Hey Ya! ruft einem die Single von André3000 aus dem neuen Album Speakerboxx/the Love Below, direkt zu. Und, wie so oft, wenn Outkast ein neues Album auf dem Markt bringen, muss man erst mal schnell alles von ihnen bis dato bekannte über Bord werfen. Denn Outkast 2003 ist wieder einmal etwas Besonderes. Ihre musikalische Landkarte geht längst über Genre-Grenzen hinaus, doch sie scheinen immer noch neue Ecken zu finden, die es zu erforschen gilt.
Outkast, das sind die MCs Big Boi und André3000 aus Atlanta, Georgia. 1994 spielten sie sich mit der Single Players Ball in die Herzen der HipHop Fans. Ihr Sound bestach durch klassischen Südstaaten-Funk mit Player-Attitüde. Gerade hatte man sie in eine Schublade gesteckt, bewiesen sie, dass ihre Lust auf Experimente und das Kreieren neuer Sounds noch lange nicht zufriedengestellt war.
Das war erst der Anfang ihrer kreativen Phase, aber das konnte man ja noch nicht ahnen.Vier Studioalben haben sie vor diesem neuen bereits produziert, eins erfolgreicher als das andere, und jedes mit einem ganz eigenen Charakter. Vom funkigen Debüt ging es zu extraterrestrischen Sounds auf ATLiens, elektronischer und rockiger wurde es dann auf Aquemini. Bei Stankonia kamen neben den Drum&Bass- und mainstreamtauglichen Klängen auch die verschiedenen Charaktere von Big Boi, wie eh und je in der Rolle des Players, und dem exzentrischen, freakigen André, im ständigen (Outfit)Wandel begriffen, so deutlich zum Tragen, dass das Gerücht von Trennung zum ersten Mal aufkam.
Studioalbum Nummer fünf Speakerboxxx/ The Love Below ist im Grunde genommen nur die logische Konsequenz aus den vorherigen Werken und den Veränderungen des Duos. Die unterschiedlichen musikalischen und optischen Vorlieben der Beiden liegen schon ein Stückchen auseinander, es gibt aber auch immer noch eine Verbindung. Outkast, die siamesischen Zwillinge des Rap? So kann man es wohl sagen.
Auf jeden Fall entschied man sich für dafür, jedem die größtmögliche künstlerische Freiheit zuteil werden zu lassen. Das heißt anders ausgedrückt, es gibt ein Doppelalbum, das im Grunde genommen aus einem Solo von Big Boi, Speakerboxxx, und einer Scheibe von André, The Love Below, besteht.
Auf dem Album sind dann auch wieder alle Facetten eines Outkast-Albums zu finden, allerdings anders verteilt, als das bisher der Fall war. Speakerboxxx ist der experimentelle, sehr funkige und southern-raplastige Part von Outkast, den Big Boi in gewohnt frischer Manier serviert. Satte 19 Tracks lang wird man durch Big Bois Outkastwelt geführt. Vollgepackt mit deepem Funk, Bläsern, rockigen Gitarren, harten Drum&Bass-Breaks, souligen Gesangspassagen und Gästen wie Killer Mike, Sleepy Brown, Big Gipp, Ludacris, Jay Z oder Cee-Lo, um nur einige zu nennen.
Speakerboxxx ist allein für sich schon ein grandioses Album, aber zu einem echten Outkastprodukt gehört eben auch immer die andere Seite, das unerwartete, ausgeflippte, nicht unbedingt dem HipHop zuzuordnende Element: Die musikalischen Sphären des André 3000.
Er, der mit Erykah Badu einen Sohn hat, inzwischen von ihr getrennt lebt, der sich vom Players Ball in seine eigene Styleliga hochgearbeitet hat. Sein Outfit ist grell und ausgeflippt, in etwa zu vergleichen mit den freakigen Klamotten der P-Funk Ära, als George Clinton oder Bootsie Collins die Bühnen per Mothership eroberten.The Love Below ist natürlich kein klassisches HopHop-Album, das hat aber auch niemand ernsthaft erwartet. Bei den Vorgängern zeigte sich sein Einfluss eher bei einzelnen Songs: The Whole World oder B.O.B.
Nun treibt er sein musikalisches Spielchen auf 19 Tracks Länge.Mit dem Rappen hat es André auf The Love Below nicht so wichtig genommen, er widmet sich auch oft dem Gesang. Die Einflüsse kommen aus den verschiedensten Richtungen. Klassik, Rock, Funk, Jazz, Soul, HipHop, Elektronik. Es ist alles da, alles vereint zu einem Potpourris, das zusammengehalten und dirigiert wird durch Maestro André3000. Als ob er noch nie etwas anderes gemacht hätte, jamt er sich durch die musikalischen Genres, live Instrumente, teilweise von ihm selbst eingespielt, sorgen für einen warmen Sound. Die Gäste sind rar, aber wohlüberlegt ausgewählt. Rosario Dawson, Kelis und Nora Jones (!) unterstützen ihn auf der Platte.Wie der Titel schon besagt, ist The Love Below ein sehr emotionales Album, das sich mit Witz und Frische in die Herzen der Zuhörer spielt.
Wenn die Roots mit The Seed gezeigt haben, wie gut funkiger Rock und HipHop zusammenpassen, geht André auf Songs wie Happy Valentines Day und vor allem mit seiner ersten Single Hey Ya! noch einen Schritt weiter. Das ist der P-Funk Vibe des 21ten Jahrhunderts, oder einfacher gesagt: Das ist Outkast 2003! Zwei großartige Alben, zwei geniale Charaktere, eine Supergroup, ein Genuss!