Per Definition im Grundgesetz (Art. 5; Abs. 3) und nach deutscher Rechtsprechung ist der Kunstbegriff offen. Kunst wird als unmittelbarster Ausdruck der Persönlichkeit des Künstlers definiert. Rap ist lupenreine Kunst. Punkt. Kein Winkeladvokat der Welt könnte das infrage stellen. Nun gibt es für Künstler (fast) jeder Art die Möglichkeit, Hilfe in Form finanzieller Zuschüsse zu erhalten. Und zwar von der sogenannte Kulturförderung, die es sowohl von Stiftungen als auch von staatlicher Seite gibt. Das gilt natürlich für Dinge wie Bibliotheken, Museen und Filme ebenso wie für das vermutlich populärste beliebteste Kulturgut in Deutschland: die Musik. Musikhochschulen und -Akademien etwa können staatliche Förderung beantragen. Es werden Stipendien vergeben und unter Umständen Zuschüsse für private Musiker bewilligt.
Die Kulturstiftung des Bundes gibt an, die Förderung könne „für alle nicht-kommerziellen Sparten und Bereiche des Kulturschaffens gewährt werden, für bildende Kunst, darstellende Kunst, Literatur, Musik […]„. Voraussetzung ist also lediglich, dass es sich um ein nicht primär kommerzielles Projekt handelt. Bis auf kleinere Workshops in Jugendhäusern – die selbst mit ihrem Budget zu wirtschaften haben, das ihnen zur Verfügung gestellt wird – gibt es also keinerlei Förderung der HipHop-Kultur. Selbst für Popmusik gibt es diverse Fonds und Fördermittel, etwa das staatliche PopCamp, in dem selbst „Image und Vermarktung Gegenstand des Coachings“ sind. Aber für Rapmusik, die Inhalte und Botschaften wie kein zweites musikalisches Genre vermitteln kann, die das Spiel mit der Sprache – dem Medium der Wahl für Schriftsteller, die ebenfalls Künstler sind (und Förderung erhalten) – wie kein zweites Genre in die Tiefe führen kann und die eigene Kompositionen hervorbringt, werden keine Fördermittel gestellt.
2012 gab es vermehrt Debatten darüber, dass Jazz-Musik nicht genügend Förderung erhält. Jazz ist Kunst, keine Frage! Angeblich rechtfertige der gesellschaftliche Stellenwert und die Popularität aber keine Erhöhung der Fördermittel. Okay. Rap ist aber momentan das womöglich einflussreichste Genre in Deutschland. Dass mittlerweile jeder Jockel die Chartspitze knackt, Kollegah Helene Fischer „weg gewichst“ hat und es die Edelmetall-Schallplatten nur so vom Himmel regnet, sagt einiges über die Popularität und Relevanz von Rapmusik aus. Dass Rapper die Feuilletons füllen, die Umgangsprache und Rhetorik unserer Generation maßgeblich beeinflussen (Jugendworte des Jahres 2011, ’12, ’13 – check!) und auf diverse Missstände aufmerksam macht, sagt ebenso viel über den gesellschaftlichen Stellenwert aus. Liebe Jury der Kulturstiftung des Bundes – wie kann das an euch vorziehen? Seht ihr das nicht? Oder wollt ihr das nicht?
Vermutlich eine Mischung aus Beidem. Denn Rap ist immer noch als die hirnlose Prollmusik verpönt, die sie nie war. Insbesondere vor Ü-40 Kalibern habe ich immer das Gefühl, mich rechtfertigen zu müssen, wenn ich nach meinem Job gefragt werde und „Redakteur bei einer Online Musik-Redaktion“ als Antwort nicht ausreicht. Diese Leute, die wenn sie das Schlagwort „HipHop“ hören, hölzern mit ihren Händen in der Gegend herumfuchteln und „YoYo, isch fick dein Mutter“ plärren. Wer noch nie intensiveren Kontakt mit Rap hatte und außer „Bushido, Sido und diesem neuen da, diesem Haftbefehl aus der Zeitung“ niemanden kennt, dessen Bild wird sich auch nicht so schnell ändern. Denn leider ist es ein sehr hartnäckiges Klischee, dass Rapper die Goldketten behangenen Prolls mit den weiten Klamotten sind.
Solange sich an diesem Bild nichts ändert, wird Rap wohl weiterhin keine Unterstützung in der Öffentlichkeit erfahren. Doch genau dadurch ließe sich das Bild ändern – wenn man es denn ändern wollte. Ansonsten bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zu warten. Zu warten, bis wir die Ü-40 Generation sind, die solche Ämter bekleidet. Die Generation, die dieses Genre versteht. Die YoYo-Armfuchtler sind dann ausgestorben. Dann wird Rapmusik vielleicht endlich als die Kunst respektiert, die sie ist.