Autor: Amir Forsati
Samstag
Wo der Abend am Freitag endete, dort beginnt der Samstag: um 15 Uhr bin ich gleich beim ersten Act an der Samoa Stage. Nachdem die Betty Ford Boys mich am Vorabend absolut umgehauen haben, war es für mich sofort klar, dass ich am den zweiten Festivaltag definitiv mit Brenk Sinatra beginnen muss. Ich hoffte auf einen ähnlichen Ansturm der Stage wie bei den Betty Ford Boys, doch es kam anders: keine Menschenseele STAND vor der Stage. Die Sonne schien und einige Dutzend Leute liegen allesamt am Strand. Ein absolut idyllisches und entspanntes Bild. Ich tue es ihnen gleich und setze mich dazu, während Brenk Sinatra den wohl entspanntesten und coolsten Sound für diesen Moment auflegt. Es hat sich also doch gelohnt frühzeitig zum Festivalgelände aufzubrechen. Danke auch an Brenk für diesen wunderbaren und lässigen Start in den Tag.
Während des entspannten Abhängens am See lerne ich einige weitere Besucher kennen, die hier ihre Kräfte für den heutigen Tag sammeln. Lustigerweise beschäftigen sich die meisten mit der gleichen Frage: Genetikk oder Joey Bada$$, die parallel spielen? Danach A$AP Rocky oder Haftbefehl? Ich habe mich selbst noch nicht entschieden, wenn ich mir anschaue, doch in diesem verträumt harmonischen Moment an der Samoa Stage mag ich mir nicht den Kopf darüber zerbrechen.
Gleichzeitig geht seit Donnerstag bei allen Splashlern die Frage rum, wer der Secret Gig an der Splash! Mag Stage ist. Von 22:00 Uhr 22:30 Uhr wird da ein geheimes Konzert gespielt. KIZ wird vermutet. KIZ wird erhofft. Doch werden die KIZ Jungs wirklich für 30min an der recht kleinen Bühne spielen? Sie könnten doch locker die Hauptbühne füllen? Außerdem wäre der Secret Gig während des Genetikks / Joey Bada$$ Auftritts. Während alle um mich herum darüber diskutieren, schließe ich meine Augen, genieße die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht und nicke mit dem Kopf zum lässigen Beat, während ich Brenk Sinatras Klängen lausche. Wer weiß schon, was heute noch passieren wird?
Sehr gerne hätte ich mir auch Plusmacher in der O.F.D.M Cypher an der Aruba Stage angeschaut, da sein Album „Freieschwarzmarktwirtschaft„ zu meinen Lieblingsüberraschungsalben des vergangenen Jahres gehörte. Aber sorry Bro, Brenk, im Anschluss Hazeem und der Strand zogen mich zu sehr in ihren Bann. Ich tue es den anderen Besuchern gleich und sammle meine Kräfte um bei den kommenden Acts wieder mit Herz und Seele abzugehen.
Pflichtprogramm für mich war dann UMSE um 16:45 Uhr an der Aruba Stage. Wie sehr es mich erfreute, dass echt sehr viele Leute erschienen sind. Umse gönne ich einfach den Erfolg und hoffentlich bald auch den großen Durchbruch. Sein Auftritt war jedenfalls ganz großes Kino. Spätestens als sein Special Guest Megaloh auf der Bühne erscheint eskaliert die Menge. Umse ist ein True-Keeper des HipHops. In jeder Sekunde spürt und hört man seine Liebe und die Leidenschaft zur Musik. Dafür bedanken wir uns indem wir ihn einfach nicht von der Bühne gehen lassen wollen. Drei Mal schreien wir uns die Seele aus dem leib nach einer Zugabe. Drei Mal kam Umse auf die Bühne zurück. Sowas hab ich in all den Jahren Splash! auch nicht erlebt. Die Menge gibt ihm die Liebe, die er verdient und es ist schön zu sehen wie Umse hungriger als je zuvor das Mic in den Händen hält und alles abreißt. Auch ich schreie mir die Seele aus’m Leib und weiß: sein kommendes Album ist ein Pflichtkauf!
