Nach dem Longplayer „Rapression“ legt der Karlsruher Rapper Chaoze One jetzt seine EP „Koppstoff“ vor. Wie das Album, ist auch sein neues Werk weit entfernt von Easy-Listening-Rap und gute Laune-Gedudel. Nicht ohne Grund hat Chaoze One seine EP in Anlehnung an das Buch von Feridun Zaimoglu „Koppstoff. Kanaka Sprak vom Rande der Gesellschaft“ benannt. Zaimoglu lässt 26 Frauen türkischer Herkunft zu Wort kommen, die lange genug in Deutschland leben, um ihre Situation in die Öffentlichkeit zu tragen. Chaoze One trägt mit „Koppstoff“ fünf Tracks in die Öffentlichkeit, die artikulieren, was ihm nicht in den Kram passt.
Chaoze‘ eigens produzierte Beats sind düster und druckvoll, traurig und schwer. Seine Texte passen zu der Atmosphäre, die seine Musik aufbaut. Der Opener „Koppstoff/Mein Bloc“ schließt an die „Mein Block“ Mode-Welle seit dem Blumentopf-Track an. Natürlich fragt man sich, ob man nach all den Blöcken und Dörfern nun unbedingt noch einen Block brauch? Ich habe diese Frage für mich mit „Ja“ beantwortet. Denn Chaoze‘ Block ist anders. Er beschreibt seine Wohngegend aus einer anderen Perspektive und mit einer anderen Intention. Er klagt die kriminellen Methoden der Polizei an, bezieht Stellung gegen Rechtsradikalität und vermittelt die trostlose Stimmung in einem sterilen, kalten Wohnviertel, das statt in Karlsruhe auch in einer anderen Stadt in Deutschland liegen könnte. Chaoze One zischt „(ich) halt‘ die Wut echt nicht aus“ und man spürt es.
Diese Authentizität durchzieht die gesamte EP. Egal ob Chaoze One zusammen mit Deadly T (Ex-Anarchist Acadamy) im Track „Some People“ feststellt „ich weiß um die Kraft der Worte, wenn mich soviel frustriert“, ob er im Track „Revolution/Koma Deluxe“ dem Hörer den Grund für seine Überzeugung „Es gibt nur eine Lösung und die heißt Revolution“ erklärt, oder ob er mit Lotta C im Track „Heimatmelodien“ die Folgen der Abschiebung von Asylanten anprangert: „Denn Abschiebung heißt Folter, Abschiebung heißt Mord“. Chaoze One schließt an die Themen seines Albums „Rapression“ an, in dem er sich in Tracks wie „Kein Mensch Ist Illegal“ oder „Der Panther (Angry Remix)“ schon mit Abschiebung und Fremdenhass auseinander setzte.
Doch in der Auseinandersetzung mit politischen Themen liegt auch die Problematik der Platte. Chaoze One spricht Probleme an, doch er denkt sie in seinen Tracks nicht konsequent zu Ende. Er postuliert: „Es gibt nur eine Lösung und die heißt Revolution“, liefert jedoch keinen Vorschlag, wie eine Gesellschaft nach dieser Revolution aussehen könnte. Wie auch? In 4:45 Minuten dazu einen ernsthaften Beitrag zu leisten, ist wohl nicht zu meistern. Deswegen erfährt man mehr darüber, was Chaoze One bewegt, als die Ursachen für die angesprochen Miseren dargelegt zu bekommen.
Genau in dieser persönlichen Sichtweise und nicht in objektiver Darstellung liegt dann aber auch die Stärke von „Koppstoff“. Chaoze One rappt nicht, um zu rappen. Für ihn ist Rap eine Möglichkeit, auf Missstände aufmerksam zu machen. Eine Ausdrucksmöglichkeit, um den Frust, den das Leben in Deutschland verursacht, zu verarbeiten. Ein Tagebuch, um sich selbst vorzurappen, was er anders nicht verarbeiten kann. Und spätestens wenn das letzte Lied „Hey Schwungi“ verklungen ist, spürt man wie intensiv Chaoze One sein Leben mit seiner Musik verarbeitet. Das Lied ist ein Monolog. Chaoze erzählt Schwungi aus seinem Leben, redet darüber, was dieser in den letzten neun Jahren alles verpasst habe. Um diesen Track richtig verstehen zu können, muss man sich „Der Regen fällt/Für Schwungi“ von Chaoze One’s erster Demo-Platte „Neue Kreise“ anhören: In diesem Track stellt sich Chaoze One die Frage, warum sich sein Bruder Schwungi das Leben genommen hat. Vielleicht heißt seine neue EP auch deswegen „Koppstoff“.
P.S. Auf der CD ist neben Live Video-Material von einem Auftritt 2003 in Bensheim und einem DIY Video zu „Revolution/Koma Delux“ die komplette Demo-Platte „Neue Kreise“ zu finden.