Animus – Der Kugelschreiber

Heidelberg– eine Stadt, bekannt durch ihre malerische Schlossruine, den weltweiten Marktführer in Sachen Druckmaschinen und auch dafür, einmal Wirkungsstätte namhafter Rappioniere gewesen zu sein.
Ich glaube, ich muss an dieser Stelle keine Namen erwähnen. Fakt ist jedoch, dass man lange Zeit nichts mehr hörte in punkto Rapmusik aus jenem Heidelberg.
Diese Zeit soll nun vorbei sein. Es presentiert sich die nächste Generation von hungrigen Mcs, die bereit sind, aus dem Schatten der Toni L.s zu treten, um ihre Stadt und natürlich auch sich selbst hochleben zu lassen.
Animus ist einer jener neuen, jungen Artists. Er bezeichnet sich selbst als „Heidelbergs Favourite“ und kommt nun mit seinem Debut "Der Kugelschreiber" in Form eines Mixtapes an den Start. Der 19jährige Sohn persischer Flüchtlinge rappt bereits seit 2000 und dürfte einigen aus Feuer über Deutschland bekannt sein, und sei es auch nur durch seinen eigenwilligen Bartschnitt, mit dem er sich presentierte.
Aber Spaß beiseite. Denn Animus meint es ernst mit seinem Debut. Das was man auf den 21 Tracks zu hören bekommt, ist kein Hollabrrettbullshit mit der heißen Nadel gestrickt. Es ist ein Mixtape, welches dank der inhaltlichen Bandbreite auch als Album durchgegangen wäre.
Es beginnt mit Shoutouts und Respektsbekundungen einiger seiner Förderer, u.a. Moses P. und Curse, die nicht zu Unrecht auf seine Qualitäten Aufmerksam machen.
Hört man sich die Tracks auf "Der Kugelschreiber" an, kann man verstehen, warum es dieser Junge wert ist, gepusht zu werden.
Komplexe Reimstrukturen kombiniert mit einer sehr markanten, bassigen Stimme walzen hier stoisch über atmosphärische Beats. Schnell wird klar: hier will jemand seine Heimatstadt zurück auf die Karte setzen. Neben obligatorischen Representern und einer Vielzahl von Featuregästen (u.a. Tua, Sucuk Ufuk und Amir) besticht "Der Kugelschreiber" durch die von bemerkenswertem Tiefgang strotzenden Tracks wie Models, Kein Gangster, Das Leben ist verrückt oder Die Sprache der Tiere.
So heißt es in Models „hier geht’s um Output nicht um Aussehen, die Worte sind das was zählt, oder werden Models dafür bezahlt was sie erzählen“. Eine Stellungnahme zum teilweise dogmatisch-anmutenden Dresscode im HipHop. Die Fähigkeit zur Selbstreflektion dieses jungen Künstlers ist bemerkenswert. Keine Floskeln, kein Milchzähnefletschen- im Gegenteil. Animus setzt sich mit der Thematik von zielgruppensichernden Images auseinander, ohne den Zeigefinger zu heben oder jemals den Strassengeruch zu verlieren. Realtalk.
So traut er sich auf Kein Gangster, das Streben vieler Rapper, ein Image als Banger zu verkörpern, zu hinterfragen. Keine neue Idee, aber einige neue Aspekte, die er da zu Tage bringt. Es ist auch eine heikle Angelegenheit, solang Deutschrap (noch) von plagiativen Gangsterphrasen dominiert wird. Doch Animus ist authentisch, kein HipHopnerd, kein Forenhocker.
Somit ist "Der Kugelschreiber" ein wirklich überraschend gutes Erstlingswerk geworden, auf dem sich Animus routiniert und souverän präsentiert. Man kann nur hoffen, dass die Hörerschaft dies belohnen wird und diesen Rookie für sich entdeckt. Denn da wird definitiv noch mehr kommen…