Lil’ Kim – The Naked Truth

Lil` Kim wurde wegen einer Falschaussage zu einem Jahr und einem Tag Knast verurteilt. Bevor sie den schweren Gang hinter Gitter jedoch anzutreten hatte, bescherte sie ihren Fans noch ihr viertes Solo-Album, „The Naked Truth“:

So sehr sich die Michaela Jackson des Rap durch diverse chirurgische Eingriffe und Designer-Klamotten seit den Junior-Mafia–Tagen auch optisch verändert haben mag, ist ihr Anliegen doch immer dasselbe geblieben: Allen da draußen zu verklickern, wer die härteste, die schärfste oder kurzgesagt die Baddest Bitch nördlich von Florida ist. Und um sicher zu gehen, dass ihre unmissverständliche Botschaft auch in einem angemessenen musikalischen Gewand daher kommt, hat sie sich mit unter anderem Scott Storch und Red Spyda, sozusagen die Pradas und Guccis der US-amerikanischen Mainstream-Produzenten-Riege, ins Studio geholt. Letztgenannter liefert mit Glocken- und Synthesizer-Sounds dann auch den Hintergrund für Lines wie „Your man 5 – 0, I don’t see him in da club/ cuz he`s out in c. t. with a dick in his butt“ auf dem Eröffnungstrack „Spell Check“. Die erste Single des Albums „Lighters Up“ ist eine von zwei Reggae-inspirierten Nummern (die andere ist „Durty“), auf deren, von Scott Storch programmierten Piano-Loop Kim klarstellt, in welcher Liga sie spielen will: „Brooklyn, home of the greatest rappers/ Big comes first and the Queen comes after“. Das Konzept von „Shut Up Bitch“ besteht darin, dass Kim im Hook zur Abwechslung einmal ihre Hater zu Worte kommen lässt, deren Anschuldigungen jedoch postwendend mit einem „Shut Up, Bitch“ quittiert werden.

Auf „Slippin“ kommentiert Kim das Gerichtsverfahren, das mit ihrer Verurteilung endete: „World cavin’ in, it’s a shitty situation/ a year an a day/ three years probation/ public humiliation, poor representation/ guilty by association“. Eigenartigerweise darf The Game nur den Hook und keine eigene Strophe auf dem an alle Phonies und Snitches im Business gerichteten „Quiet” übernehmen. Vielleicht liegt das daran, dass Kim nicht erneut, wie auf „We Don`t Give A Fuck“, von ihren Gästen – in diesem Fall von UGK’s Bun B und Twista – an die Wand gerappt werden wollte. Die für ein Lil` Kim-Album obligatorischen Porno-Tracks sind „Gimme That“ und „Kitty Box“, die im Grunde nichts anderes als Vertonungen ziemlich vulgärer Männer-Phantasien darstellen („Pussy is power, listen man/ my pussy is tighter than a traffic jam“ oder „I’ll drown you, Lil’ Kim is wet like the ocean“).

Vom Durchhören der CD dürften selbst hartgesottene Lil’ Kim Enthusiasten  auf Grund der sieben (!) völlig überflüssigen Skits zurückschrecken: Entweder nerven fingierte Anrufbeantworternachrichten (die letzte sogar über 10 Minuten)  oder ein „Pimp“ mit Fistelstimme darf seine Ergüsse zum Besten geben.

„The Naked Truth“ ist ein solides Mainstream-Album mit teilweise hörenswerten Instrumentals und hochkarätigen Features (neben den bereits genannten sind auch noch Snoop Dogg, T.I., Sha-Dash und Maino zu hören) – und somit auf jeden Fall ein Muss für alle Lil’ Kim Fans da draußen. Dass sich Kim’s Fan-Base angesichts dieser LP jedoch vergrößert, wage ich auf Grund mangelnder inhaltlicher Abwechslung doch stark zu bezweifeln. Kim zeigt, was sie kann: Dissen, representen und den einen oder anderen postpubertären Jüngling erröten lassen – nicht mehr und nicht weniger. Darüber hinaus finden sich zu viele poppig angelegte, gesungene Hooks und auf breite Akzeptanz abzielende Beats auf diesem Album, um Hardcore-Heads und Alternative-Cats für Lil’ Kim zu begeistern.