Es gibt Alben, da lohnt es sich, die Idee und Geschichte hinter den Musiktiteln zu beleuchten. Das Allcity Allstars-Album ist definitiv ein solches Stück Musik.
Im Frühjahr 2004 rief Spax ein Projekt mit dem Ziel ins Leben, ein Album herauszubringen, bei dem die Tracks zur Hälfte von neuen, unbekannten Künstlern und zur anderen Hälfte von ihm selbst berappt werden sollten. Dem Aufruf, Demomaterial zu schicken, folgten über 250 Künstler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Die fünfzig besten Künstler sind nun auf den neunzehn Tracks des Albums zu hören. Somit hat die LP zum einen den Charakter eines Samplers, zum anderen soll ein roter Faden durch Spax’s Rap-Parts hergestellt werden. Lange Rede, kurzer Sinn: In wie weit kann nun die gute Idee in die Tat umgesetzt werden?
Zunächst gelingt das eher mäßig, denn der erste MC dieser Platte kann mich nicht wirklich überzeugen. Despo heißt der gute Mann und er rappt nun keinesfalls mies, aber der floskelreiche und schon häufig da gewesene Inhalt, trifft nicht meinen Geschmack. Spax rappt in diesem Track, wie auch über das ganze Album hinweg, mit äußerst angenehmen Flow und so wird der erste Track durch dessen Performance und Zeilen wie „Ich schreib’ mir alles von der Seele, Frust muss raus, Kunst muss raus, alles in mir pumpt es raus“ am Ende doch gerettet.
Der folgende Track erweist sich leider als der schwächste. „Schattenkrieger“ von E!Mariachi & Rk33, zugleich Titeltrack des Albums, ist, was Inhalt und Beat angeht, dann doch etwas zu tränendrüsig geraten. Das fängt bei dem zu sülzigen Pianobeat an und hört bei Lines auf, wie etwa: „[…] nur Geborgenheit, danach sehn ich mich/ was vergebens ist, wenn dich das Leben disst […]“ oder „[…] in den Straßen sehe ich grundsätzlich tausende von schiefen Blicken/ die meine Seele tödlich treffen, wie Faustschläge und Stiefeltritte[…]“. Da kann auch ein solide rappender Spax nicht mehr viel retten.
Nach diesen zwei weniger gelungenen Tracks, wird die Compilation nun aber zumindest, was den Vortrag und die Inhalte angeht, besser, wenn auch nicht immer überragend.
Tracks wie „Nein!“ hingegen, mit einem überragenden Mr. Burnz an den 1210ern und gut durchdachten Raps von Drehmoment und Spax, kann man gelungen nennen.
Gleiches lässt sich über den Track von Sucuk Ufuk sagen, der mit einer Prise Ironie, gemeinsam mit Spax den Traum vom „Superstar“ beschreibt.
Gut gefällt mir auch der letzte Track: DeKaFu mit vollem Namen „Die Kalte Fusion“ überzeugt in einem gut durchdachten Storytelling-Track auf ganzer Linie und so ist „Independent“, am Ende des Allcity Allstars-Albums, zugleich Ausklang und Höhepunkt der LP.
Als Grund dafür, warum er das Album recordet hat, schreibt Spax im Inlay des Albums:„Dieses Album zeigt mein Verständnis, mein Ideal der HipHop-Kultur. Es zeigt eine andere Seite von HipHop als die, die in den Medien momentangezeigt wird. Zurzeit wird zunehmend von der Verrohung und der Niveaulosigkeit deutschsprachiger Rap-Alben berichtet; einige davon landen auf dem Index…Ich möchte einen positiven Gegenpol setzen und zeigen, dass die Werte, die HipHop einmal definierten, nicht wirklich tot sind – es gibt sie noch, wenn auch vielleicht nur als Traum einiger Idealisten. Ich bin einer dieser Idealisten.“
Diese Aussage spiegelt den Charakter des Albums besser wieder, als man annehmen mag. Das Ziel verfolgend, mit Inhalt und Flow in jedem Track zu überzeugen, gerät man hier leider größtenteils einfach zu sehr in tiefste Ernsthaftigkeit – es fehlt hier und da an Humor oder gar Ironie.
Mancher MC erweckt sogar den Eindruck eines tiefdepressiven, hoffnungslosen Menschen, um den man sich gehörig Sorgen machen muss.
Noch ein paar Worte zu den Beats: Selten habe ich so viele Beats von verschiedenen Produzenten gehört, die sich so gleich angehört haben. Es gibt nur wenige Ausnahmen und so reißen die Beats leider nichts raus. Zu viele Pitch-Loops, zu viel seichtes Piano.
Nach fast 80 Minuten lege ich den Sampler mit gemischten Gefühlen zur Seite. Der Nachwuchs hat an vielen Stellen angedeutet, dass er wirklich Potential hat und somit sind einige gute Lieder auf „Schattenkrieger“ vertreten. Streckenweise ist diese LP aber zu eintönig. So hoffe ich auf den zweiten Teil eines sehr interessanten Projekts, der dann aus den Fehlern des Vorgängers gelernt und die alten Stärken beibehalten hat.