Danach stehen die Orsons auf dem Programm. Die Show ist gewohnt musikalisch und äußerst unterhaltsam. Mit Live Band und Sängerin sorgen die Jungs für eine kollektiv positive Stimmung. LIEEEEBE für alle! Doch plötzlich stürmt Mone Boy auf die Bühne! Die Menge jubelt! Cool, die Orsons integrieren den Entertainer Money Boy in ihre Show. Doch schnell wird klar, dass er ein ungebetener Gast ist, der die Bühne crasht. Dabei schüttet er mit einem grenzdebilen Lächeln seine Fanta Flasche aus. (Frag nicht was für Saft!; Amn. d. Red.) Die Orsons reagieren: Kaas schnipst ihm seine Cap weg und Tua geht auf den Boy los, um ihn zur Rede zu stellen. Dabei wird Mone Boy gegen seinen Willen von der Bühne gezerrt.
Spätestens hier hat er sich nach seinem gestrigen Auftritt seine restlichen Sympathiepunkte verspielt. Nach einem kurzen Statement der Orsons, dass es sich hier um eine derbe Respektlosigkeit handelt, bleiben die Jungs professionell und ziehen ihre coole und erfrischende Show weiter durch. Natürlich muss sich Money Boy hier und da mal von ihnen Sticheleien gefallen lassen, doch damit muss er nun leben. Das Highlight der Show ist schließlich die Schlauchboot-Stage-Diving Aktion von Kaas, bei dem er durch das Menschenmeer „segelte“.
Nach den Orsons ist Bühnen-Hopping angesagt. Erst gehts um 20:15 Uhr zu Audio88 & Yassin an die Samoa Stage. „Normaler Samt“ ist für mich persönlich eines der besten Alben des Jahres und dafür bedanken wir uns als Zuschauer! Es freut mich die extrem sympathischen Jungs zum ersten Mal Live zu erleben. Die Show ist leider viel zu kurz, denn um 21:00 ist auch schon Schluss. Ich laufe dann schnell zur Aruba Stage zum Trap-Meister Danny Brown.
Wie erwartet ist die Menge komplett am Durchdrehen, als ich die Bühne erreiche. Hier wird Party gemacht! Nach einem kurzen Aufenthalt gehts weiter zu Karate Andi an die Splash! Mag Stage. Als großer Rap am Mittwoch Fan war es für mich klar, dass ich den „Pilsator Platin“ Freestyle König unbedingt live sehen muss – auch wenn es nur das Ende seiner viel zu kurzen Show ist. Karate Andi überzeugt mich total. Bitte Selfmade Records, wann erscheint sein Album!?
Im Anschluss muss ich wieder an die Samoa Stage. Verdammt, was ich heute für Strecken zurücklege, doch für die Inglebirds nehme ich einen weiteren Sprint in Kauf. Als großer Fan von DCVDNS hab ich das „Big Bad Birds“ Album wochenlang frenetisch gefeiert. Dabei flashten mich natürlich auch Hermann Weiss aka H Dub und Wolfgang H aka Dub Gang. Wer weiß schon, wann man noch einmal die Möglichkeit erhält die Jungs in dieser Formation live zu erleben. (Nie wieder, das war ihr Abschiedskonzert; Anm. d. Red.) Daher musste die Show auf jeden Fall mitgenommen werden. Das Bühnenhopping erschöpft mich langsam. Es ist jetzt kurz nach 22 Uhr und ich gehe in Richtung Hauptbühne. Die Frage aller Fragen muss jetzt beantwortet werden: Genetikk oder Joey Bada$$? Bis zu diesem Zeitpunkt mochte ich keine Entscheidung fällen, doch sie war Notwendig. Anders als vorhin will ich nun eine Show komplett genießen ohne zwischen den Bühnen zu switchen.
