Rap und Literatur #7 mit Johnny Rakete

In unserer Interviewreihe “Rap und Literatur” geht es um das Verhältnis von HipHop-Künstlern zu Literatur und Sprache. In der siebten Folge spricht Johnny Rakete über Douglas Adams, reflektiert über das traditionelle Schema von Rapsongs und kritisiert das Schulsystem.

Du bist der erste Rapper dieser Reihe, von dem ich geschriebene Texte gelesen habe.

Meinst du Rapgenius und so?

Nein, ich meine deinen Blog.

(lacht erfreut) Nice!

Hast du auch andere Sachen geschrieben?

Nein, nur diesen Blog, in dem ich die Woche, in der ich nicht kiffen wollte, schriftlich festgehalten habe. Mir haben auch ein paar Leute ans Herz gelegt weiterzuschreiben, aber ich weiß gerade nicht, über was ich schreiben soll.

Denke oft, dass gerade die Menschen, die man am wenigsten mag, die sind, die einem am ähnlichsten sind„, schreibst du in deinem Blog.

Ich kann jetzt mit 24 Jahren nicht von Lebenserfahrung reden, aber viele meiner besten Freunde sind Leute, die ich am Anfang auf den Tod nicht ausstehen konnte. Ich glaube, dass es einem Menschen leichter fällt, seine eigenen schlechten Eigenschaften bei fremden Menschen zu sehen. Es ist leichter, sich über die Anderen aufzuregen, als den Fehler bei sich selbst zu suchen.

Braucht man einen Feind, um selbst zu wissen, wer man ist?

Oft weiß man ja unterbewusst, was nicht richtig ist, aber man braucht erst jemanden, der einem das voll in die Fresse wirft, damit man checkt, was das eigentliche Problem ist. Selbstreflexion ist eine Kunst für sich, die man lernen kann und sollte.

Liest du viel?

Ich würde gerne mehr lesen, als ich es tue. Ich kann mich nicht für eine halbe Stunde hinsetzen und nur zehn Seiten lesen. Ich bevorzuge es lieber in einem Zug ein Buch durchzulesen; ich widme lieber einen ganzen Tag oder ein ganzes Wochenende dem Lesen. Das Problem ist, dass ich nach Gigs oder nach der Uni oft zu ausgelaugt bin, um mich hinzusetzen und für mich etwas zu lesen. Trotzdem würde ich sagen, dass ich verhältnismäßig viel lese: mehr als viele Leute, die ich kenne, aber weniger als viele andere Leute, die den ganzen Tag ein Buch in der Hand haben.

Was ist das letzte Buch, was du gelesen hast?

Lass mich überlegen. Ich lese gerade von Terry PratchettScheibenwelt„. Davor „Die 13 1/2 Leben des Käpt’n Blaubär“ von Walter Moers.

Diese zwei Autoren gehen ja in die gleiche Richtung wie Douglas Adams. Das ist ein Autor, der wichtig ist im Hinblick auf deine zwei letzten Veröffentlichungen.

Moers zum Beispiel ist krass von Adams inspiriert. Ich bin ein Fan von Fantasy, egal welcher Form. Das kann „Herr der Ringe“ – mit Elfen und Rittern und so – oder mehr reine Science-Fiction sein. Ich lasse mich gerne von einem Buch in eine ganz andere Welt entführen. Das spricht mich mehr an als eine Biographie zu lesen.

Was reizt dich denn konkret an Science-Fiction Romanen?

Science-Fiction ist ein möglicher Ausblick auf die Zukunft. Lies doch mal Bücher von Isaac Asimov. Vieles von dem, was er vor vielen Jahren geschrieben hat, ist heute in irgendeiner Form Realität geworden. Science-Fiction zeigt auch die Möglichkeiten der Phantasie des Menschen auf.

Was hat Asimov vorausgesagt?

