Wenn es so etwas wie europäischen Hip Hop gibt, dann wäre ein gutes Beispiel dafür DJ Vadim, besonders mit der hier zu besprechenden Platte „The Soundcatcher“. Dabei ist hier nicht die eigentliche Sprache gemeint (gerappt wird auf diesem Album sowohl auf englisch als auch auf französisch), sondern die musikalische Sprache und Ausdrucksweise. DJ Vadim selbst ist in der Szene ja kein Unbekannter. Hat er doch schon als Promoter, Radiomoderator für BBC und sogar als A&R gearbeitet. Vor allem aber als DJ und Producer; in dieser Funktion hat er sowohl schon viele eigene Projekte – zum Beispiel The Isolationist, die spanische Combo 7 Notas 7 Colores und ganz aktuell One Self – gestemmt, als auch Soloplatten und Produktionen für The Roots, Dilated Peoples oder The Pharcyde realisiert.
Europäisch also, was hat man sich darunter vorzustellen? Wer One Self kennt, wird es in ungefähr wissen, wobei man dieses Album nicht darauf reduzieren kann. Man erkennt sehr deutlich, dass auf der einen Seite DJ Vadim ein maßgebliches Rad im musikalischen Getriebe von One Self ist und dass er auf der anderen Seite auf Solopfaden noch darüber hinausgeht und mit Sicherheit mehr als einmal über den Tellerrand der Hip Hop Musik hinausschaut – vielleicht macht ihn das noch europäischer, obwohl er ja aus Russland kommt und in New York lebt.
Zunächst aber mal zum allgemeinen Sound: schon allein der Sound der Drums unterscheidet sich ganz klar von gängigen Hip Hop Produktionen, es bangt nicht immer ganz so dolle, dafür finden sich aber immer wieder erstaunliche Elemente darin, Percussions, die man so nicht erwarten würde, oder einfach auch Snares, die einem schon deswegen im Ohr kleben bleiben, weil man sie in dieser Form noch nicht gehört hat. Experimentell eben. Man kann dies von zwei Seiten betrachten. Entweder man sagt „Hey, Hip Hop Drums MÜSSEN einfach bangen, das hier kickt mich nicht!“ oder eben „Hey, das ist ja interessant…“ Die Meinung des Autors ist, dass es auf den Anlass ankommt. Sicher ist der ein oder andere Track clubtauglich genug, aber viele aber eben auch nicht. Letztere scheinen auf ein anderes Publikum oder andere Lokalitäten abzuzielen. Gemeint ist hier die viel (und auch oft zu recht) beschimpfte und trotzdem nicht totzukriegende „Loungemusik“. Freilich hat DJ Vadim, ein bekanntlich kreativer und smarter Kopf, seine eigene Interpretation dessen, geht musikalisch einwandfrei mit den Komponenten um und wird es vielleicht auch gar nicht so gemeint haben. Doch diese Mischung aus Hip Hop, Dub und oft auch Reggae/Dancehall hat einfach diesen relaxenden Appeal und die Sänger oder Rapper (unter ihnen natürlich die One Self Crew Yaroh Bravo, Blum Rum 13, sowie auch der überzeugende Sänger Emo oder der Rapper Zion u.v.m.) scheinen deswegen auch oft unterzugehen im bedrohlichen Synthiegewitter, gestützt von abgefahren verzerrten und durch alle möglichen Effekte gezogenen Gitarren oder Bläser.
Auf der anderen Seite gibt es wieder positive Beispiele für diese abgedreht „loungigen“ Soundscapes, zum Beispiel die Nummern „Saskatoon“, auf der er sich die Bläser von der zur Zeit sehr angesagten „Young Blood Brass Band“ holt oder „sd1“, ein sehr reduziertes, fragiles Groove-Werk. Beide kommen somit auch ohne substanziellen Vokalbeitrag aus und bestechen einfach durch die kreative Verwurstung des vorhandenen musikalischen Materials – allerfeinste DJ- bzw. Produzentenarbeit.
Hervorzuheben sind besonders auch die Tracks, die das Midtempo-Gefielde verlassen und vollkommen andere Wege gehen, wie zum Beispiel „Kill Kill Kill“, ein gefährlicher Uptempo Joint, auf dem der französische Rapper Big Red doubletimemäßig alles killt. Damn.
Dann wäre da noch der orientalische Dancehall-Groove „Like The Wind“ ft. Deuce Eclipse und „Got To Rock“, eine vollkommen andere Baustelle; zu hören sind hier synthetische Houseklänge und ein entsprechender Beat, ganz im Stile von Jazzanova – Europa eben. Kann man schon mal machen. Schwach hingegen sind die Reggaeversuche des DJs. Da wird der Grundgedanke, das Grundgerüst und alles, was einen guten Reggaegroove ausmacht, dermaßen weichgespült, dass es einem wirklich schaurig zumute wird. Bitte nicht!
Das Album klingt aus mit einer Liveaufnahme von „Talk To Me“. Dub trifft Detroit, sozusagen. Ein versöhnlicher Abschluss, wenn man über den noch danach zu hörenden und vollkommen unnötigen Remix von „Kill Kill Kill“ hinwegsieht.