der Lage, Geschichten auf rhetorisch ansprechende Art und Weise zu erzählen. Einmal auf Play gedrückt, wird das komplette Programm in einem beeindruckenden Fluss abgespult und wer den Rapper schon einmal live gesehen hat weiß, dass er auf der Bühne seiner Studioleistung in nichts nachsteht. Wenn Tone der Reimroboter ist, ist Amewu die Reim-MG. Von den geladenen Featuregästen kann hierbei nur Chefket ansatzweise mithalten, die musikalische Untermalung wirkt dem Künstler wie auf den Leib geschnitten. Thematisch bewegt sich der Berliner hierbei zwischen der mittlerweile zum Repertoire eines jeden Rap-Musikers zu zählen scheinende Kritik an der Szene, dem Sinn und Unsinn des Daseins, sowie natürlich die Zelebrierung des eigenen Könnens.

In diesem Zusammenhang sollte auch positiv erwähnt werden, dass sämtliche Texte von "Entwicklungshilfe“ im recht psychedelisch anmutenden Booklet abgedruckt sind, sollte man innerhalb eines Songs mal nicht alles verstehen. Im Allgemeinen fragt man sich: Wann holt der Typ eigentlich mal Luft? Die Schnellfeuerwaffe, die der Gute offensichtlich anstelle seines Munds im Gesicht hat,  ist derart präzise und auf den Punkt, dass es tatsächlich etwas Übermenschliches hat und man sich um ungefähren vorstellen kann, warum der Rapper früher unter dem Pseudonym "Halbgott" unterwegs war. Kein Wunder, dass einer der Tracks dann auch mit "Maschine" betitelt ist.

Andererseits: Ich mag es, wenn der Künstler in seiner Musik Schwächen und Menschlichkeit vermittelt. Gerne sehe ich auch über das ein oder andere hinweg, was vielleicht nicht so on point ist. Ja, vielleicht würde man bei einer größeren Variation der Vortragsweise weniger schnell rappen und eventuell sogar mal etwas aus dem Takt kommen, aber genau das würde diese Musik greifbar machen. Das wären Momente, die mich als Hörer fesseln und aufmerksam bei der Sache bleiben lassen. So fühle ich mich von dieser klinisch reinen Rap-Musterlösung des Klassenprimus leider etwas gelangweilt und eingelullt. Kühle Perfektion ist zumindest für mich im Bereich der Kunst nicht immer das Erstrebenswerteste, deshalb reicht es dann bei diesem durchaus guten Album auch nicht für die Höchstwertung. Schade eigentlich.