Da hast du mich jetzt auf dem falschen Fuß erwischt. Ich bilde mir ein, dass er Radios, Farbfernsehen und Smartphones vorausgesagt hat. Lass mich nochmal auf Science Fiction und den Ausblick auf die Zukunft zurückkommen. Guck doch mal, was für ein krasser Typ Jules Verne war. Er hat von der Reise zum Mond geredet, als die Menschen noch dachten, dass es nicht mal physikalisch möglich wäre zu fliegen. Das, finde ich, ist das Geile an Science-Fiction.

Es muss ja nicht mal Science-Fiction sein. George Orwell hat mit seinem Buch „1984“ auch vieles vorhergesagt hat, was heute in gewisser Art und Weise Realität geworden ist.

Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, Orwell zu lesen, was ich aber sehr, sehr krass fand, war „Fahrenheit 451“ von Ray Bradbury. Ich würde aber sagen, dass „1984“ oder „Die schöne neue Welt“ von Aldous Huxley auch Science-Fiction ist.

Gibt es Abseits der Science-Fiction-Romane andere Bücher, die du gerne liest?

Das mag billig klingen, aber im Urlaub lese ich gerne Dan Brown. Das ist ein Film von Sylvester Stallone oder von Jean-Claude Van Damme in Form eines Buches. Es ist nicht besonders anspruchsvoll, aber es liest sich relativ schnell.

Was hältst du der Kritik entgegen, die Dan Brown als Trivialliteratur bezeichnet?

Es ist schon wichtig mit welchem Anspruch man an ein Buch herangeht. Du kannst dir ja nicht „American Pie“ anschauen und erwarten, dass du eine Oper zu sehen bekommst. Wenn man Dan Brown liest, muss man sich schon dessen bewusst sein, dass man kein Buch mit überwältigendem Tiefgang liest. Dan Brown ist halt Unterhaltung.

Du hast ja rumänische Wurzeln. Hast du rumänische Schriftsteller, auf die du große Stücke hältst?

Damit müsste ich mich mehr befassen. Leider habe ich das bis heute noch nicht getan. Das liegt auch daran, dass ich Rumänisch spreche und lese, aber mein Wortschatz ist nicht groß genug, um mich rumänischer Literatur zu widmen. Ich würde sogar sagen, dass mein englischer Wortschatz größer ist als mein rumänischer, obwohl Rumänisch meine zweite Muttersprache ist. Es ist aber gut, dass du mir die Frage stellst, denn ich würde mich wirklich gerne mit rumänischer Literatur befassen.

Führst du dein Leben pragmatisch?

(überlegt) Ich verstelle mich nicht, ich mache, worauf ich Bock habe. Ich lasse mir relativ ungern in meinen Kram reinreden. Ich rede auch anderen ungern in ihren Kram rein. Ich denke mir, dass es belehrbare dumme Menschen gibt, aber es gibt auch dumme Menschen, die sich für schlau halten. Und sich mit solchen Leuten zu streiten wäre auch Quatsch. Ich bin relativ bodenständig. Ich versuche nicht zu übertreiben, auch gerade mit meiner Rap-Karriere. Ich finde es witzig, wie viele Leute mir unterstellen, dass ich schon voll arrogant geworden sei. Ich würde sagen, dass ich ein Dude wie jeder andere bin.

Als ich ein paar deiner Songs gehört habe, hatte ich den Eindruck, dass du sehr viel chillst und dich dafür schlecht fühlst – gerade als Mitte-Zwanzigjähriger, einem Alter, in dem viele sehr viele Schritte nach vorne machen.

Das auf jeden Fall. Ein Großteil meiner Freunde hat eine Wohnung, eine Arbeit, sie zahlen ihre Miete. Sie haben vielleicht schon einen Abschluss. Und ich hänge halt gerne ab. Das habe ich ja schon in ein paar Interviews gesagt: Aus der Sicht der gesellschaftlichen Erwartungen sollte ich schon lieber versuchen, eine eigene Wohnung zu haben, die ich selbst bezahle und einen Plan in meinem Leben zu haben, aber ich habe solche Pläne nicht. Mein einziger Plan momentan ist Musik. Ich tue mich schwer damit, für Dinge Energie aufzubringen, für die ich selbst keine Ambitionen habe. Das ist auch mit der Uni so bei mir. Ich studiere, weil irgendetwas in mir sagt, dass es schon besser wäre einen Studienabschluss zu haben. Andererseits habe ich aber gar keinen Bock auf die Uni und Energie reinzustecken. Am Ende mache ich das gar nicht für mich, sondern nur weil es sein muss.