Letztlich fiel meine Entscheidung schweren Herzens für Joey Bada$$. Obwohl ich den Sound der Genetikk Jungs liebe, weiß ich gleichzeitig, dass ich sie bestimmt noch unzählige Male auf Tour oder auch in den kommenden Jahren auf dem Splash! erleben werde (zumal sie Ende des Jahres wirklich auf Tour sind). Doch wann hab ich nochmal die Möglichkeit Joey Bada$$ performen zu sehen? Ok, zugegeben: nach dem Splash! erfuhr ich, dass er Im Oktober/November auf Deutschland Tour ist, doch ich ärgerte mich nicht, im Gegenteil: Während Joeys Auftritt bin ich komplett ausgerastet, wie jeder andere um mich herum auch! Der Junge bringt uns an den Rande des Wahnsinns! Jedes Lied wird mit maximaler Kraft mitgeschrien. Ob nun „Paper Trail$“ oder „Christ Conscious“ – Joey ist ein Lyriker, eine geistesgestörte Flow-Maschine und ein fabelhafter Live-Act, der die Menge von der ersten bis zur Letzten Sekunde in seinen Bann zieht!
Um 23 Uhr ist die Show leider vorbei. Von mir aus hätte sein Auftritt noch mindestens zwei Stunden weiter gehen können. Doch nun steht die nächste große Entscheidung an: Haftbefehl oder A$AP Rocky? Es steht außer Zweifel, dass Haft ein begnadeter Live-Künstler ist, doch auch hier denke ich mir: Okay, Haft werde ich in Deutschland bestimmt noch unzählige Male erleben können. Ich werde sicherlich noch einige Male die Möglichkeit haben. Doch wie schaut’s mit A$AP Rocky aus? Im Geiste denke ich mir, dass Hafti sich wohl selbst ärgert, dass sein Auftritt während A$APs stattfindet, da er ihn sicherlich auch anschauen würde. So gern ich mit Papa Haft feiern und abgehen würde – ich muss die Möglichkeit wahrnehmen und A$AP Rocky erleben. Ich bereue dich Entscheidung nicht. A$AP Rocky und der Mob nehmen gemeinsam die Mainstage auseinander!
Jetzt ist Durchdrehen angesagt! Plötzlich stehen auch Danny Brown und Joey Bada$$ auf der Bühne! Es ist verrückt! Ich muss ehrlich zugeben, dass ich jetzt nie der größte A$AP Rocky Fan war. Ich hab ihn als Künstler stets respektiert, kannte mich aber nicht sonderlich gut mit seiner Diskografie aus. Es war ein langer Tag und seit über zehn Stunden ziehe ich mir eine Show nach der anderen rein. Obwohl ich bereits recht erschöpft bin (vor allem nach dem Joey Bada$$ Abriss) sorgt A$AP dafür, dass ich meine letzten Energiereserven bündle und es der Menge gleich tue indem ich komplett durchdrehe!
Gegen 1 Uhr zieht A$AP von dannen und lässt uns ausgepowert und begeistert zurück. Ich kann nun weder zum Zeltplatz zurück noch zu einer anderen Show. Meine Beine fühlen sich an wie Beton und meine Arme wie riesige Stahlträger. Absolut begeistert schleppe ich mich zur Bar, kaufe mir etwas zu trinken und setze mich an eine Bierbank. Ich dachte gestern noch, dass der Freitag nicht zu toppen sei, doch der heutige Tag spielt definitiv in der gleichen Liga. Voller Enthusiasmus unterhalte ich mich mit meinen beiden Fotografen Adrian und Maria über die vergangenen beiden Festivaltage, während wir eine Schar an Splashlern dabei beobachten, wie sie zum Zeltplatz zurückkehren. Ich frage mich, wie Haftis Show wohl war. Wehmütig denke ich mir, dass ich vielleicht doch für zwei oder drei Lieder an die Aruba Stage hätte gehen sollen. So geil A$AP auch war … wie gerne hätte ich den Haftbefehl Auftritt zelebriert. Die Zeit verstreicht und der heutige Tag scheint für uns beendet als plötzlich von der Mainstage eine Melodie erklingt. Ich schaue auf’s Timetable. Nach A$AP ist an der Mainstage definitiv Schluss. Die Musik wird lauter und sie kommt mir bekannt vor. Verdammt, es handelt sich um das Kannibalenlied von KIZ!! Die Hymne erklingt und wie bei einem Tropfen Blut in einem Piranha Becken lässt JEDER, der den Sound wahr nimmt, alles stehen und liegen und läuft wie vom Teufel besessen zur Hauptbühne.
