Midway / Epic – Unreal Tournament 3

Unreal Tournament 3 muss eine Frau sein. Warum? Nun ja, sie ist dem Schönheitsideal verfallen. Allerdings unterzieht sie sich eben menschlichen Schönheitskuren statt die eines Spieles zu verfolgen. Obwohl es da natürlich auch Parallelen gibt. Aber ein Spiel darf eigentlich nicht schlank sein. Zumal der Name auch gar nicht so passend ist. Dennoch: Schon von den vielen Preview-Bildern konnte man vermuten, dass der dritte Teil einer der erfolgreichsten Shooterserien dermaßen sexy aussehen wird, dass sogar Miss Universe einpacken kann. Was fehlt, übriggeblieben und sogar neu ist, wird der Test über Epics und Midways Weihnachtshit verraten.

Bereits das Menü sieht relativ abgemagert aus, wenn auch stilvoll in Szene gesetzt. Wer sich an Unreal Tournament 2004 erinnert, wird vielleicht noch das relativ bunte Hauptmenü in Erinnerung haben. Teil 3 (eigentlich Teil 4, wenn man 2003 und 2004 getrennt betrachtet) ist nun in dezentem grau und rot eingebettet. Die Einstellungsmöglichkeiten sind auch verringert worden. So fehlt die Wahl der Ansager oder das präferierte Team. Auch die Auswahl an Charaktermodellen wurde eingeschränkt, jedoch kann man sich hier nun an den bestehenden Charaktermodellen austoben, da man sie nun individuell gestalten kann, was die Rüstungen angeht. Unendliche Kombinationen hat man allerdings (noch) nicht zur Verfügung.

Die wichtigsten Menüpunkte jedoch wohl die Kampagne und der Multiplayermodus. Die Kampagne ist eigentlich nur ein Tutorial für den Multiplayer. Man spielt auf den Standardkarten und in Standardmodi, die im Multiplayer zur Verfügung stehen und nur ein Sieg bringt den Spieler weiter. Manchmal hat man Optionen auf dem (trügerischen, weil kaum interaktiven) Globus, welche Mission man als nächstes annehmen möchte und manchmal erspielt man sogenannte „Karten“, die einem Vorteile in einer Mission beschaffen oder Nachteile ausgleichen – zum Beispiel kann man zwei Extrasöldner für eine Runde anwerben. Missionen deshalb, weil – und hier kommt der Beleg, dass der Spieltitel eigentlich nicht mehr stimmt – die Kampagne kein Tournament mehr ist, sondern Krieg! Der Wiedereintritt in die Kriegsgebiete wird durch „Respawner“ erklärt, die Flaggen bei einem „Capture the flag“-Match stellen den Energiekern eines Respawners dar. Somit ist die Kampagne eigentlich eher eine Mogelpackung – wäre da nicht die verdammt geniale Inszenierung! (Hervorragend schöne) Zwischensequenzen erzählen einen Teil der Handlung. Dabei fühlt man sich direkt im UT-Universum, da bekannte Figuren wie Malcolm oder Othello ihren Weg ins Spiel gefunden haben. Malcolm ist quasi der Vorgesetzte der Spielertruppe, Othello der (irgendwie immer beste) Kämpfer in der Gruppe. Der im deutschen übrigens eine unverkennbare Stimme erhalten hat – die von Chefkoch aus South Park. Anfangs extrem ungewohnt, entpuppt sich der Sprecher als perfekter Alleinunterhalter. Allein, wenn er verkündet, dass er die Flagge habe oder er seine Beine nicht mehr spüren würde. Die KI ist übrigens mal wieder exquisit und für Jedermann adäquat einstellbar.

Kommen wir zum Herzen des Spiels: Der Multiplayermodus. Hier ist der absolut Minuspunkt am gesamten Spiel zu erkennen: Die angepriesene Vielfältigkeit aus den Vorgängern wurde wegrationalisiert! Übrig geblieben sind neben ein paar Standardmutatoren (spielverändernde Modifikatoren, die zum Beispiel den Kopf wachsen lassen, je mehr Punkte man hat) nur noch das Death Match nebst Team und 1-gegen-1-Variante, das Capture-the-Flag (mit oder ohne Fahrzeuge) sowie der neue Modus Warfare (Kriegsführung) zu finden. Bombing Run, Assault, Last Man Standing, Mutant, Double Domination, Invasion, Onslaught – alle sind weg. Der letztgenannte Onslaught-Modus  wurde leicht abgeändert als Warfare wiedereingeführt.  Kurze Erklärung für Neulinge: In diesem Modus geht es darum, den Powerkern des feindlichen Teams zu zerstören, bevor sie es mit dem eigenen tun. Verwundbar wird er allerdings erst durch das Errichten von Knotenpunkten, die vom eigenen Powerkern ausgehend zum feindlichen gesetzt werden müssen. Knoten, die keine Verbindung zu einem vom Spieler kontrollierten Knoten besitzen, sind uneinnehmbar. Es existieren in Warfare nun sogenannte primäre Knoten, welche denen vom Vorgänger entsprechen, sowie sekundäre, die jederzeit eingenommen werden können und zusätzlich Unterstützung wie Geschütze und Flugzeuge anbieten. Außerdem besitzt jede Seite nun eine Kugel, die zur sofortigen Einnahme eines feindlichen oder neutralen Knotens dient und eigene Knoten unzerstörbar macht, solange der Träger lebt. Die letzte Neuerung betrifft sämtliche Modi mit Fahrzeugen: Das Hoverboard. Dies ist ein schnelles Fortbewegungsmittel, welches alle Spieler jederzeit auspacken dürfen. Auf diesem Hoverboard ist man sehr viel schneller als zu Fuß und in langsameren Fahrzeugen, allerdings fällt man mit einem Schuss zu Boden und man kann selber keine Waffen benutzen, im Gegenzug aber sowohl Kugeln als auch Flaggen tragen – was in Fahr- und Flugzeugen nicht möglich ist. Das Schwebebrett ist eine sinnvolle und spaßige Neuerung, zumal man sich an schnelle Fahrzeuge per Traktostrahl anheften kann, um schneller voran zu kommen.

