Gibt es nicht momentan eine Diskussion über sogenannte „Ringtone Rapper“ wie dem Newcomer Souljah Boy? Na, wenn einer sich so nennen darf, dann doch wohl Chamillionaire. Und das nicht, weil er kein echter Rapper wäre oder nur Songs rausbringt, die sich speziell für den unschlagbaren Handysound eignen. Natürlich nicht. Fakt ist aber, dass sein Song „Ridin“, einer der großen Hip Hop Hits des letzten Jahres, der am meisten downgeloadete Klingelton aller Zeiten ist! Ansonsten hält es Hakeem Sekiri, so Chamillionaires bürgerlicher Name, doch lieber mit Hifi und bringt nun seinen zweiten Longplayer – wie auch schon seinen Vorgänger „The Sound of Revenge“ – bei Universal Motown raus.
Es ist erstaunlich, bis 2005 war der selbsternannte „Mixtape Messiah“ kaum über die Stadtgrenzen Houstons hinaus bekannt – aber immerhin: bis er seinen Majordeal unterschrieb, hatte der emsige Musiker und Geschäftsmann schon 250.000 Mixtapes verkauft. Nun sind die Erwartungen plötzlich immens hoch, denn sein Debüt setzte einige Maßstäbe in Sachen Südstaaten-Rap. Und so – und das hört man schon in den ersten Sekunden des Albums – geht „Houston’s Hardest Artist“ zumindest soundmäßig auf Nummer sicher und schlägt altbewährte Klänge an. Synthies in jeglichen Facetten beherrschen das Klangbild und die Produktion und daran ändert sich auch über das gesamte Album hinweg wenig. Zuständig dafür waren eher unbekannte Leute wie Kane (nicht Kanye), JR Rotem oder The Beat Bullies, was einen dann auch wieder den Hut ziehen lässt, denn Chamillionaire hätte sich bestimmt auch von Timbaland produzieren lassen können. Textlich geht es gleich politisch zur Sache, was man von ihm kennt – sehr wohltuend, nicht gleich wieder Nonsens entgegengeschleudert zu bekommen. Es geht weiter mit der ersten Single „Hip Hop Police“, auf der der altehrwürdige MC Slick Rick gefeatured wird, was auch sehr gut reinpasst in den mit fetten Streichern und dramatischen Pianoeinlagen aufgepeppten Clubbanger – eins der Highlights auf diesem Album. Danach versinkt der Rapper erst mal im Einheitsbrei des Dirty South: fette Synthies allerorten, der typische Clapgroove mit nervösen, schnellen Hihatsalven. Skip skip skip. Höhepunkt der Geschmacklosigkeit ist „Industry Groupie“, ein Track der doch tatsächlich ein Sample von „Final Countdown“ (Europe) benutzt.
Doch zum Glück, es bleibt nicht so. Erstmals wieder interessant wird es bei „Pimp Mode“ und auch wenn hier der Text zu vernachlässigen ist, hört man mal andere musikalische Elemente: da sind plötzlich Gitarren und das Tempo ist ein anderes. Auch „Rock Star“ mit Lil’ Wayne (der mir auf dem Track gut gefällt), schlägt andere Töne an, wie der Titel schon verrät. Verzerrte Gitarren und der gute alte „We will rock you“ Schenkelklopfer sind zu hören – das geht nach vorne!
Weiterhin zu erwähnen sind „The Ultimate Vacation“, ein entspannter Midtempo-Song, der genau die Stimmung des Titels trifft. Urlaub. Bei „Evening News“ holt er zum großen Schlag gegen die amerikanische Politik und Gesellschaft aus, was zwar auch mittlerweile fast schon Mainstream ist, aber er kitzelt ein paar Formulierungen raus, die sehr überzeugend sind und haften bleiben.
Auch „We Breakin Up“ unterscheidet sich angenehm vom Gros der Platte. Zu hören sind hier Bläser und weitere „echte“ Instrumente, ein Mix, auf dem sich sein Gesang und seine Raps sehr gut einfügen – hier flowt er unwiderstehlich. Es folgt ein Skit, der den Sänger Tony Henry – von Gitarrenklängen begleitet – featured, sehr stimmungsvoll, melancholisch und minimalistisch. „Rocky Road“ ist ein cooler Dirty South Beat, der aber ziemlich melodisch ist und somit auch den Gast Devin The Dude optimal in Szene setzt.
Noch ein Wort zum Textlichen: Chamillionaire hat es geschafft, wenn auch mit Tricks, jedes anstößige Wort auf seinem Album zu vermeiden – untypischerweise ist somit tatsächlich kein "Parental Advisory" auf dem Cover zu finden. Obwohl er die Gefahr nicht abwenden konnte, auf einigen seiner neuen Tracks beliebig und indifferent zu werden, beweist er doch wieder sein großes Talent als Texter, Rapper und vor allem auch als Sänger. Klar ist er nur ein Rapper, der seine Hooks selber singt, doch das macht er fast durchgehend fantastisch – jeweils passend zu seinem Rapflow, der eigentlich auch kaum in Frage gestellt werden kann.
Fazit: Echte Dirty South- und Chamillionaire Fans werden auf ihre Kosten kommen und der „Mixtape Messiah“ wird auch in Zukunft mit seinen Hits die Anlagen vieler Clubs, aber auch bestimmt wieder einige Handys erzittern lassen. Aber er ist sicherlich kein „Ringtone Rapper“, sondern einer der sich mit den Großen im Game messen kann.