Mein einziger Gedanke, während ich gleichsam zur Bühne laufe, ist „FUCK!? Kann es wahr sein? Kann es wirklich Möglich sein, dass ich nun zufällig beim ECHTEN Secret Gig von KIZ am Start bin??“! Ja, das bin ich! Der Vorhang fällt, und wir erblicken vier riesige, weiße Statuen, welche die KIZ Member Maxim, Nico, Tarek und DJ Craft darstellen. Der Beat fängt an und mein Herz ist kurz vor’m Zerplatzen. Respekt Jungs, die Überraschung ist gelungen!! Das Beste kommt zum Schluss. Vor einem Tag erschien am 10.07. das neue KIZ Album „Hurra die Welt geht unter„. Bereits der Titeltrack und „Boom Boom Boom„, die vorher bekannt waren, zeigten schon die Richtung, in die das neue Album steuert. Wie sehr habe ich mich geärgert, dass KIZ, trotz des Releases des neuen Albums, nicht auf dem Splash! vertreten ist. Ihr „Sexismus gegen Rechts“ Auftritt auf dem Splash 2009 war bereits legendär für mich und blieb mir bis heute in Erinnerung!
Lange haben sich die Jungs Zeit gelassen mit ihrem neuen Album. Doch gut Ding will Weile haben und sie melden sich zur richtigen Zeit und mit der richtigen Message mit einem großen Knall zurück! Sie präsentieren ein Teil ihres neuen Albums und die Menge flippt komplett aus! Natürlich dürfen auch alte Hits wie „Urlaub fürs Gehirn“ oder „Hurensohn“ nicht fehlen. KIZ quetschen wirklich das letzte Tropfen Energie aus meinem Körper! Nach etwa 40 Minuten ist die Show aber auch schon wieder vorbei. Ein kurzer, aber dafür abnormal geiler Auftritt! Die Menge tobt und KIZ Chöre werden über das gesamte Gelände geschrien! Ich bin endlos glücklich und platschnass vom Schweiß. Ich fühle mich als hätte ich heute bei einem Triathlon teilgenommen.
Nach dem absolut gelungenen KIZ Überraschungsauftritt gehen wir wieder an die Bar um eine Dehydrierung entgegen zu wirken. Als wäre der Abend nicht bereits jetzt schon perfekt, erblicke ich plötzlich Umse neben mir. Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen mit ihm zu reden und ihm meinen hochachtungsvollen Dank für seinen grandiosen Auftritt auszudrücken.