Waffen gibt es keine neuen, lediglich das Sturmgewehr wurde durch eine Pistole namens Enforcer ersetzt. Diese feuert pistolentypisch auch keine Granaten, sondern entweder Einzel- oder Salvenschüsse. Die Lightning Gun wurde nun völlig für das Scharfschützengewehr gestrichen und die Spinnenminen sind nun ein "Tool". Es gibt noch andere (seltene) neue „Tools“ wie Anti-Fahrzeugminen oder einen grünschimmernden, geleeartigen Block, in dem ALLES verlangsamt wird: Schüsse, Spieler, Fahrzeuge. Die Optik in diesem Block ist jedenfalls großartig. Bei den Fahrzeugen sieht man auf den ersten Blick auch keine neuen Modelle. Der Artilleriebuggy SPMA und der Defensivpanzer Paladin aus einem Erweiterungspack von UT2004 sind diesmal sofort dabei und einige Fahrzeuge sind nun in einer neuen Version auf dem Schlachtfeld. So hat der Buggy Scorpion ein neues Bordgeschütz sowie einen Turbo und der Geländewagen Hellbender ist nun kompakter, überlässt das Frontgeschütz dem Fahrer besitzt nur noch einen zweiten Platz zum Einsteigen. Die rollende Kampfstation Leviathan letztlich besitzt statt eines Lenkraketenwerfers nun ein Plasmageschütz. Interessant wird es allerdings erst, wenn man Necristechnologie auf dem Schlachtfeld zu Gesicht bekommt. Denn dann offenbart sich quasi eine komplett neue Fahrzeuglinie, die eher organisch anmuten. Besonders sticht hier der Darkwalker heraus, ein dreibeiniges Ungetüm mit Doppellasern, einem zweiten Platz für noch mehr Feuerkraft und mit einem lähmenden Schallwerfer als Sekundärmodus, der auch die letzten Zweifel hinwegfegt, dass dieses Fahrzeug seinen Ursprung aus dem Film „ Krieg der Welten“ haben muss. Nebenbei klettert das Vieh über jede Unebenheit – was manchmal auch sehr drollig aussehen kann.

Dabei ist neben der eigentlichen, generalüberholten Optik der Fahrzeuge das Zerstören eben dieser ein Highlight. Fast punktgenau kann man sehen, WO der Schaden am Fahrzeug verursacht wird. Verformungen und abfliegende Panzerungen sind häufig zu sehen, auch wenn das Spiel eigentlich zu schnell ist, um sich über sowas Gedanken zu machen. Umgekehrt ist das stufenlose Wiederherstellen der Fahrzeugbeschädigungen per Link Gun zu betonen. Die Rüstungen der Charaktere sind eindrucksvoll und vor allem die Details auf den Karten sind wunderschön. Auf einer Deathmatch existieren Teleporter, die ein Dach eines Wolkenkratzers bei Nacht mit einer Schneelandschaft im Morgengrauen (in einem kühlen blauen Lichtton, der sich dynamisch verändert) und einem dichten Dschungel verbinden. Nebenbei sorgt der detaillierte Sound für haargenaue Orientierung und viel Atmosphäre, erzeugt gleichzeitig aber das bekannte UT-Feeling. Aber aufgepasst: Um die ganzen grafischen Schmankerl nutzen zu können, braucht man schon eine GeForce 8 oder ähnlich starke Grafikkarte und entsprechend starke Hardware. Dann läuft es aber auch größtenteils wunderbar flüssig.

Zum Glück kann man jede noch so mager geratene Person füttern. Dies trifft auch auf Unreal Tournament 3 zu. Da ein Editor enthalten ist, kann man sofort loslegen und Nachschub für dieses Spiel entwerfen. UT2004 musste schließlich auch erst wachsen. Deshalb kann dieses Spiel auch einen wichtigen Minuspunkt im Test durch eine produktive Community ausmerzen. Karten und Modi, die es nicht in die Goldversion geschafft haben, können wie bei 2004 durch ein Bonus Pack oder Communityarbeit doch noch wiederkehren. Für den Test zählt allerdings der Ist-Zustand.

Letztlich bleibt zu sagen, dass man mit Unreal Tournament 3 eine gute Investition tätigt. Dieses Mädel ist verdammt sexy, wenn auch noch etwas mager. Dafür kann man dieses neue Spiel bereits jetzt schon für einen vergleichsweise günstigen Preis bekommen (bis runter zu 29 Euro). Und die Schokoladeverkäufer könnten das gute Stück in den nächsten Monaten und Jahren noch erheblich mästen. Sound stimmt, Grafik stimmt, Spielspaß stimmt – und man fühlt sich wie bei einem alten Freund von vor 3 Jahren.