Seit Tagen schießt dieses eine Wort in unaufhörlichen Wiederholungen durch meinen Kopf: Plattenbau, Plattenbau, Plattenbau, Plattenbau! Ab und zu gesellen sich, noch damit zusammenhängende Begriffe wie Osten, Broiler, Ostler, Kettwurst, Beton oder Ost-Berlin dazu. Um ehrlich zu sein, ist das nicht sonderlich angenehm, denn irgendwie beschleicht einem langsam das bedrückende Gefühl, man könnte jeden Moment auf einen “antifaschistischen Schutzwall“ treffen. Vielleicht liegt das ganze daran, dass schon der Titel von Joe Rilla’s Album den gleichen Namen trägt, wie die ehemalige Nationalhymne der DDR, nämlich “Auferstanden Aus Ruinen“. Dass der Marzahner Rapper schon immer einen Hang zur Thematisierung seiner Herkunft hat, wusste man spätestens als er 2003 das Label Ostblokk Plattenbau gründete oder 2005 das Album “Aus der Platte Auf Die Platte“ veröffentlichte. Das waren natürlich noch nicht mal ansatzweise alle Stationen seines musikalischen Werdegangs aber vielleicht zwei wichtige, die zum Entstehen des jetzigen Albums beigetragen haben. Denn das Thema Osten bzw. Plattenbau, könnte hier, auf dem von Aggro Berlin co-produzierten Werk, kaum präsenter sein.
In den Tracks “Wo Sind Meine Ostler“, “Der Osten Rollt“ und auch im Titeltrack, zeichnet Joe Rilla das Bild eines selbstbewussten, starken und erfolgreichen Ostberliners, quasi dem personifizierten "Stolz aller Ostler“. Im Gegensatz dazu stehen eher düstere und resignierende Titel wie “Ostberlin“. Hier nennt er den Bezirk, der ihn so sehr geprägt hat: "Niemandsland“, dazu klingt das melancholische Marlene Dietrich Sample "Berlin, Berlin hier lebt der Mensch gefährlich.“ Der dramatische Beat von Shuko und Rilla’s Text zu dem darauffolgenden Song “Das Leben Satt“, steigern diese negative Stimmung noch. Dieser Wechsel zwischen deprimierenden Ghettoerinnerungen und der hoffnungsvollen Vision "Raus aus dem Loch“ zu kommen, zieht sich durch das gesamte Album. Ausnahmen bilden z.B. "Denk An Mich“, was aber zum großen Teil an dem herausstechenden Goofiesmakerz-Beat und der gesungenen Hook von Shizoe liegt. Seine harte Seite zeigt Hagen Stoll, wie der Künstler eigentlich heißt, in "Junge Komm Klar“. Zwar weist er auch hier daraufhin hin, dass er ein Ostler ist, vorrangig geht es aber schlicht und ergreifend darum, dass ihn kein “Wichser abficken kann“. Dann beschreibt Joe Rilla auf seinem eigenen Beat, wie er seine letzten “24 Stunden“ verbringen würde. Das emotionalste Lied, in dem der Berliner beweist, dass er auch über andere Dinge, als seine ostdeutsche Herkunft rappen kann, ist “Vater und Sohn“. Hier verarbeitet er den Verlust seines Kindes.
Als Unterstützung hat sich der “Kollos“ noch bekannte Kollegen wie Dj Desue, für den Beat zu “Du Kennst Ein Dreck“, und Fler für “Was Ich Mach“ in die bzw. auf die Platte eingeladen. Das Leitbild des unbeugsamen Ostdeutschen, wird von Fler in gewohnter Manier noch mal eben auf gesamtdeutschen Stolz ausgeweitet. Zugegebener Maßen muss dann noch bemerkt werden, dass Songtitel wie “Du Kannst Es Schaffen“ und darin enthaltene Phrasen wie "Wenn ich am Boden liege stehe ich wieder auf" ziemlich abgedroschen wirken, aber das unglaubliche daran ist, dass man Joe Rilla jedes einzelne Wort glaubt. Und das gilt nicht nur für letzteres Beispiel, sondern für das gesamte Album. Denn so sehr diese extreme Ostfixierung für Außenstehende befremdlich wirken mag und sogar beinahe dazu einlädt, sich ironisch dazu äußern zu wollen, so sehr muss man aber auch anerkennen, dass hier jemand auf wirklich authentische Art und Weise, Einblick in seine Seele gewährt. Für den glatzköpfigen Bomberjackenträger ist seine Vergangenheit im Osten Berlins nun mal genauso bestimmend, wie für andere das atmen. Es ist nur fast schon etwas traurig, dass der eigentlich so sympathische Marzahner, sich selbst auf dieses eine Thema reduziert. Denn erinnert man sich an die alten Ostblokk-Zeiten und Tracks wie “Samba“ oder “Gold“ mit Pyranja, Sera Finale und Dra Q, dann wünscht man sich den auch mal lächelnden, auch mal unbefangen rappenden Joe Rilla zurück.
“Auferstanden Aus Ruinen“ ist dadurch insgesamt ein zu einseitiges Album, daran können auch starke Beats oder Tracks wie “Vater und Sohn“ nichts ändern. Man kann nur hoffen, dass Rilla für zukünftige Produktionen wieder mehr zu seiner alten Leichtigkeit zurück findet und es schafft, sich musikalisch von seinem ostalgischen “Meer aus Beton“ zu lösen.