Warum hat man so lange nichts mehr von ihm gehört? Was hat er in der Zwischenzeit so getrieben? Naja, er hat sein Studium der sozialen Arbeit endlich beendet und nimmt sich jetzt für die nächsten fünf Jahre ausschließlich Zeit für die Musik. Fünf Jahre in denen er musikalisch Vollgas gibt, damit der erhoffte Durchbruch endlich Eintritt. Umse lebt für die Musik und ich hoffe, dass ihm auch der Erfolg gegönnt ist. Verdient hätte er es! Nachdem ich Megalohs Gastauftritt besonders hervorhob und bemerkte, dass sie als Rapper sehr gut miteinander harmonieren, hatte Umse ausschließlich positives über ihn zu erzählen. Es sei bemerkenswert, dass Megaloh auf ihn zukam und nicht umgekehrt, was für seinen tollen Charakter spreche. Er sei vom Bekanntheitsgrad viel größer als er, aber dennoch gab er ihm den Respekt für seine Kunst und hat mit ihm sogar schließlich Musik gemacht. Frei nach dem Motto: Scheiss auf deinen Fame, ich feier dich, lass uns was Gemeinsames machen! Natürlich musste ich auch wissen, ob er Morgen im Gegenzug auch bei Megaloh auf der Bühne erscheinen wird. Umse schaut mich darauf mit einem schelmischen Lächeln an. „Naja, wer weiß das schon was Megaloh Morgen so vorhat.“ Mit einem besseren Statement hätte das Gespräch nicht enden können. Dabei verspüre ich jetzt schon eine immense Vorfreude auf den morgigen Megaloh Auftritt.
Als sei das Gespräch mit Umse noch nicht genug gewesen, steht auf einmal Dexter neben mir. Ich spreche ihn an und gestehe ihm, wie sehr mich der gestrige Auftritt der Betty Ford Boys begeistert hat. Rap Beats der ersten Güteklasse! Dexter ist nun das i-Tüpfelchen des Abends. Alles scheint so surreal! Der unerwartete KIZ Auftritt und das Gespräch mit Umse und Dexter. Das kann doch nicht wirklich alles so geschehen sein. Bereits jetzt muss ich sagen: Splash! 18 … ich liebe dich! Nach einem kurzen Fan-Talk mit Dexter, in dem ich auch meine Bewunderung für seine Solo Sachen zum Ausdruck bringe, geht’s wieder zurück zum Zeltplatz. Erneut macht sich eine unangenehme, eisige Kälte breit und ich bin wirklich kaputt von dem Tag. Ich muss mich für den letzten Festival tag ausruhen.
Sonntag
Eigentlich möchte ich heute um 15 Uhr zu Staigers Lese-Salon. Nachdem ich ihn letztes Jahr in Berlin zur Veröffentlichung seines Buches „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“ interviewte und dabei ein überaus unterhaltsames, aber auch sehr politisches Gespräch zu Stande kam, ist seine Lese-Runde auf dem Splash! sicherlich sehenswert. Jedoch ist der heutige Tag alles andere als schön: heute ist es auch bei Tag vergleichsweise sehr kalt und anhand des wolkenbedeckten Himmels deutet sich ein Regenschauer an. Verdammt, wie sehr habe ich gehofft, dass uns der Regen dieses Jahr erspart bleibt. Als der Regen dann beginnt, gehe ich auch nicht mehr zu Ecke Prenz an die sandige Samoa Stage. Schade! Ich hatte gehofft, dass sie Leute zahlreich erscheinen! Doch ich werde am Abend auf der Juice Grenada Floor sehen können, wenn mit den RadioLoveLove Jungs aufgelegt wird. Darauf freue ich mich jetzt schon!
