Audio88 – Wer Schweigt, Gibt Recht

Ich will hier keine vernichtende Review schreiben, denn an sich mag ich schlaue Texte, mag ich Rapper, die nachdenken, mag ich Rapper die anders sind, die einen besonderen Style haben. Ich mag Texte, die auf interessante Weise Philosophie und Sozialkritik verbinden. Ich mag assoziative Texte, denen man im ruhigen Gedankenfluss folgen kann und plötzlich – ohne sich zu versehen – eine Reise von A nach Q hinter sich hat. Ich mag schlauen Deutschrap, der leider viel zu selten ist. Audio 88 hat diese Eigenschaften. Audio 88 ist ein großartiger Texter!
Aber – und es tut mir ehrlich leid für dieses „aber“ – wenn die Fähigkeit zu rappen fehlt, hilft das alles nichts. Das Album von Audio 88 heißt „Wer schweigt, gibt recht“. In seinem Fall fände ich treffender: Hätte er geschwiegen, hätte er recht getan. Ich will ihm ja nicht die Äußerungsfreiheit aberkennen, er kann ja Bücher schreiben und Gedichte vortragen, er wäre sicher ein großartiger – und das meine ich ernst – ein großartiger Autor oder Dichter, er kann ja schreiben… aber bitte nicht rappen!
MCs without a voice should write a book”, sagte Evidence und ich gebe ihm absolut recht. Einen langweiligeren Flow habe ich noch nie gehört. Selbst der Flow eines Kanals ist abwechslungsreicher. Okay, ich übertreibe, aber ernsthaft: Ich habe die CD vor ein paar Wochen angehört, ja, sogar mehrmals, und noch heute spuken mir seine immer im gleichen, traurig-depressiven Tonfall vorgetragenen Sätze und die düsteren, komplizierten Beats im Kopf herum und ich hätte Angst, die CD noch einmal in meine Anlage zu legen. So etwas hört man doch nicht freiwillig! Ich jedenfalls nicht. Nicht solange ich noch das Leben liebe und keinen Selbstmord begehen will.
„Wer schweigt, gibt Recht“ ist wie ein Horrorfilm, ein düsteres surreales Bild, das man nicht zweimal sehen will. So gesehen, ist es ein echtes Kunstwerk, alles andere als durchschnittlich. Wie die Filme David Lynchs: anstrengend, aber tiefgreifend. Oder besser: anstrengend, weil tiefgreifend? Ich weiß es nicht und will auch keine philosophische Diskussion darüber anfangen. Meine erste Assoziation, als ich Audio 88 hörte, war: „der deutsche El-P!“ und ich habe meine Ansicht nicht geändert. Auch El-P höre ich nicht gerne, doch ich erkenne ihn als einen großen Künstler an.
Aber im Endeffekt ist Musik für mich immer noch zum Hören da, daher lautet meine natürlich ganz subjektive und vielleicht etwas schizophrene Zusammenfassung: Ein grauenvolles Rapalbum… und ein sehr starkes Kunstwerk!