Political Correctness. Für die einen die Rettung des Abendlandes, für die anderen eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Grundidee ist es, Diskriminierung schon in der Sprache zu bekämpfen z.B. durch Geschlechterneutralität (Gruß an alle Leser_innen). Schwul ist natürlich kein Schimpfwort mehr und der Negerkuss heißt schon seit langem Schokokuss. Eigentlich ja eine schöne und vernünftige Idee – solange man es nicht übertreibt und sich selbst so beschränkt, dass man keinen einzigen vernünftigen Satz mehr sagen oder schreiben kann. Allerdings gibt es da eine Sache, die quasi prädesteniert dafür ist, dieses Prinzip permanent zu unterlaufen: Rap.
Ja, in vielen Texten wird schwul immer noch als Schimpfwort benutzt. Ja, das Frauenbild ist oft antiquiert, in der Regel werden Bitches eben gefickt, besonders gerne natürlich die Mütter/Schwestern/Freundinnen und Frauen des jeweiligen (imaginären) Gegners, und das war’s, nächste Zeile. Darüber könnte man sich jetzt prima aufregen – manche Leute machen das ja auch. Glauben die ganzen Moralapostel eigentlich, dass einem das nicht auffällt, als Rapper, als Fan, als Journalist? Natürlich fällt es auf, aber um es mal ganz einfach zu sagen – es ist scheiß egal. Viel mehr noch – teilweise gehört es sogar dazu.
Rap ist ein breites Medium, das thematisch auf nichts festgelegt ist. Man kann über alles reden, politisch werden, der Menschheit bedeutende moralische Wegweiser aufstellen oder, wenn man will, feinste Werbung machen. Kein Problem. Doch die Ursprünge von Rap liegen nun mal in der Competiton, dem Battle. Da wird keine Rücksicht genommen, sondern alles aufgegriffen, womit man den Gegner angreifen und im besten Falle vernichten kann. Wenn man dafür dessen Schwester fickt (selbst wenn er gar keine hat) – okay. Auch den Rapper selbst ficken – normal. Klar ist, dass bei einem so simplen Freund-Feind-Schema differenzierte Sichtweisen eher hinderlich als förderlich sind. Es geht nicht darum, besonders realistisch oder höflich zu sein, es geht darum zuzuspitzen und den Gegner wegzuhauen.
Außerdem: Rap ist lediglich Musik. Ob man nun politisch korrekt auf Missstände hinweist oder einfach nur die Welt in Schutt und Asche legen will, beides ist legitim. „Aber nach der Argumentation wäre es ja auch okay Nazitexte zu spitten“ könnte man jetzt einwenden. Das ist in der Tat ein Punkt. Ich werde mir jetzt keine Freunde machen, aber ich vertrete die Ansicht, dass selbst Nazis ihre Weltsicht haben und verbreiten dürfen. Es ist nun mal leider eine politische Meinung, eine Tatsache, die ich nicht gutfinde, aber aushalten muss. Ich gebe selber jedem Nazi, den ich treffe, Contra, und ich wünschte, es würde Nazirap nicht geben. Aber es gibt ihn, und wir müssen damit leben bzw. so gut wir können gegen ihn agieren. Aber nicht durch Verbote oder Zensur, worauf PC letztendlich hinauslaufen kann. Das hat noch nie geholfen, denn nur weil etwas nicht gesagt werden darf, heißt es nicht, dass es nicht trotzdem existiert.
Um es also nochmal festzuhalten: Political Correctness und Rap funktioniert nicht zusammen bzw. nur in gewissen Teilen. Zu unterschiedlich sind die Ansätze. Rap ist eine Möglichkeit für jeden, mit minimalem Aufwand seine Gedanken in eine musikalische Form zu pressen, egal ob links oder rechts, Weltverbesserer oder Joker, kluger Philanthrop oder verbitterter Zyniker, ob man überhaupt eine Message vermitteln oder einfach nur eine politisch unkorrekte Punchline nach der anderen abfeuern will. Letztendlich liegt es beim Hörer, was er hören will und wie er es aufnimmt.
PS: Wer das Thema mal musikalisch behandelt hören will, dem sei „Der Zensor Part 2„ von Alligatoah, erschienen 2007, ans Herz gelegt.