Die vergangenen zwei Tagen haben mich geschlaucht, sodass ich noch eine Weile in meinem Campingstuhl hocken bleibe und erst um 18 Uhr zu Little Simz gehe. Mittlerweile regnet es aus Kübeln und die überdachte Aruba Stage bietet hier Gott sei Dank zumindest für ihren Auftritt einen Nässe-Schutz. Die junge Künstlerin aus London erkennt zugleich, das die Stimmung wegen des Regens nicht gerade die beste ist. Außerdem ist es den meisten anzusehen, dass sie am letzten Festivaltag sichtlich erschöpft sind. Auch wenn die Zuschauer nun nicht am rumspringen und abgehen waren, hat es Little Simz dennoch geschafft zumindest unsere Stimmung zu heben. Auf jeden Fall hat sie mich sehr beeindruckt. Es gibt wenige weibliche MCs und diejenigen, die sich auf die Bühne wagen, müssen allein schon wegen der immensen männlichen Konkurrenz auf breiter Linie überzeugen um nicht wegen ihrer Belanglosigkeit in endgültiger Vergessenheit zu geraten. Zum Glück bewirkte Little Simz genau das Gegenteil. Die zierliche, junge Frau ist ein unfassbares Energiebündel. Sie war mir vorher nicht bekannt und nur wegen einer persönlichen Empfehlung Dexters begab ich mich hierhin. Danke für den Rat, denn auch Little Simz gewann mit ihrem Auftritt einen Platz in meiner persönlichen „To Listen“ Liste! Ich muss definitiv mehr von ihr hören und kann ihre Live Show den Rap-Liebhabern da draußen nur an Herz legen.
Um kurz vor 19 Uhr ist ihre Show zu Ende und gleich danach freue ich mich den einzigartigen Megaloh zu erleben. Sein gestriger Kurzauftritt bei Umse, der von der Menge abgefeiert wurde, hat uns bereits einen Vorgeschmack seiner Live-Fähigkeit gegeben. Der Auftritt ist an der Mainstage, was bedeutet, dass wir die überdachte Aruba Stage verlassen und zur Hauptbühne gehen müssen. Es Regnet immer noch wie verrückt und anscheinend hat jeder am Eingang des Festivalgeländes ein gelbes Regen-Cape erhalten – außer ich! So stehe ich dann einzig und allein mit meinem Hoodie vor der Bühne und warte … bis ich absolut durchnässt bin. Naja, ich bin total durch, müde und unterkühlt aber dennoch kommt keine schlechte Stimmung auf! Der Regen vermiest mir nicht mein Festival! Außerdem gehört er irgendwie auch zum Splash! dazu. Ich versuche es aus dem nostalgischen Blickwinkel zu betrachten.
Schließlich betritt Megaloh die Bühne. Zunächst muss er selbst wegen des Regens schmunzeln, da sein kommendes Album den passenden Titel dazu hat: „Der Regemnacher„. Trotz der Nässe sind wirklich zahlreiche Splashler erschienen, was mich sehr erfreut. Wir lassen uns von Megalohs energiegeladenen Show packen und vergessen den Regen! Man merkt, dass die Flow-Maschine sichtlich geehrt ist, dass wir hier beim strömenden regen stehen und lauthals seine Texte mitsingen. Dafür hat Megaloh auch einige kleine Geschenke für uns! Wir erinnern uns an den gestrigen Abend, als Umse auf die Frage, ob er gleichfalls bei Megaloh auf die Bühne kommen werde, mit den Worten antwortete „Naja, wer weiß das schon was Megaloh Morgen so vorhat?“. Die Antwort trifft den Nagel auf den Kopf: Wer hätte es geahnt, dass Megaloh die Show mit den meisten Überraschungsgästen parat hat!
