Curse – Sinnflut

Er ist zurück und das ist gut. So mancher verzagte Deutschrapfan der auf Rap ohne „Fick Dich, ich diss dich, Bitch und Scheisse“ steht, hat endlich am Ende diesen Jahres sein Album 05 gefunden, denn Curse ist wieder da, wenn er denn jemals weg war. Mit den oben erwähnten Kraftausrücken aus dem ersten  Track, "Der Fluch", bringt er den Inhalt mancher Deutschrap Lieder im Jahre 05 auf eine einfache Formel, aber vielleicht wird ja gerade er mit seiner „Sinnflut“ diese widerlegen.

Nachdem das letzte Album nicht ganz das Niveau der ersten beiden LPs halten konnte, zeigt sich der Mann aus Minden mit dieser Platte so, wie ich es mir immer gewünscht habe. Sehr conscious wie immer ("Struggle" feat. Amir), technisch auf hohem Niveau wie immer, anspruchsvoll wie immer ("Gegengift") mit dem ein oder anderen Lied über das andere Geschlecht wie immer ("Wir Erwarten Zu Viel") aber -und das ist ebenso neu wie erfreulich, auch mit einer Prise Humor ("Nimm’s Leicht").

Dazu kommt, dass Curse wohl einer der wenigen MCs sein dürfte, die, ohne schlechtes Gewissen haben zu müssen, ihre Texte im Booklet des Albums abdrucken können. Wie die Reaktionen auf die erste Single „Gangsta Rap“ zeigen, hat es Curse geschafft mit seinen Texten den Nerv der Zeit zu treffen und Reaktionen zu provozieren.

Doch Curse sieht nicht nur das „Rapgame“ kritisch, sondern beschreibt in „Struggle“ die schwierige Lage hier in Deutschland aus der Sicht eines 16-jährigen: „Hauptsache breit oder high/ Das Land ist im Arsch und wie du weißt und wir sind live dabei…“ Darauf mag Curse keine Antwort haben, aber er weiß welche Rolle er zu spielen im Stande ist: „Wir sind zwei Mann in dem gleichen Krieg und der Unterschied liegt nicht im Struggle selbst, sondern wie man mit Struggle dealt. Und wenn dir nicht die Musik die Kraft gibt, um das zu tun, was du musst, woher nimmst du sie dann in dem ganzen fucking Frust?!“  Nach solchen Zeilen wird klar, dass es nur wenige MCs in Deutschland geben dürfte, die sich so genau überlegt haben, was sie mit jedem ihrer Worte sagen wollen. Darüber hinaus war da ja noch etwas sehr erwähnenswertes in Sachen Features auf diesem Album zu vermelden.

Es weiß zwar eh schon jeder, aber auf „Nimm’s Leicht“ stammt nicht nur der Beat von Pete Rock, sondern darüber hinaus dürfen wir uns über einige Zeilen des amerikanischen Produzentengotts freuen. Doch auch ohne die, wäre dieser Track mein persönliches Lieblingslied und Curse zeigt sich wie vorher schon erwähnt von seiner humorvollen Seite. Die Quintessenz dieses Lieds? Was auch immer passieren mag: "Nimm’s Leicht!" Von der Traglast der Entscheidungen, die man im Leben mehr oder weniger bewusst trifft, handelt „Links, Rechts feat. Italo Reno“. Aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählen Reno und Curse von demselben Ereignis. Mehr soll hier nicht verraten werden.

Ach ja, und dann war da ja noch ein Feature und der nächste hochkarätige Gast aus Amiland gibt sich die Ehre: Black Thought von The Roots. Wir Curse dieses Featuer an Land gezogen hat, wäre die erste Frage, aber was noch viel interessanter ist: Wie konnte Curse es schaffen, dass hier ein weiterer international bekannter Rapkünstler weitaus mehr als einen Alibipart abliefert und am Mic so zu glänzen weiß, dass das Gefühl entsteht, dass hier zwei Künstler gemeinsam an einem Lied geschrieben haben?

 „24“ ist der wahrscheinlich eindrugsvollste Track des Albums. Jede staatliche HIV-Kampagne wirkt diesem Lied gegenüber schlichtweg blass und am Ende des Liedes dürften die meisten Hörer Alles haben, nur kein gutes Gefühl. Mit vielen Zeitangaben zeigt Curse auf, wie schnell jede Vorsicht, Verantwortungsbewusstsein und guten Vorsätze vergessen sind und wie schwerwiegend die Konsequenzen von nachlässigem Handeln sein können: „4 Minuten Blutabnahme, 6 Tage warten auf Werte-, die Sekunde des Ergebnis im Leben die schwerste. Tausend Stunden für Zweifel und Reue, 20 Sekunden verzweifelt, 20 begreifen, dann 20 weinen, 20 schreien. 24 sein und erkennen: „ Oh mein Gott, was habe ich gemacht!“ 24 Jahre getauscht für den Rausch einer Nacht.

Was Curse mit „Einklang“ begonnen hat beendet er mit „Mein Leben“. Ein Rapalbum voller Seele, Herz und Intelligenz, in dem sowohl die Themen wie auch die Beats zeitlos sind. Zu letztgenannten möchte ich hier noch ein paar Worte verlieren: Es ist angenehm, dass Curse in dieser Sache nicht auf aktuelle Trends setzt, sondern schlichtweg auf eine Instrumentierung, die ebenso brillant wie zeitlos ist. So macht es schon alleine Spass nur die Beats zu Hören.

Eigentlich war ja schon vorher klar, dass Curse die am Anfang erwähnte Formel für Rap Anno 05 widerlegen würde, aber dass ihm das so eindrucksvoll gelingen würde, war nicht vorauszusehen. So gelingte es ihm zum Jahresende ein Album abzuliefern, dass die deutsche Rapszene hoffentlich weit über 05 hinaus beeinflussen wird. Achja und an alle die, denen Curse zu "Öko" ist: Nehmt’s Leicht…