Das klingt nicht nach Spaß.

Und die Frage ist, ob es wirklich sein muss. Macht mich das glücklich oder nicht? Liege ich vielleicht in 50 Jahren am Sterbebett und ärgere mich darüber, dass ich auf die Uni gegangen bin und nicht nur Musik gemacht habe? Zieht man die gesellschaftlich akzeptierten Kriterien heran, ist es wirklich so, dass ich mehr aus meinem Leben machen könnte, als ich es tue.

Was sind denn diese gesellschaftlich akzeptierten Kriterien?

Ich könnte mal meinen Arsch hoch bekommen und mir einen Nebenjob suchen, mir mal eine Wohnung suchen, mich mehr um meine Uni und den Steuerkram kümmern. Ich hänge aber doch lieber zu Hause, kiffe und schreibe Songs, zocke oder gehe auf Festivals. Meiner Mutter gefällt das nicht so sehr. Sie kritisiert mich dafür, dass ich nur Energie in das reinstecke, was ich selbst für mich als richtig empfinde.

Das kann man doch einem Menschen nicht vorwerfen.

Das Problem ist, dass mein Lebensstil manchmal egoistische Züge annimmt. Wenn mich Leute um Kleinigkeiten bitten, dann tue ich mich schwer damit, mich aufzuraffen. Oft bin ich sehr in meinem eigenen Kosmos und lasse mich da nur schwer heraus ziehen.

Du sprachst gerade von Steuerbescheiden. Machst du mit deiner Musik schon so viel Geld, dass du Steuern zahlen musst?

Ich weiß gar nicht, ob ich schon über den steuerfreien Betrag gekommen bin mit meinen Einkünften durch Musik. Die Steuerbescheide muss ich aber prinzipiell machen, da ich Geld verdiene.

Das ist ja eklig.

Ich habe auch kein Plan, wie das geht. Und das ist auch so eine Sache. Kein Mensch in der Schule bringt dir bei, wie man Steuererklärungen macht, oder wie du eine Versicherung abschließt. Oder schick mich zum Amt, ich wäre aufgeschmissen. Ich würde nicht sagen, dass ich unselbstständig bin, weil wenn es darauf ankommt, kriege ich mein Arsch hoch, aber dann muss es kurz vor zwölf sein.

Denkst du auch wie Thomas Bernhard, dass „Lehrer von allen sogenannten Gebildeten die gefährlichsten und die niederträchtigsten sind„?

Ich würde sagen, dass Lehrer im Rahmen des vorgegebenen Systems funktionieren. Auf das System selbst hat ein Lehrer keinen Einfluss.

Wie ist deine persönliche Erfahrung mit Lehrern?

Ich hatte sehr, sehr gute Lehrer. Ohne meine beiden Mathe-Lehrer hätte ich mein Abi nicht geschafft. Von allen, die das Abi bestanden haben, war ich in Mathe der Schlechteste. Ich hatte schriftlich voll verkackt. Dann musste ich in die mündliche Nachprüfung. Diese Lehrer haben mir bei der Nachprüfung nicht die Lösungen vorgesagt, aber sagen wir es so: Bei jedem anderen Lehrer wäre ich nicht durchgekommen. Später kamen die Lehrer zu mir und meinten: „Du hast so ein Glück, dass wir wissen, dass du später nichts mit Mathematik machen wirst. Wir wollen dich einfach nicht wieder sehen: Hier, du hast dein Abi, verzieh‘ dich.“

Ich glaube aber, dass du auch fiesere Lehrer hattest.