Zunächst erscheinen Chefket und Amewu! Gemeinsam performen sie eine Power-Trap Version von „Live-MCs„! Die Menge tobt! Scheiss auf den Regen, Megaloh gib uns mehr! Was wir uns im Geiste wünschen ist dem wahren Live-MC ein Befehl. Niemand geringeres als Afrob kommt dann auf die Bühne! Die beiden Herren waren letztes Jahr gemeinsam auf Tour und das spürt man: Sie harmonieren absolut göttlich miteinander uns sorgen für den Abriss des Tages – mit ihrem Kollabo Track „Abriss„. Doch Megaloh hat noch nicht genug! Niemand geringeres als Max Herre steht plötzlich auf der Bühne! Die Menge ist mittlerweile durchgehend am schreien. Wir können es kaum fassen, was dort gerade auf der Bühne geschieht. Mit Max geht es dann erst mal darum, was Rap für sie bedeutet. Niemals hätte ich vor’m Splash! auch nur im Entferntesten geglaubt, dass ich eine Live Version von „Rap ist„ mit Max Herre und Afrob sehen werde. Jetzt könnte man meinen, dass Megaloh nun auch das letzte versteckte Ass im Ärmel ausgespielt hat, aber nein … Es geht weiter! Als nächstes steht der „Dr. Cooper“ Remix an. Afrob ist eh da und nach und nach erscheinen Umse, MoTrip, Ali A$ und Celo & Abdi die Bühne! Niemand hätte auch nur im Entferntesten mit den Azzlackz gerechnet. Wir sind begeistert. Was für ein genialer Künstler muss man sein um solche Gäste um sich herum zu versammeln? Danach geht’s Solo weiter! „Whiskey Cola„ ist Megalohs Party-Track schlechthin und die eh schon begeisterte Menge dreht nun komplett durch. Zum Schluss gibt’s noch einen ruhigen, deepen Track – was sich bisher kein Künstler auf dem Festival getraut hat. Zu meiner Überraschung funktioniert es und die Partypeople bejubeln Megaloh! Danke an dieser Stelle für diese unvergessliche Show. Wir sehen uns zu deiner Tour wieder!
Dank Megaloh habe ich meine allerletzten Kraftreserven aufgebraucht. Das Splash! hat mich nun offiziell geplättet. Eigentlich wollte ich noch zu Pusha T und Favorite, doch ich muss mich erst einmal an eine trockene Stelle zurückziehen und mich erholen. Es steht heute noch einiges an. Während ich nach einem ruhigen und trockenen Plätzchen suche, läuft mir niemand geringeres als Afrob vor die Füße. Oh Mann, der Künstler, wegen dem ich anfing Rap zu hören steht plötzlich vor mir. Was ist nur dieses Jahr auf dem Splash los? Die Künstler zeigen ihren Fans gegenüber keine Berührungsängste! Welches andere Festival kann das schon von sich behaupten?
Ich geh zu Afrob und führe einen Rap-Nerd-Talk mit ihm. Dabei offenbare ich ihm, dass ich einst wegen ihm anfing Rap zu hören und dass „Made in Germany“ für mich immer noch eins der besten Rap Alben aller Zeiten ist. Afrob schaut mich darauf überrascht an. Die Aussage ehrt ihn sehr, da es sich bei dem Album auch um sein persönliches Liebingsalbum handelt. Er wollte mit dem Album etwas Aussagen und eine Message vermitteln, trotz des massiven Gegenwindes während der stressigen Albumproduktion. Keine traue sich in Deutschland die Thematik auf Albumlänge zu behandeln. Hier fällt mir aber D-Flames Album „Daniel X„ ein, welches kurz nach „Made in Germany„ erschien und in die gleiche Kerbe schlägt. Afrob feiert es, dass ich das Album kenne und erwidert, dass D-Flame der einzige sei, der die Eier besäße solch ein Album zu machen. Ich muss lachen. Ich stehe hier und rede wahrhaftig mit Afrob, einem der deutschen Rap Pioniere, über unser geliebtes Musik Genre. Ich verspreche ihm daraufhin die ASD Tour am Ende des Jahres zu besuchen.
Nun ist es mittlerweile fast 22 Uhr und ich muss mich erneut entscheiden: Kool Savas oder die Flatbush Zombies? Die Entscheidung fällt mir dieses Mal erfreulicherweise sehr leicht, denn ich gehe zu den Flatbush Zombies. Sicherlich wird Savas’ Show wieder genial, doch ich habe ihn a) bereits einige Male Live erlebt und b) hat mich meine Experimentierfreudigkeit auf dem Splash! bisher nicht enttäuscht. Dadurch dass die Flatbush Zombies mit den Underachievers Musik machen und diese mich am Freitag schon umgehauen haben, möchte ich den Jungs aus New York eine Chance geben. Ich werde nicht enttäuscht! Die Jungs treffen mit ihrem Rapstil und ihrer Beatauswahl genau meinen Nerv. Während um mich herum gebrüllt und gefeiert wird, stehe ich mitten in der Menge und nicke mit dem Kopf zum Beat. Die Erschöpfung ist mir ins Gesicht geschrieben und meine Beine fühlen sich an wie Baumstämme, doch mein Rap herz geht beim Sound der Flatbush Zombies auf. Erneut erhält meine „To Listen“ Liste Zuwachs!
