Splash! Festival 18: Nachbericht Teil 1 (Do & Fr)

Autor: Amir Forsati

Fotos: Adrian Martin & Maria von Mücke

Das Splash! Festival öffnete vom 09.-12.07. bereits zum 18. Mal seine Pforten. 18 Jahre Beats und Raps – und wir durften ein Teil davon sein! Wir sahen zu wie das Splash! vom kleinen 1300 Mann Festival zu einem der wichtigsten und relevantesten HipHop Festivals Europas wurde. Wie jedes Jahr pilgern Rap-Fans erwartungsvoll zum einzigartigen Festivalgelände nach Ferropolis, um kollektiv ihr Lieblingsmusikgenre zu zelebrieren. Eine Art jährliches Klassentreffen – mit über 25 000 Kameraden. Dabei war das Splash! in seiner 18. Ausgabe ein Highlight in dessen Historie – die volljährigkeit wurde nämlich gebührend gefeiert.

Das 18. Splash! war aber auch für mich persönlich etwas ganz Besonderes. Nachdem ich die letzten vier Jahre zeitbedingt dem Festival fernbleiben musste, konnte ich anno 2015 endlich wieder nach Gräfenhainichen fahren um unter Gleichgesinnten über unsere Rap-Künstler zu philosophieren, bei den Konzerten durchzudrehen oder einfach auf dem Camping-Gelände allerlei Schabernack zu treiben. Die Vorfreude und vor allem Aufregung war groß. Vier Jahre sind in der Musiklandschaft eine Ewigkeit. Was hat sich in der Zeit verändert? Wird das Splash! mich genauso begeistern wie einst? Wie werden die Festivalbesucher drauf sein? Fragen über Fragen!

In meinem persönlichen Splash! Bericht gibt’s die Antworten.

Donnerstag

Meine Vorfreude kennt keine Grenzen mehr. Ich kann es kaum erwarten endlich in Gräfenhainichen anzukommen, mein Zelt aufzubauen und mich geschwind auf das Festivalgelände zu begeben. Doch den ersten Dämpfer gibt’s bereits auf der Hinfahrt: während wir uns die Tage und Wochen vor Beginn des Splash! über fast tropische Temperaturen weit über 30 Grad Celsius erfreuten, überrascht uns ausgerechnet heute ein eisiger Wind. Ein ungutes Gefühl macht sich breit. Hoffentlich wird es in den kommenden Tagen halbwegs angenehm – ohne Regen.

Gegen 22 Uhr komme ich endlich an! Noch bevor ich mein Zelt aufbaue, geht’s erst einmal ins Info-Häuschen um einige offene Fragen hinsichtlich des Festivals und seines Ablaufes zu klären. Während ich dort in der Schlange warte , stehen die Orsons Member Kaas und Plan-B links neben mir und lassen sich ihre Künstlerausweise aushändigen. Nach dem Stress mit der Hinfahrt und dem kleinen Kälte-Abfuck zaubert mir der werte Bartek (Plan-B) ein Lächeln auf’s Gesicht, indem er sich über die eisige Kälte beschwert und feststellt, dass er nur T-Shirts am Start habe. Spätestens nach seinem Game of Thrones Zitat „Winter is Coming!“ hob sich meine Stimmung wieder. Nerdismus und Rap – eine gute Kombi.

Es ist kalt. Na und? Ich bin nach Jahren wieder auf dem Splash! Kaas und Plan-B stehen vor mir und teilen das gleiche Schicksal wie wir alle! So lange es nicht regnet, passt alles – und selbst im Falle des Regens reißen wir dennoch die Hütte ab!

Sichtlich erfreut geht’s danach mit dem Shuttle-Bus endlich auf das Festival Gelände. Xatars Show findet gleich in der Aruba Stage statt – und die Halle ist voll! Der Baba aller Babas betritt die Bühne und hat Schwesta Ewa im Schlepptau. Die Menge ist schier begeistert und rastet komplett aus. So stelle ich mir eine gelungene Pre-Party vor.

