Eine einsame Synthiefläche wabert verträumt durch den Raum. Wummernde Kicks setzen behäbig ein und eine 808-Snare beginnt giftig zu zischen. Dann ein einzelnes Wort. Wieder dieses Wort. Und nochmal. Kaum einer weiß dieser Tage so zu polarisieren wie Trap-Avantgardist Yung Hurn. Mögen muss man das nicht, und auch die „Du verstehst das einfach nicht“ Karte kann man an dieser Stelle getrost stecken lassen. Der dadaistische Stil des Wieners fasziniert dennoch, ist er doch stets eine gewagte Gratwanderung. Man kann davon ausgehen, dass nicht viel Kalkül oder Überlegung hinter einzelnen Songs steht – diese eigensinnige Musik lebt von ihrer verspielten, freimütigen und ignoranten Art. Dennoch kann jeder Schuss leicht nach hinten losgehen.
Yung Hurns Schaffen steht und fällt mit dem Beatpick. Ich würde mich an dieser Stelle wohl nicht mit ihm beschäftigen, hätte er kein derart stilsicheres Händchen für das richtige Instrumental. Hat er aber. Sein Mixtape „22“ hat nur wenige Fehlgriffe zu verzeichnen. Die Anspielstationen, bei denen kein optimaler Beat gepickt wurde, funktionieren hingegen einfach nicht – so geschehen bei „Flippe Bricks“ und „Crack“ . Nicht, weil diese Beats schlecht wären, sondern weil sie entweder nicht zu Hurns wavy-verstrahltem Auftreten passen oder er selbst sich nicht so recht auf diese einzulassen scheint. Die instrumentale Untermalung nimmt schlichtweg einen so großen Teil jedes Liedes ein, dass sie mindestens ebenso exzentrisch sein muss, wie Yung Hurns Rap selbst es ist. Melodisch, originell, dezent und doch einnehmend.
Ein Yung Hurn Song ist kein klassischer MC-der-auf-Beat-rappt-Rap, sondern eine Gesamtkomposition. Die Adlibs haben einen ebenso großen Stellenwert wie die gerappten Zeilen. Die Nachbearbeitung ist ohnehin der heimliche Star. Bridges und Hooks, selbstredend nicht im genretypischen 16-Bars-Schema umgesetzt, prägen das Gesamtbild. Yung Hurn dekonstruiert altbekannte, mittlerweile eigentlich verpflichtende Schemata und Strukturen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was oder wie er es tut. Dagegen klingt Yung Lean fast schon bieder und der Based God ohnehin altbacken und konservativ.
Mit dieser Experimentierfreudigkeit schießt man natürlich auch unabhängig vom Beat schnell Mal übers Ziel hinaus. Inhaltlich kann Hurn sich austoben, wie er möchte. Aber sein neuer Song „Opernsänger“ ist nicht mehr schön anzuhören, so groß der Hype darum auch sein mag. Zumindest in meinen Ohren. Genau das ist eingangs erwähnte Gratwanderung: Yung Hurns Musik muss auf ihre weirde, hypnotische Art angenehm klingen. Mit dieser eigenen Dynamik trifft er auch meistens ins Schwarze – „Opernsänger“ übertreibt diese Ästhetik aber, trotz des hervorragenden Instrumentals, ungewollt und gerät so in Sphären, in denen ich die Menschen, die mit diesem Trademark-Sound nichts anfangen können, nun doch nachvollziehen kann. Zumindest für mein Empfinden ist das einfach zu viel Dada und zu wenig gefällig. Zu chaotisches Gerede, das fast vollständig auf jeden Ansatz eines Reims verzichtet, zu erzwungenes tonales Zusammenspiel mit dem Beat, dem der ausufernde Autotune-Einsatz eher entgegenwirkt.
Es ist eben ein Drahtseilakt – eine Nuance weniger hätte den Song vielleicht zu seinem besten gemacht, zwei Nuancen weniger hätten ihn vielleicht langweilig werden lassen. Andere Tracks, etwa „Sk8erboi“ oder „Nein“ sind sehr ähnlich aufgebaut, funktionieren aber perfekt. „Christus & Blitz“ mutet deutlich herkömmlicher an, geht aber ebenfalls makellos auf. „Flippe Bricks“ klingt ebenso verhältnismäßig gewöhnlich wie „Christus & Blitz“ , geht aber nicht so genüsslich ins Ohr. Andere Anspielstationen auf „22“ gehen in der Masse unter, da ihnen das Alleinstellungsmerkmal fehl. Es sind die mikroskopischen Feinheiten in Yung Hurns Musik, die den Unterschied zwischen Bordstein und Skyline ausmachen. Ob der Künstler selbst hier die Kontrolle hat, ist mehr als fraglich. Bei so vielen (wohl willkürlichen) Volltreffern kann man ihm den ein oder anderen Fehlschuss jedenfalls gerne verzeihen. So wirklich verstehen, geschweige denn griffig in Worte fassen, kann man diese musikalische Erscheinung sowieso nicht.