Auf der anderen Seite hatte ich auch miese Lehrer, meine Deutschlehrerin zum Beispiel. Sie war voll die Deutsche, also überkorrekt und voll der spröde Unterricht. Dann hatte ich einen Rechnungswesen-Lehrer, der menschlich das größte Arschloch war, das man sich vorstellen kann. Das war ein Lehrer, der Schüler zwei Mal nacheinander abfragt, wenn sie schon beim ersten Mal eine Sechs hatten, um ihnen gleich noch eine zweite Sechs reinzudrücken. Bei ihm hatte man wirklich das Gefühl, dass es ihm eine gewisse Befriedigung gab, seine Schüler fertig zu machen.

Deine Schulzeit war also eine ereignisreiche.

Ursprünglich wollte ich ja Lehrer werden. Ich dachte mir Folgendes: Wenn ich mich über Lehrer beschweren kann und meckern kann, dann kann ich ich ja probieren, ihre Arbeit besser zu machen. Dann habe ich aber gesehen, wie die Kids heutzutage drauf sind und habe für mich entschlossen, dass ich auch nicht so sozial bin, dass ich mich mit denen herum ärgere. Vielleicht liegt das auch nur daran, dass jede Generation über die Nachfolgende sagt, dass sie schlimmer geworden ist. Ich hätte auch nicht die Geduld, mich mit 30 Schülern in einem Raum zu befassen. Das ist ja auch so ein Ding. Wie willst du in 45 Minuten allen 30 jungen Menschen korrekt etwas beibringen? Als Lehrer hast du ja in dieser Situation kaum die Möglichkeit auf einzelne Schüler einzugehen, denn du hast neben der einen 30-köpfigen Klasse zwei weitere. Dass das zu Überforderungen bei den Lehrern führt, kann ich mir gut vorstellen.

Ich finde deine Aussage zu der Verdorbenheit der Kids etwas kontraproduktiv, das sind ja deine Hörer. Du beleidigst also deine potentiellen Fans!

Als ich in der 13. Klasse war (noch G9) haben uns die Fünftklässler die Beine weggezogen, als wir die Treppen steigen wollten. Ich hätte mich in der fünften Klasse nicht mal getraut, einen aus der 13. Klasse anzuschauen. Die Generation über mir hat auch über meine Generation gesagt, dass sie zum Kotzen sei. „Ihr fangt mit 15 Jahren das Kiffen und Saufen an. Was ist denn los mit euch, Alter?“ Ich will die Jugend von Heute gar nicht verurteilen, weil sich das mit dem Laufe der Zeit relativiert. Wir waren alle auf unsere eigene Art und Weise schlimm. So ist aber das Leben: Du musst Fehler machen, es einsehen, dass es welche waren, um es dann später zu Leuten sagen zu können, die sich nicht dran halten, obwohl du dich damals auch nicht daran gehalten hast.

Woher nimmst du die Inspiration zum Schreiben?

Das kommt alles so aus mir heraus.

Und was kommt in dich rein, damit es heraus kommt?

Ich bin nicht so der Storyteller. Ein Gold Roger zum Beispiel erzählt krasse Geschichten. Die Parallele zu dem Blog lässt sich in gewisser Weise auch zu meinen Songs ziehen. Meine Songs sind auch eine Form von Gefühlsverarbeitung. Ich schreibe viel über Sachen, die mich beschäftigen. Es kann sein, dass mich vor ein paar Wochen eine Frau verlassen hat. Dadurch kann es sein, dass ich dann einen Song über Verlust schreibe. Mein Leben – und das, was um mich herum passiert – beeinflusst mein Schreiben sehr stark. Ich würde sogar behaupten, dass Filme und Bücher auch ein gewisser Einfluss sind, aber eher was Formulierungen angeht oder bestimmte Wörter, die ich dann verwende.

Führe das mit den von Büchern oder Filmen übernommenen Formulierungen bitte ein bisschen aus.

Es ist nicht so, dass ich gezielt danach suche. So was passiert eher unterbewusst.

Hast du dich direkt auf Douglas Adams bezogen?

