Minute – Alles wird anders

Als ich Minute das letzte Mal während der Blumentopf-Tour traf, war sein Solo-Album noch in der Mache. Im Gespräch gab er an, etwas Anderes machen zu wollen, als das, was momentan Standard ist. Dieser Tage erscheint das Album des DJ, Produzent und Nachdenker. Stellt sich die Frage, ob nun wirklich alles anders geworden ist?

Damit sein Unterfangen auch gelingt, hat der Münchner MC nicht nur die Produktion der meisten Beats selbst in die Hand genommen, auch was Features angeht, hält es Minute im kleinen Rahmen. Nur Roger Rekless und Cajus vom Topf dürfen sich rapwise am Album beteiligen. In Sachen Beats war neben Minute auch Jay Scarlett und Main Concept-Producer Glammerlicious beteiligt.

Über Musik lässt es sich bekanntlich trefflich streiten. Das geht auch in diesem Fall wunderbar. Wie man das Album nun findet, hängt vom Blickwinkel ab. Lest zwei Meinungen..

Schon bei den Beats sind sich Kollege Georg und ich nicht ganz einig. Georg findet die  organisch klingenden Beats zwar tendenziel super, aber bei 8 Minuten Tracks wird ihm das alles zu langatmig.

Das kann man natürlich auch anders sehen: Zum Beispiel wenn man Jay Dilla-Fan ist (wie Minute) und auf Grooves und ausproduzierte Beats steht, dann wenn ein Lied eben auch mal 8 Minuten gehen darf (Obwohl Dilla ja auf seinen Alben gerne mit kurzen Soundschnipseln arbeitete). Wenn einen der dreckige und trotzdem (oder gerade deshalb) superb abgemischte Sound zurück in die Goldene Ära, zurück zum Tribe und zur Ummah mit nimmt. Wenn man in einer Rapwelt, in der viele Timbos und Neptunes leben, auch gerne mal einen Dilla hört. Wenn jeder Beat auf „Alles wird anders“ melodiös, harmonisch und einfach verdammt gut und hörenswert klingt.

Auch in  Minutes Texten ist vieles anders. Vor allem mit sehr ideenreichen Konzeptsongs grenzt er sich vom Einheitsbrei ab. Mal humorvoll, mal selbstreflexiv, mal kritisch, mal abstrakt. Auch gesungene Hooks gehören zum Repertoire des Münchner Multitalents und diese klingen keinesfalls cheezy, sondern einfach nur passend und stimmig. In diesem Punkt sind wir rap.de Rezensoren uns völlig einig: "Die Texte strotzen von Gefühl und Liebe für das Ding." (Georg) Würde ich sofort unterschreiben.

Spätestens wenn es aber um die Raptechnik geht, wird die Unstimmigkeit in eurer Lieblings HipHop-Redaktion nochmal deutlich.
„Negativ anzumerken sind aber seine eher kläglichen Versuche zu batteln wie zum Beispiel auf "Mic Check Skit" und die straight durchgezogenen Simplerhymes, die zwar sauber sind, aber kein bißchen einfallsreich. Aus, Maus, raus-Reime und Schein, sein, kein-Reime waren eigentlich schon im letzten Jahrtausend ausgestorben. Ein Mann mit so vielen Ideen müsste eigentlich wesentlich mehr drauf haben als das.“ (Georg)

Und ja, es lässt sich nicht verleugnen, raptechnisch hält es Minute einfach. Vielleicht zu einfach. Dennoch passt gerade dieser Rapstil zu den Beats. Es ist der Inhalt, der Minute am Herzen liegt, ebenso unangepasst wie seine Beats klingen, präsentiert er diesen. Das Wesentliche muss rein, Scheiss auf die Verpackung, es muss nicht immer ein Quadruppelreim sein, hinter dem nichts steckt. Manchmal tun es auch einfache Reime vor durchdachten Aussagen. Wer den Rap als Teil der Musik begreift, wird ihn lieben, wer ihn losgelöst vom Beat betrachtet, wird ihn kritisieren:

“Ich kann also sagen, dass genauso gespannt wie ich war, ich auch enttäuscht wurde. Die Ideen sind gut, die Beats flashen, das Gefühl stimmt, aber die Reime sind schlicht und einfach zu simpel, zu alt, zu schlecht. Dem ein oder anderen wird der Vibe gefallen und das ist auch gut so und das reicht dem Protagonisten anscheinend auch.“ (Georg)

Genau hier llässt sich trefflich streiten. Für mich wurde Minutes Album wie geplant anders, es wurde weniger Rap als mehr Musik und zwar verdammt gute Musik. Sie groovet wie Sau, sie funktioniert aber nur, wenn man sie als Gesamtheit begreift. Scheiß auf Rap, Scheiß auf Beats, es lebe die Musik. „Alles wird anders“ ist dope as hell – oder?