Um 23 Uhr ist die Show vorbei und ich fühle mich wie ein Zombie. Nun stehen Nicki Minaj und/oder Prinz Porno auf dem Programm. Ich erinnere mich heute noch gerne an das frühere Prinz Pi/Porno „Neo Punk„ Konzert auf dem Splash! zurück. Daher denke ich mir, dass ich mir lieber die Arschgewordene Nicki Minaj anschauen werde. Wie gesagt, ich habe dieses Jahr anscheinend einen Lauf und bereue kein einziges Konzert. Entweder sind die Künstler allesamt so genial oder ich hatte einfach ein bisschen Glück und das passende Gespür. So begebe ich mich voller Hoffnung zum letzten großen Act des diesjährigen Splashs.
Nicki Minaj betritt wie erwartet recht leicht bekleidet die Bühne … und enttäuscht mich auf ganzer Strecke! Ich kann es kaum fassen. Ist das ihr Ernst? Zunächst einmal läuft alles anscheinend Playback(!!) ab. Dann spielt sie ihre Pop-Radio-„Hits“. Ich kann nur mit dem Kopf schütteln. Ausgerechnet der letzte Act ist ein tiefer Griff ins Klo. Ich ärgere mich. Wieviel sie allein an Gage kassiert haben muss mit der man sicherlich 3 erstklassige Rap-Künstler hätte holen können. Es ärgert mich hier zu sein. Ich versuche ihr noch eine Chance zu geben. Vielleicht ist es nur der Anfang und gleich rappt sie darauf los wie eine Wahnsinnige? Das Talent zum rappen kann man ihr ja nicht absprechen. Aber die musikalische Qualität bleibt unterirdisch. Nach etwa 30 Minuten beschließe ich zu Prinz Porno zu gehen und er rettet mir in der letzten halben Stunde seiner Show den Abend. Hier muss ich zum ersten Mal während des gesamten Festival sagen: verdammt, wäre ich doch von Anfang an zum parallel stattfindenden Konzert gegangen! Hier erleben wir noch einmal guten Rap zum Abschluss des Splash!
Direkt danach legen die Turntable Hools (KIZ) mit den Drunken Masters auf – doch ich gehe nicht hin. Ich hatte die Ehre 23 Künstler auf dem diesjährigen Splash zu sehen. Ich hatte die Ehre mit ihnen zu feiern, abzugehen und seit langem mal wieder Rap in jeder Faser meines Körpers zu fühlen. Ich gehe zum Shuttlebus, setz mich rein und fahre zum Zeltplatz. Im Bus schließe ich meine Augen, atme tief ein und lasse die vergangenen Tage nochmal Revue passieren. Die geilsten Momente waren wohl als KIZ plötzlich gespielt haben, oder wie Marteria plötzlich neben Marsimoto stand! Oder wie wir nach Marsi bei den Betty Ford Boys gefeiert haben … oder Umse … oder ASD … oder … oder
Das Splash! 18 war ein einziges, großes Highlight! Praktisch jeder Künstler (mit Ausnahme von Nicki Minaj) hat mich absolut überzeugt und mir aufs Neue gezeigt, wieso ich diese Musik so liebe. Danke Splash! für die unvergesslichen und einzigartigen Momente in diesem Jahr! Wir sehen uns nächstes Jahr am 8. Juli wieder!