Kollegah – Kollegah

Eins vorneweg: Kollegah ist absolute Geschmackssache. Der Typ hat zweifellos witzige Punchlines und ist technisch einer der interessantesten Künstler, die Deutschrap aktuell zu bieten hat, aber ansonsten kann zumindest ich jeden Einzelnen unter euch verstehen, den die gewollt überheblich-monotone Stimme sowie die übertriebene "Bosshaftigkeit" nervt. Ich hingegen finde es witzig und super und dementsprechend fällt auch meine Bewertung des vorliegenden Werkes aus.

"Kollegah" heißt die Platte und glaubt man Künstlern, die ihre CDs nach sich selbst benennen zum Beispiel Britney Spears, so geht es auf derartigen Tonträgern immer um die Essenz des Musikers an sich. Um seine Vergangenheit, Zwischenmenschliches, vielleicht auch Schmerz. Bei Felix Antoine Blume ist das nicht so. Viel mehr wird hier zum Ursprung des musikalischen Schaffens zurückgekehrt, namentlich die "Zuhälter"-Tapes. Es erwarten einen also Stories über Drogen, gentechnische Überlegenheit, extravaganten Schmuck und, nun ja, Nutten.

Das Ganze wird wie gewohnt in geistreichen bis absolut abstrusen Lines verpackt, bei denen man des öfteren zweimal hinhören muss, um den Wortwitz komplett zu verstehen. Im Allgemeinen ist die Musik des Herren aus Düsseldorf keine, welche sich problemlos nebenbei genießen lässt. Zu sehr liegt hier der Fokus auf ausgefeilter Technik und durchdacht-verschachtelten Reimen, zu wenig Pop-Charakter bieten die gut 15 Tracks plus Intro und Outro.

Müssen sie aber auch nicht, denn auf "Kollegah" erwartet einen tatsächlich T.O.N.I. pur, ohne jegliche Features, ohne weichgespülte, musikalisch einschmeichelnde Elemente. "Kokamusik" ist eines dieser kompromisslosen Lieder, für die man "den Boss" entweder lieben  oder hassen muss. "Ich komme mit der Gun in deine Bude rein und demütige deine Mutter auf ganz üble Weise /  geb ihr Schellen und schon lässt sie das Dampfbügeleisen elegant über meine Anzüge gleiten" – seien wir ehrlich, das ist verrückt. All das dann Doubletime-mäßig über einen vom Selfmade-Hausproduzenten Rizbo stammenden Beat vorgetragen und schon haben wir die perfekte Musik für einen entspannten, verkehrsberuhigten Nachmittag in der tiefergelegten Nobelkarosse. Auf dem Beifahrersitz eine leichtbekleidete, überdurchschnittlich promiskuitive Frau mit großen Brüsten.

Auch die erste Single "Big Boss" (über die Qualität des dazugehörigen Videos kann man sich sicherlich streiten) bildet ein Highlight des Albums. Allein die Hook ist göttlich und man möchte sie nach dem ersten Hören im exakt gleichen Tonfall wie der Künstler zu jeder sich bietenden Gelegenheit vortragen: "Eeeey, geh beiseite du Schlampe, es ist der Big Boss im seidenen Mantel. / Ich pump die eisernen Hanteln, regulier die Szene allein, denn die ganzen / Rapper sind G-technisch auf Messdienerlevel (!) und ich hab für sie nichts übrig außer Desinteresse". Auch die Zeile "meinen ausgeprägten Stiernacken umschmeicheln Pelze von aussterbenden Tierrassen" ist sowohl ausgefallen als auch offensichtlich großenwahnsinnig und passt somit perfekt ins gesamte Albenkonzept. Denn egal ob "Bad Boy", "Straßenapotheker" oder "1001 Nacht" – trotz geringfügig wechselnder Handlung bleiben die Inhalte doch weitestgehend dieselben und das kann auf die Dauer anstrengen und vielleicht auch langweilen.

Für alle besorgten Eltern, die es für pädagogisch wenig wertvoll halten, dass in den Lyrics größtenteils der schnöde Mammon sowie Sex und wohldosierte Gewalt angepriesen werden: Kollegah kann auch anders. Im "Sommer"-Nachfolger "Herbst" (wer hätte es gedacht) wird plötzlich in sich gegangen. "Nichts auf der Welt hält für ewig / alles was uns bleibt, wenn wir sterben, ist die Seele / und wir möchten im Leben keine Schlösser, wir beten / weil wir wissen, dass wir nach dem Tod dem Schöpfer begegnen". Es mag sich um haltlose Spekulationen handeln, aber womöglich wird auf dem nächsten Longplayer ein Track namens "Winter" erscheinen, der erneut eine ähnliche Thematik behandelt. Es ist schön, wenn es Dinge im Leben gibt, auf die man sich verlassen kann. Der anschließende Song "Bis Zum Tag" kann beinahe als Liebeslied bezeichnet werden und so kommt doch noch etwas Abwechslung in die "Zuhältertapes Reloaded"-Platte.

Nichtsdestotrotz: Musik für Bankangestellte, wie im Interview mit uns behauptet, ist es nicht geworden. Macht zwar nichts, sollte aber trotzdem mal gesagt werden. Wirklich negativ erwähnen ließe sich aber, dass der Großteil der Beats, größtenteils von Rizbo produziert, ziemlich farblos wirken, das war auf "Alphagene" anders, man denke hierbei vorallem an das atmosphärische "Machomannstyle", welches sich trotz ausgesucht schlechtem Part von Bass Sultan Hengzt von der ersten Sekunde an tief im Gehörgang verankerte.

Auch das ein oder andere Feature hätte "Kollegah" ganz gut getan, letztendlich funktioniert das zweite Album des Halbkanadiers aber auch so. Für erklärte Fans des "besten Doubletimers der Welt", des "Brasilianers" und "Native Speakers" ein absolutes Muss!

Alle anderen müssen rein hören! Weil man wissen sollte, was der Lieblingsfeind so macht!