Nein, das nicht, aber in meinem Song „42“ habe ich „Der beste Tag meines Lebens“ von Kool Savas umgeschrieben. Ich fand es halt zu vereinfachend, wenn sein Rezept auf alles „Kopf hoch!“ ist. Deshalb habe ich die Aussage übernommen, aber auch die andere Seite aufgezeigt. Und in „Sturm“ habe ich ein Zitat aus GoethesFaust“ verwendet: „Ich bin der Geist, der stets verneint„, rappe ich in diesem Song. Von „Faust“ bin ich auch ein großer Fan. Ich glaube, dass ich der einzige in meiner Klasse war, der das gefeiert hat. Ich war einfach davon geflasht, zu sehen, dass er alles in Reimen geschrieben hat. „Faust“ habe ich in zwei Tagen durchgelesen.

Worauf achtest du bei der Wortwahl im Schreiben deiner Texte?

Mir sagen Leute oft, dass ich so rappe, wie ich auch rede. Ich versuche, ich selbst zu sein beim Rappen. Mein Rap ist mein Spiegel nach draußen. Ich bin sehr darauf bedacht nichts Falsches oder nichts Fakes nach außen zu transportieren — Realness halt, um es im Hip Hop-Jargon auszudrücken. Kollegah zum Beispiel kann man fehlende Realness vorwerfen, weil er über das Ticken rappt, aber Jura studiert. Das wäre nur nicht real, wenn er verneinen würde, dass er Jura studiert; so ist es Entertainment, was er macht. Wenn man sich ein bisschen mit meiner Mucke befasst, kriegt man einen kleinen Umriss von mir als Menschen.

Denkst du, dass die traditionelle Struktur eines Rapsongs – 16 Bars, dann Hook, dann wieder 16 Bars – einengend ist?

(unterbricht mich, bevor ich die Frage zu Ende stelle) Ekelhaft, ekelhaft ist es.

Ich meine einengend in dem Sinne, dass manchmal etwas viel stärker und emotionaler in ganz wenigen Worten ausgedrückt werden kann. In solch einem Fall kann man die Intensität durch den Zwang des 16ers zerstören.

Das ist eine interessante Frage und die Herangehensweise ist hier wichtig. Wenn du dir bewusst diesen Rahmen setzt, dass du in 16 Zeilen etwas aussagen willst, dann passt du die Aussagekräftigkeit deiner Zeilen darauf an. Es kann aber auch darauf hinaus laufen, dass du ab einem gewissen Zeitpunkt nur noch Lückenfüllerzeilen rappst.

Gefällt dir dieses Schema?

Rein aus musikalischer Sicht ist dieses Schema ekelhaft. Das sind, wenn man so will keine Songs im musikalischen Sinne, sondern wirklich Rapsongs. Klar gibt es Ausnahmen. Kendrick Lamar hat dieses Schema mit seinen Alben komplett aufgebrochen. Da würde ich auch gerne hin, aber das ist eine Entwicklung, die ich mit meinem Produzenten Hawk One Stück für Stück machen werde. Das wird sich ergeben, irgendwann.

Wie wichtig sind dir die Reime?

Früher fand ich Reime sehr viel wichtiger als heute. Auf „Broke aber dope“ war ich noch krass auf Doppel- und Dreifachreime bedacht. Ich finde das weiterhin geil, aber ich habe gemerkt, dass dich eine zu starke Fokussierung auf Reime hemmen kann, Message zu vermitteln. Andererseits hocke ich auch gerne mal eine Woche an einem Reim, bis ich einen habe, der passt und ich zusätzlich das habe, was ich aussagen will. Bei der letzten EP „Das Leben das Universum und der ganze Rest“ habe ich ein bisschen auf Reime geschissen und viel mehr auf Inhalte geachtet. Ich habe für mich gemerkt, dass es qualitativ nicht sehr viel an der Mucke ändert, wenn ich nicht so sehr auf Reime achte. Ich habe keinen sagen hören: „Boah, du rappst nicht mehr so krass wie vorher.“

Guter Rap hängt von ganz vielen Aspekten ab und kann so unterschiedlich klingen. Es gibt keine mathematische Formel für das „krasse Rappen“.

