Kool Savas – Tot Oder Lebendig

Jeder kennt ihn, den ungekrönten König aus dem Adelsgeschlecht Optik: Kool Savas. Fünf Jahre habt ihr darauf gewartet, dass ein Album erscheint, nun ist es soweit, man muss allerdings betonen, dass sich SA in dieser Zeit keinesfalls aus dem Rapgeschäft zurückgezogen hat. Doch nach etlichen Mixtapes, einem Remixalbum, der Azad-Kollaboration und dem Optik Lablesampler, musste die Zeit für etwas Eigenes kommen, etwas, dass seiner Führungsrolle im Deutschrap gerecht wird. Deshalb war die Erwartung extrem hoch, genau wie auf der anderen Seite die Ansprüche von Savas an sich selbst.

Das Intro ist der absolute Wahnsinn, wohl auch weil ich beim diesjährigen Splash! ein Teil der begeisterten Crowd war, die sich lautschreiend auf dieser Platte verewigte. Er fängt langsam zu rappen an und steigert sich in einen unglaublichen Wortschwall hinein, mir kommt es vor wie ein zusammenhängender Satz, atemberaubend im Einklang mit Mels Melodie. Der Sound ist überhaupt sehr vielschichtig und auf höchstem Niveau, gesamplete Live-Sounds aber zum Beispiel auch eingespielte Pianos machen das Album zu einem musikalischen Erlebnis, das sogleich gar nicht so einfach zu begreifen ist, Nuancen der Vollkommenheit, dem fahrlässigen Ohr verborgen. Obgleich Savas technisch unglaublich flowt fehlt bei den dominierenden Battletracks inhaltlich Originalität, Ironie und das gewohnt Extreme. Ausnahmen sind Lines wie „Hier isser euer bester Freund Kool S A, ich will diese ganze Welt zerstören: U S A“. Vergleiche, alle aus "Der Beweis", wie "Ich pust dich aus wie eine Kerze"  oder "Was ihr sagt ist ohne Inhalt wie ein Sack, der kein Samen hat", sowie ähnlich "Mein Flow ist wie warmer Samen voll ins Gesicht", erscheinen hier zu bider und seltsam. Die verzerrte Stimme im selben Song ist einfach nur kitschig, was hat sowas denn bitte in einem Savas Song zu suchen, dazu auch noch in der ersten Singleauskopplung, gab es denn wirklich keine andere Idee die Hook umzusetzen? "On Top", ist ein ehrwürdiger Nachfolder von "All 4 One", obgleich ich diese Guck my man  und On Top my man Phrasen als eher überflüssig und peinlich empfinde. Gut, dass der Text sonst als Mutmacher durchgeht, auch der Part vom Feature Azad. Ein weiterer Gast ist der hauseigene Moe Mitchell, ein unglaubliches Gesangstalent, dieser scheitert bei seinem Part in "Essah" eher am Text, der sich einfach nicht von ihm singen lassen will, jedoch kreiert er mit seiner Stimme und seinen Worten in "Melodie" einen unfassbaren Kehrreim. Wohl das intensivste Lied auf dem Album, welches mir persönlich die Antwort auf die Frage ob Tot oder Lebendig letztendlich erleichterte. Denn dies ist keine einfache Frage. Es kommt mir so vor als wäre Savas’ technisches Können seinem lyrischen vorraus, nicht, dass die Worte nicht passen würden, denn das tun sie, sondern sie lassen zu oft wenig assoziieren. Inhaltlich befindet er sich unweit von dem Level entfernt, auf dem er sich vor fünf Jahren schon befand. „Krank“ passt da überhaupt nicht in die eben beschriebene Sparte, aber rechtfertigen fünf geile Lieder von 12 ( Minus ein Dede Skit) seine Rolle? Das ist immerhin fast die Hälfte und deshalb kann die Antwort auf DIE Frage von hier aus nur eine gespaltene sein. Savas machte ein verflucht (in dem Sinne) gutes Album, nicht mehr und nicht weniger. Savas war und ist seiner Zeit voraus, doch ist er nicht mehr uneinholbar.