„Grau ist der Anfang vom Ende… Die Mitte zwischen Tod und Leben… Ich heiße euch willkommen im Nirgendwo“. Mit beschwörender, dämonischer Stimme begrüßt Basstard seine Hörer zum ersten Teil seiner "Zwiespalt" Trilogie. Ich ahne schlimmes: erwarten mich nun 20 Tracks über okkulte Zeremonien, düstere Wesen, Opfergaben oder gar gemütlichen Sit-Ins auf dem Friedhof?
Nein, Gott sei Dank sind das nur die Vorurteile mit denen Basstard, der Begründer des Horrorcore-Rap Genres in Deutschland, wohl oder übel Leben muss. Mit Alben wie “Rap Dämon“, “Obscuritas Eterna“ oder “Dogma“, hat sich der aus dem Iran stammende Nima Najafi-Hashemi einen Namen als Berlins mystischster und depressivster Rapper gemacht.
In “Zwiespalt Grau“ präsentiert der “Kleine Mann“ aber auch seine weniger düsteren Seiten. Ein gutes Beispiel dafür ist “Klappe Zu“ mit dem überraschend guten Bass Sultan Hengzt. Hier geht es um eher weltliche, vielen Männern bekannte Probleme: Der Typ will vögeln, die Olle quatscht zu viel. – Fazit: “Klappe Zu“! Einfaches Thema, dennoch unterhaltsam umgesetzt. In “Puff Puff“ mit Sido und Harris, scheitert Basstard dagegen an dem Versuch, den lockeren, obercoolen Kiffer raushängen zu lassen. "Ich roll den Blunt, ich roll die Megatüte, du darfst nicht daran ziehen, es sei denn du bist `ne Megasüße!“. Zudem ist der Track eine gewöhnungsbedürftige Mischung aus Elektrobeat, Dancehallhook und Rapparts, die wir von den Lieblingsrappern auch schon mal besser gehört haben. Dann doch lieber Basstard als Antichrist, der uns über schwarze Gestalten und die Apokalypse aufklärt. So wie in “Energie“ oder “Endzeit“. Kinder sollten diese Lieder unter keinen Umständen vorm Einschlafen hören, denn allein schon Basstards krächzende, satanische Stimme sorgt selbst bei Erwachsenen für ein gewisses Unwohlsein. Dazu, leicht an Rotenburg erinnernde Zeilen wie "Ihr seid leckeres Fleisch, gebraten, geröstet, persönlich verspeist!" – Da ist er wieder, Basstard, wie ihn Kannibalen und Satanisten lieben. Für all diejenigen, die jetzt gerne Basstards Atze werden wollen, empfiehlt es sich den Track “Atze“ feat. Jope, genau zu studieren. Hier gibt der “Horror-Rapper“ seine Definition eines wirklichen guten Kumpels zum Besten: „Ein Bruder, der zu dir hält in einer bitteren, schwarzen, eisernen Zeit… der einzige, der dich versteht und der, wenn der Tod dich holt, dann weint.“ . Tja auch Misanthropen haben Freunde… Mit seinen besten Atzen hat der 26-Jährige dann natürlich auch seiner “B.C.“ Crew gehuldigt. Der Hauptakteur selbst ist dabei in gewohnt guter Form, seine Kollegen schwächeln dagegen stark in Sachen Rapperformance. Das gleiche Problem ergibt sich auch bei “Hört Zu“ mit Schlafwandler und Sicc. Schlafwandler scheint seinen Part tatsächlich in geistiger Umnachtung geschrieben zu haben: „Was ist los mit diesem Staat, so langsam tut er übertreiben.“. Dazu kommt sein unverkennbares Talent, den Takt zu ignorieren. Ohne Featurepartner wäre dieser Beitrag qualitativ wesentlich hochwertiger gewesen.
Im Gegensatz dazu liefert MC Basstard mit “Schlafen Gehen“ und “Besessen“ mit Tarek von K.I.Z. zwei rundum gelungene Tracks ab. “Schlafen Gehen“ ist sogar einer der wenigen Songs, der am Ende tatsächlich eine positive Wendung nimmt. Eine wahre Meisterleistung bietet der selbsternannte Herr der Finsternis dann noch in “Ich Bin!“. Ich habe noch nie einen Rapper gehört, der es schafft, so zu klingen als würde er grade an einer Fischgräte ersticken, dabei noch eine perfekte Stimmenimitation von Gollum aus “Herr Der Ringe“ abzuliefern und trotzdem Doubletime zu rappen. Respekt!
Apropos Doubletime, unabhängig vom Gesamtresultat des ein oder anderen Tracks, muss unbedingt erwähnt werden, dass Basstard in Sachen Stimme und Flow, eine beeindruckende Variabilität an den Tag legt. In fast jedem Song switcht er zwischen überaus souveränem und gut verständlichen Doubletime und Slow-Rap hin und her. Und der Klang seiner Stimme passt sich immer perfekt an die gegebene Thematik an: mal ironisch, mal finster, bis hin zu abartig – im positiven Sinne.
Auch die Produktionen von Woroc, High Hat, Flash Gordon, Frauenarzt, Mach One, Djorkaeff & Beatzarre oder Basstard selbst überzeugen in den meisten Fällen durch viel Kraft, Atmosphäre und Individualität.
Insgesamt ist “Zwiespalt Grau“ dann aber doch eher mehr Mixtape als Album geworden und viele der Featurepartner bleiben weit hinter Basstards Rapniveau zurück. Mehr Solotracks wie das mitreißend gerappte “Wo Bist Du?“ oder gute Gastrapper wie Prinz Pi (“Das Ist Berlin“), hätten dem Endprodukt sicherlich gut getan. Nichts desto trotz ist der erste Part der "Zwiespalt" Trilogie das Anhören wert und die ein oder andere Hook wie die von “Kinder des Zorns 2008“ bleibt definitiv im Gehörgang hängen.
“Zwiespalt Grau“ ist somit sicherlich eine gute Alternative für all jene, denen Basstards rein schwarze bzw. weiße Seite, auf Dauer zu einseitig ist! In diesem Sinne, viel Spaß im Nirgendwo. Das war erst der Anfang!