Ein leicht elektronisch anmutender, oftmals mit verzerrten Frauenstimmen angereicherter und in Teilen sogar Loveparade-Feeling verbreitender Klangteppich zieht sich durch das gesamte Album und bildet sozusagen den grauen Faden. Über diesen musikalischen Hintergrund wird gesungen und gerappt, mitunter ist der Künstler auch gar nicht zu hören ("Bezorientatsja"). Thematisch bewegt sich Tua vor allem in den dunklen, depressiven Gefilden der menschlichen Psyche, was ihm besonders bei "Kyrie Eleison" meisterhaft gelingt. Lange habe ich nicht mehr ein derart nachdenklich stimmendes und durchdachtes Lied über Glaubensfragen und die Illusion einer moralisch wie biblisch korrekten Zwischenmenschlichkeit gehört. "Der Himmel ist so weit fort", wird nahezu entschuldigend festgestellt, gleichzeitig aber auch die Frage nachgeschoben, ob der Vater denn auch draußen in den Straßen sei. Einmal mehr also die Theodizee-Thematik aufgearbeitet, nichtsdestotrotz aber zu keiner Zeit in altbekannte inhaltliche und rhetorische Muster verfallend.
"Für Immer" erzählt die Geschichte einiger, von anderen Leuten geächteter Außenseiter und tut dies ebenfalls einfühlsam und sprachlich ansprechend, allerdings bekommt man, mittlerweile beim achten Track angekommen, das Gefühl, dass nichts mehr wirklich Neues passiert. Aus einem rein musikalischen Standpunkt heraus. "Problem" mit Kool Savas, seines Zeichens einziger rappender Gast auf "Grau", enthält außer dem Rat des Kings, nicht mehr nach unten zu gucken, wenn man nach oben möchte, nichts so richtig Spannendes und ich bin nach meinem euphorischen ersten Eindruck etwas enttäuscht. Spätestens bei dem bereits erwähnten "Dein Lächeln" bin ich aber wieder auf Kurs und als das reine Klavier-Stück "Viktor" ertönt und kurz darauf das in seiner abstrusen Drogenstory-Entfaltung etwas an Olli Banjo erinnernde "Nachtschattengewächs" folgt, weiß ich: Das ist anders, das ist frisch, das ist unbeschwerte Musikalität in all ihren melancholischen Facetten. Dieses Album ist konsequent konträr zu dem entwickelt worden, was man gemeinhin unter einer Rap-CD versteht. Manchmal allerdings ein bisschen zu sehr, vor allem was die Trance-Elemente betrifft. Da möchte man Tua an den Schultern packen, schütteln und ihm den VIVA Club Rotation Sampler entreißen.
Trotzdem: Gerade für Freunde des Experimentell-elektronischen-Techno-wir-tragen-Neonhosen-in-da-Club-Sounds, denn der lässt sich trotz tiefsinnigen Texten und souveränen Rap-Parts nicht verleugnen, wohl eins der interessantesten Alben 2009. Das sage ich jetzt einfach mal so voraus.