Promoe – White Man’s Burden

Die Bürde des weißen Mannes? Scheiße, Backpack-Rap! Muss das sein? Nicht schon wieder Promoe! Den gibts noch?

Wer so oder so ähnlich denkt, ist hoffnungslos verloren! Das mir vorliegende dritte Solo-Album Promoes ist nichts weiter als 100% relevant! Musikalisch. Textlich. Raptechnisch. Ja, es ist unangenehm sich mit den von Promoe behandelten Themen auseinanderzusetzen. Aber das ist nicht Promoes Schuld. Es sind eben unangenehme Themen. Die Frage ist nur, ob man Rap-Songs darüber machen muss und vor allem wie man das am Besten tut. Da gibt es nur eine Antwort: Fragt Promoe!

Der erste Song des Albums "Up!" stellt in guter alter Looptroop/Promoe-Manier noch einmal fest, was Promoe als Musiker auszeichnet, was seine Wurzeln und sein Anliegen sind. Gleich der zweite Song "Time Travellin" beschäftigt sich dann auf einem Bomben-Beat mit genau solchen, die überall auf der Welt immer noch täglich explodieren. Promoe versteht es dabei so souverän wie niemand in Europa zwischen Halftime und Doubletime zu switchen, dass jedem Technik-Freak warm ums Herz wird. Assassins Reggae-Dancehall-Gesang gibt dem Ganzen dann noch die letzte Würze. In diesem Song ist schon das Grundrezept des größten Teils des folgenden Albums zu erkennen. Eine gesunde Mischung aus dicken Brettern, die sich vom früheren Schlafzimmer-Sound Embees endgültig emanzipiert haben und unglaublich viel Nachdenklichkeit und Deepness, die unterschwellig doch immer mit einem Spritzer Hoffnung versetzt ist. Dazu kommen noch ungeheuer viel Flow, krasseste Rap-Rhythmen und sehr guter Reggae-Gesang, der nie die Vorherrschaft über den HipHop gewinnt, wie es auf den früheren Promoe-Album ab und zu schien.

"Songs Of Joy", der dritte Song der Platte dürfte den meisten im Club mittlerweile schon mal zu Gehör gekommen zu sein. Promoe erzählt hier noch einmal wie er zur Musik und die Liebe zur Musik zu ihm kam. Der Titeltrack "White Man’s Burden" setzt sich dann mit der Scham und der Schuld der weißen Rasse gegenüber ihrer zerstörerischen Geschichte auseinander, die im Bewusstsein der Menschen heute mehr denn je verankert ist, aber von der weißen Kultur gnadenlos unterdrückt wird. Auf "In The Morning" wird es etwas zwischenmenschlicher. Promoe beschreibt sehr komplex die Gefühle zu einer Frau, die sich nicht festhalten lassen. Es geht um den Kampf, die verschiedenen Emotionen zweier Menschen glücklich zu einander zu bringen. Auf "Headache" geht es um die Kopfschmerzen, die das ganze Gedenke über die Probleme der Welt, aber ebenso der Versuch des Ignorierens von eben jenen Gedanken verursachen kann. "Long Sleeves In The Summer" erzählt uns von einem Mädchen, das mit den Erwarungen der Gesellschaft an sie als weibliche Person nicht zurecht kommt und sich unter dem nicht auszuhaltenden Druck anfängt, die Arme aufzuschneiden. Auf "Eurotrash" kommt zusätzlich noch Leeroy von der Saian Supa Crew zu Wort und beide zeigen auf, dass sie der Backpacker-Kritik längst entwachsen sind und im Jahre 2006 endlich musikalisch angekommen sind. Und das auf einem Rap-Level von dem der Rest Europs nur träumt. "Musick Bi$$ Apocalypse" setzt in der Nähe dieser Thematik an und Promoe rechnet auf einem musikalisch sehr freakigen Beat Doubletime mit der Musikindustrie ab. Danach wird es wieder etwas ruhiger. "Postcards" widmet sich wieder den zwischenmenschlichen Beziehungen und welchen Prüfungen diese ausgesetzt sind. Danach kommt ein Highlight aus deutscher Sicht. Mit Nosliw zusammen wird das Problem der Identitätsfindung der Menschen von heute behandelt, die aufgrund der lückenhaften Aufarbeitung ihrer Geschichte die Wurzeln ihrer Identität verloren haben. Zum Abschluss redet Promoe auf "Trapped" zusammen mit Kardinal Offishall und Davill über die Schranken in den Köpfen der Menschen, die die gedanklichen Welten zu umzäunten Ghettos machen.

Das Album hat musikalisch wirklich alles, was ein überdurchschnittlich gutes HipHop-Album im Jahre 2006 braucht. Das Einzige wofür Promoe noch gehatet werden kann, ist seine Themenwahl. Doch wer dies tatsächlich tut, hat einzig und allein Angst vor sich selbst und seinen eigenen verkümmerten Gedanken zu diesen menschlichsten aller Themen.