Der Paragraph 31 regelt laut Strafgesetzbuch, dass jemand, der von der Beteiligung an einer Tat zurücktritt, bevor ebendiese begangen wird, nicht bestraft werden darf. "Paragraph 31“, so heißt auch das neue Album von Yassir, der sich im Booklet vor bedrohlich dunklem Hintergrund als harter aber innerlich trauriger Kämpfer positioniert. Im Allgemeinen scheint es insbesondere im Frankfurter Straßenrap üblich zu sein, nach außen hin zwar den Starken zu markieren, in seinen Songs dann aber auch über die traurigen, einsamen Momente der Verzweiflung und Schwäche zu philosophieren. Raptechnisch vorgetragen wird dies meist nicht sonderlich herausragend, jedoch auf absolut vertret- und hörbarem Niveau, die Beats reichen von Synthie-Brettern bis hin zu orientalisch verspieltem Herumgedüdele. Überraschung: Genau so ist auch die hier vorliegende CD. Das macht sie nicht schlecht, leider aber trotz durchaus vorhandener Atmosphäre teilweise etwas farblos.
„Das ist Schmerz, das ist Hass, das ist Herz, das ist Kraft, das ist Frust, wann ist Schluss?“ rappt Yassir in seinem Track "Hart Aber Wahr“ und das glaubt man ihm auch. Andererseits vermittelt sich einem gerade im Bereich Deutschrap der Eindruck, dass es außer über Schmerz, Hass, Frust und ab und an mal ein bisschen Geschlechtsverkehr nicht mehr viel anderes zu sagen gibt und das ist ehrlich gesagt etwas traurig. „Es ist hart aber wahr was wir sagen“ geht es weiter und „wir“ schließt in diesem Fall auch Solo und Tone, dem Reimroboter, von dem man bis auf vereinzelte Featureparts in letzter Zeit leider nicht mehr sonderlich viel zu Hören gekriegt hat, mit ein. Auch alle anderen Gastbeiträge belaufen sich auf das erweiterte Frankfurter Umfeld und das ist mitunter etwas langweilig. Weil, und vielleicht lehne ich mich hierbei etwas aus dem Fenster, aber ich empfinde es einfach so, das stimmlich wie raptechnisch alles mehr oder weniger ähnlich klingt.
Zu dem wahnsinnig pathetischen "Kämpfersong“ wurde ein Video gedreht, welches sich, ebenso wie der Text, leider in abgedroschenen (Sprach-)Bildern erschöpft. Yassir will „nach oben“, denn „all der Schmerz“ der ihn begleitet, ihn müde macht und so weiter. Das mag junge Menschen in einer ähnlichen Situation Hoffnung machen, könnte aber bitte auch mal etwas engagierter und anspruchsvoller verpackt werden. Jonesmann, für den ich mich noch nie begeistern konnte, singt dann gewohnt emotions- und lustlos die Hook, während er vor einem Dreier BMW Coupe steht. Kurze Frage hierbei: warum?? Wenn es darum geht, etwas un-be-dingt schaffen zu wollen, „aufzustehen“ für eine Sache, wie kann man dann smooth mitwippend halb auf der Motorhaube eines Wagens der gehobenen Mittelklasse hängen und an das Ende eines jeden Satzes ein „Yeah“ hängen? Was mich Hook-technisch ebenfalls nicht anspricht, textlich aber eindeutig überrascht wie beeindruckt ist "Teufelskreis“ featuring Solo. „Um der Jugend was zu sagen, besonders denen, die es schwer haben, muss ich dabei fluchen oder gar noch ordinär werden? Die Hip Hop Szene hat den Ruf von Kiffern und Verbrechern, es gibt Wenige, die aufstehen und dem Irrtum widersprechen.“ heißt es da und ich möchte aufspringen und rufen „Ja! Du hast Recht! Dankeschön!“
Tatsächlich existieren mehrere dieser Momente auf "Paragraph 31“, andererseits gibt es dann aber auch Zeilen, bei denen ich mich erbrechen möchte ob der Ausgelutschtheit. „Ich brauche deine Nähe, ohne sie will ich nicht sein. Du bist die, für die ich leben will, du bist mein Sonnenschein.“ – sein, schein, haus, maus, wurst, durst…. Egal. "Nicht Bei Mir“ wirkt trotz wunderbarem, melancholisch wie drängend wirkendem Beat von Lex Barkey leider wie eins dieser 0815-Liebeslieder, die es ja dann doch irgendwie auf jedem Album geben muss. Insgesamt lässt sich am atmosphärischen Klangteppich der gesamten CD kaum etwas aussetzen. Kein Wunder, waren hier doch namhafte Produzenten wie Martelli, M3 & Noyd, Benny Blanco, Brisk Fingaz, Sti und PhreQuincy am Werk.
Nach dem mehrmaligen Hören der Platte muss ich jedoch zugeben: Nur wenig von den 13 Tracks bleibt wirklich im Ohr. "Mein Leben“, rein vom Titel her innovationsmäßig ganz weit unten anzuordnen, hebt sich durch gepitchte Hook ab, auch die Songs mit Tone ("Hart Aber Wahr“, "Therapie“) sind Anspieltipps. Der Rest ist weder inhaltlich noch musikalisch so eigenständig oder beeindruckend, dass es zwingend Erwähnung finden muss, dafür gibt es bis auf "Schaut Mir In Die Augen“ und „Kämpfersong“ auch kaum Ausreißer nach unten. Das Potenzial ist bei Yassir also definitiv da, vielleicht sollte er sich einfach aus dem Frankfurter Einheitssumpf loslösen und sich auch sprachlich etwas weiterzuentwickeln. Ja, manchmal ist das Leben traurig, manchmal ist es dunkel und man hat Tränen in den Augen, ABER all das lässt sich nach dem gefühlten fünfhundertsten Track darüber auch mal anders ausdrücken.