Bei Nacht ist ein 48-Minütiger Dokumentarfilm der dem neuen Kollegah Album beiligt und weil er sich überhaupt nicht mit Kollegah beschäftigt, besprechen wir ihn unabhängig vom Album.
Die DVD besteht aus insgesamt 4 Interviews mit den Düsseldorfer Türstehern Jakob, Zaki, Pasa und Ivan, die in Länge und Ausführung sehr unterschiedlich sind. Den wohl prominentesten Raum nimmt Jakob ein, dessen Interview bei weitem das ausführlichste ist und das auch mit diversen Bildern aus dessen Boxhalle angereichert wurde.
Die Männer erzählen über ihren Job, die Nacht und die Gefahren und vor allem sprechen sie über den schönen Schein dieses Geschäfts und die hässlichen Seiten, mit denen sie dann meistens zu tun haben. Alle haben Narben. Herrührend von Messerstichen, Schraubenziehern oder Baseballkeulen. Jakob wurde mit dem Auto angefahren, … immerhin 200 Meter von einem Fahrzeug mitgeschleift. Das sind keine Angebergeschichten. Das ist so.
"Bei Nacht“ ist ein sehr moralischer Film. Alle 4 warnen vor den Gefahren des Nachtlebens. Eltern sollen besser auf ihre Kinder aufpassen. Die Gesellschaft soll Verbote verhängen oder zumindest bessere Aufklärungsarbeit leisten. Wenn man den Profis so zuhört, dann könnte man glauben, dass jeder Diskobesucher in der Hölle landet und jedes Mädchen, das sich auf einen Drink einladen lässt auf dem Strich. Kinder geht da nicht rein, auch wenn ich hier drin bin.
Das ist natürlich widersinnig, denn allen Beteiligten merkt man natürlich auch an, dass sie genau wie alle anderen vom Nachtleben fasziniert sind – auch wenn sie es nie zugeben und immer behaupten würden, dass es ein Scheißjob sei.
Allerdings suchen diese Männer im Nachtleben natürlich etwas ganz anderes als die unzähligen Gäste, die sie zu betreuen haben. Da geht es nicht um Spaß und druff sein. Laut eigenen Aussagen haben zumindest Jakob und Zaki noch nie Alkohol getrunken oder Drogen genommen.
Jakob, Zaki, Pasa und Ivan sind aus einem ganz einfachen Grund dabei. Erstens lieben sie die Herausforderung. Die Unberechenbarkeit und letztendelich auch den Adrenalinrausch, wenn es los geht. Auch das würden sie nie zugeben.
Das zweite aber ist und das ist wahrscheinlich viel wichtiger. Sie halten sich für die Garanten einer gewissen Ordnung. Sie wissen, wenn sie nicht da wären, dann wäre alles noch viel, viel schlimmer. Mit ihrer Kraft, mit ihrer Erfahrung, Intelligenz und letztendlich mit ihrem Körper bringen sie wenigstens ein bisschen Ordnung ins Chaos und in eine Welt, die ohne sie explodieren würde. Das glauben sie und das glauben sie wahrscheinlich auch zu Recht.
Es geht um Ehre, um Loyalität, um Mut und vor allem um Respekt und natürlich, aber das wird in dem Film ein bisschen unter den Tisch gekehrt, letztendlich geht es eben auch ums Geld.
In welchem anderen Beruf kann man nach zwei abgebrochenen Lehren Geld damit verdienen, in dem man 2 Stunden am Tag trainiert und einfach stark ist? Wo kann man in dieser sonst so hochzivilisierten Welt sonst noch sein Geld verdienen – mit körperlicher Gewalt. Auch wenn alle und zwar ausnahmslos alle in diesem Film sagen, dass Gewalt keine Lösung ist.
Woher die Kohle für die schnellen Autos und den relaxten Lebensstil kommt wird denn auch nur vage angedeutet. Drogen und Zuhälterei nie. So viel steht fest. Das finden alle interviewten ehrlos und peinlich. Der Verweis, dass es sich um so etwas wie Schutzgeld handeln könnte, kommt von Jakob. "Ich will keine Frau für mich arbeiten lassen und auf den Strich schicken. Ich wollte das immer mit meiner Kraft machen. Weil ich stark bin.“ Jakob nennt das Inkasso.
Auf jeden Fall eine Bereicherung für die CD, überhaupt nicht reißerisch oder glorifizierend aufgemacht und absolut true to the game. Gelungener Einblick in die Nachtwelt, auch wenn man Filmtechnisch einiges anders hätte machen können. Mehr Bildmaterial aus der Arbeitswelt der Männer. Weniger Talking Heads und der Umstand, dass die Portraits hintereinander abgespult werden und allen offensichtlich die selben Fragen gestellt wurden macht die Doku gegen Ende hin ein bisschen lang und langweilig. Da hätte man die verschiedenen Statements auch mixen und das ganze durch eine geschicktere Regieführung auflockern können.
Trotz allem RESPEKT für dieses ungewöhnliche Projekt!