Ich finde es ekelhaft aus Rap Wissenschaft zu machen. Natürlich kannst du anfangen und ein paar Gesichtspunkte aufstellen: Wie vielsilbig sind die Reime? Wie schnell rappt er? Haftbefehl zum Beispiel ist nicht der krasseste Techniker auf den ersten Blick – kein Samy Deluxe oder Kool Savas –, aber der Typ kann rappen, das weiß jeder, der die Remix-Platte von „Russisch Roulette“ gehört hat. Was man als gut oder schlecht empfindet, ist Geschmackssache. Ich würde nicht sagen, dass einer der viele Reime hat und schnell rappt grundsätzlich der bessere Rapper ist, als einer der langsam rappt und wenige Reime hat.

In „Kleiner Vogel“ rappst du „Bitte mach das, was du willst, bis dich der Tod ereilt / oder habe eine langes Leben, sei genügsam, mit dem was bleibt.“

Das ist ein bisschen überspitzt dargestellt, aber in der heutigen Welt ist es in gewisser Weise ein Risiko zu machen, was man will: zum Beispiel auf die Uni scheißen, Job wegwerfen und sagen: „Ich reise jetzt durch die Welt.“ So was kann auch zu einem frühen Untergang führen – auf der Straße landen, keine Kohle mehr haben, was weiß ich, so. Der einfachere Weg ist sich in dieses System einzufügen.

Inwiefern einfacher?

Wenn ich an mich in zwanzig Jahren denke, dann wäre es natürlich viel schlauer, das Studium fertig zu machen und einen Job anzufangen. Und nicht: „Scheiß auf Uni, ich mache jetzt nur noch Rap. Vielleicht klappt es und vielleicht nicht.“ Und wenn es nicht klappt, dann habe ich in zehn Jahren nichts, wenn ich auf die Uni scheiße. Das Leben ist sicherer, wenn du dich in den vorgegeben Bahnen bewegst, weil das System darauf aufgebaut ist. Brichst du aus diesem System aus, läufst du Gefahr auf die Fresse zu fliegen. Das zu tun, was man will, heißt, einer Gefahr ausgesetzt zu sein. Das wollte ich mit diesen zwei Zeilen sagen

Was meinst du denn mit dem ‚System‘?

Ich habe in der Uni zum Beispiel festgestellt, dass nicht die schlauen Leute weiterkommen, sondern die, die am besten auswendig lernen können – die, die das auskotzen können. Klar gehört es bis zu einem gewissen Grad dazu, auswendig zu lernen, aber wenn dich ein Lehrer allein nach dem Kriterium des Auswendiglernens beurteilt, aber kein Wert auf das Verständnis legt, dann weiß ich auch nicht, Alter. Ich könnte dir jetzt auch auswendig Pslam 23 aufsagen, aber das heißt noch nicht, dass ich das Aufgesagte verstanden habe. Ja, ich merke jetzt, worauf du hinaus wolltest. Ja, das „System“ so zu verallgemeinern, finde ich auch voll ekelhaft.

Das tun trotzdem viele Rapper gerne.

Lass mich noch ein anderes Beispiel nennen: Wir zwei bewerben uns an der journalistischen Stelle, du hast deinen Uni-Abschluss, ich wäre aber der bessere Schreiber. Den Arbeitgeber würde das nicht interessieren. Er würde alleinig auf den Abschluss schauen. Wahrscheinlich würde mir die Zeitung nicht mal die Chance geben, einen Artikel abzugeben. Ich finde es dumm, dass dir ein Stück Papier die Bestätigung gibt, dass du etwas kannst. Ganz ehrlich: Ich habe auf der Uni mehr dumme Menschen kennengelernt, als ich jemals zu vermuten gewagt hätte. Wenn ich mir überlege, dass das die geistige Elite Deutschlands ist, Alter, dann gute Nacht Deutschland.

Könntest du die Zeit zurückdrehen, würdest du dann nochmal studieren?

Nein, auf keinen Fall. Ich würde eine Ausbildung machen. Ich bin froh, dass die Studiengebühren weg sind, wären sie aber noch da, würde das heißen, dass ich nach meinem Studium erst einmal Schulden zu zahlen hätte. Und ganz ehrlich: Was mach ich denn mit einem scheiß Philosophie-Bachelor? Jetzt mal ganz ehrlich! Wenn mich jemand fragt: „Was kannst du für mein Betrieb tun?“ Kann ich antworten: „Ich kann dir ein Essay schreiben, Bruder, oder eine philosophische Frage zur Arbeitswelt beantworten.“ Als Geisteswissenschaftler bist du entweder Professor oder du bist ein scheiß Hippie, der Taxi fährt, Mann. Und genau darauf läuft es doch hinaus. Wenn du nicht Mathe, Physik, Bio oder Informatik studierst, also etwas, das wirklich angewandt wird, dann ist es schwierig. Es gibt tausend Leute, die Deutsch oder Englisch unterrichten können. Es ist brutal brotlose Kunst.

Wieso spielen die letzten zwei Titel deiner Veröffentlichungen auf Douglas Adams an?

Der Grund ist relativ oberflächlich: Mein Name ist halt Johnny Rakete und dann hat sich das halt angeboten. Die Bücher fand ich immer sehr, sehr geil. Ich habe alle, bis auf das fünfte, gelesen. Das fünfte hat er nicht mal selbst zu Ende geschrieben, weil er währenddessen gestorben ist. Sein Sohn oder seine Frau haben das Werk für ihn vollendet.

Er ist ja sehr früh gestorben – mit 49 Jahren, Herzattacke.

Ja, richtig, richtig tragisch. Ich saß halt zu Hause und hab mir gedacht, dass ich endlich einen Titel für meine EP brauche: „Ah Rakete, Weltraum, ah ‚Per Anhalter durch die Galaxis‘. Mach doch, ist geil, Bücher feierst du eh.“ Die tiefere Idee, dass ich das als Konzept verwende, hat sich erst mit der Zeit entwickelt.

Würde es mir meistens nicht scheiße gehen/ würden die Leute nicht am Zeiger drehen„, rappst du in „Sturm“.

Bis auf Cro, der einen Arsch voll Geld damit verdient, dass er rappt, dass sein Leben die ganze Zeit voll cool ist – was ich ihm nicht glaube –, macht das doch niemand. Und das ist ein Grund, warum ich den Typen nicht real finde. Klar, der hat Kohle und so, aber ihm geht es bestimmt nicht immer gut. Ich glaube, die Leute hören, oder schauen immer lieber dem Leid eines Anderen zu, als ihm dabei zuzusehen, dass er glücklich ist. Wieso meinst du denn, dass in den Nachrichten nur Scheiße kommt? Warum berichten sie nicht davon, dass jemand eine Niere gespendet hat? In der Musik ist das ähnlich. Die eigene schlechte Laune nach außen tragen gibt den Fans Bezug zum Künstler. Das gibt den Eindruck, einen kleinen Einblick in das Innenleben des Künstlers zu erhaschen. Ich glaube, dass CaspersXOXO“ nie so gut gewesen wäre, wenn er nur darüber gerappt hätte, dass sein Leben wunderbar ist.

Machst du dann die traurigen Songs nur, weil du davon ausgehst, dass die Leute das mögen?

Nein, gar nicht. Das ist einfach in mir so drinne. Ich schreibe mir halt gerne Scheiße von der Seele.

Was für ein Buch empfiehlst du den Lesern des Interviews?

Da gibt es aber nicht nur eins. Was ich auf jeden Fall empfehle, sind die Bücher von Walter Moers. Wer auf abgefahrene Fantasy steht und gern beim Lesen lacht, wird das lieben. Douglas AdamsPer Anhalter durch die Galaxis“ kann ich auch jedem ans Herz legen. „Herr der Ringe“ Klassiker, das feier ich sehr. Von wem ich auch ein großer Freund bin, ist Hermann Hesse. „Narziß und Goldmund“ ist ein wunderschönes Buch; „Unterm Rad“ kann ich auch empfehlen.