Gegen 1 Uhr zieht der Koloss Xatar nach seiner energiegeladenen Show von dannen und macht Platz für den anschließenden RL Grime. Eigentlich hat das Alles oder Nix-Oberhaupt meine Feierlust geweckt, doch ich hab noch nicht einmal mein Zelt aufgebaut und es ist mitten in der Nacht. Also gehe ich dann zu Fuß vom Festivalgelände zum anderen Ende des Campingplatzes und lasse die ersten Eindrücke erst einmal sacken – eine Art nachdenklich-nostalgischer Festival-Walk am ersten Abend.

Während des nächtlichen Spaziergangs fällt mir auf: Das Splash! ist größer geworden – viel größer. Was auch sehr bemerkenswert ist: der Anteil des weiblichen Geschlechtes hat sich (verglichen mit früher) auch deutlich erhöht. Während das Festival früher anscheinend eine fast reine Männer-Domäne war, erfreuen sich heute auch zahlreiche Mädels am Splash!. Das ist absolut erfreulich.

Ich freue mich hier zu sein und kann es kaum erwarten morgen die ersten Acts zu erleben.

Freitag

Den ersten offiziellen Festival Tag möchte ich eigentlich mit Zugezogen Maskulin auf der Mainstage beginnen und im Laufe des Konzertes zu Said an die Aruba Stage rüber. Jedoch kann ich mich dem Charme des Campingplatzes nicht entreissen und lasse den ersten Tag zunächst ruhig angehen. Man schaut sich in der Nachbarschaft um und knüpft die ersten Kontakte. Die Freude ist allen Besuchern ins Gesicht geschrieben. Ob du nun ein 18 jähriger Neu-Splasher oder ein Ü30-Veteran bist: jeder wird herzlichst empfangen. Die Liebe zur Musik eint die Menge.

Schließlich besuche ich dann um 17:45 Uhr Chefket, der uns von der Hauptbühne aus und von seiner Live-Fähigkeit absolut überzeugt. Ja, Chefket ist wahrlich ein Live-MC, aber dazu später mehr. Spätestens jetzt bin ich endgültig auf dem Splash! angekommen und bin vom Festival-Konzertfieber gepackt. Im Anschluss bleibe ich bei der Mainstage und ziehe mir um 19 Uhr MoTrips Show rein. Die Menge flippt aus und MoTrip begeistert uns. Eine Gänsehaut macht sich auf meinem gesamten Körper breit. Der Tag scheint einen perfekten Lauf zu nehmen. Während es gestern bei der Ankunft noch recht kühl war, scheint heute die Sonne. Alle sind gut gelaunt.

Etwa zur Hälfte der Show geht’s dann schweren Herzens rüber zur Aruba Stage zu den Underchievers. Dieses Jahr fielen mir die Künstler-Entscheidungen allgemein äußerst schwer. Wen schaue ich mir komplett an? Wen nur halb? MoTrip oder die Underchievers? Genetikk oder Joey Bada$$? Haftbefehl oder A$AP Rocky? Kool Savas oder die Flatbush Zombies?

Die Frage der richtigen Wahl beschäftigt während des gesamten Festivals die Menge. Ich entscheide mich zunächst für kurze Flirts an den jeweiligen Bühnen, um dann weiter zu ziehen. Frei nach dem Motto: lieber zwei Shows halb erleben als eine komplett verpassen. So bereue ich auch nicht den Bühnenwechsel von MoTrip zu den Underchievers. Die Jungs aus Brooklyn verkörpern neben den Flatbush Zombies und Joey Bada$$ – anders als die ganzen Trap Künstler – die neue Generation der amerikanischen Oldschool MCs, die auf klassischen BoomBap Beats rappen. Während ich MoTrip natürlich vorher schon kannte und sein neues Album „Mama immer noch aufs äußerste lobe, kannte ich die Underachievers bisher nur von zwei Tracks – und genau hier sehe ich auch den Sinn eines Musik-Festivals: Ich schaue mir nicht nur die mir bekannten Künstler an, sondern habe gleichzeitig die Möglichkeit über meinen musikalischen Tellerrand hinaus zu schauen. Ich entdecke mir nicht bekannte Perlen, indem ich neuen Künstlern eine Chance gebe und mich auf ihre Shows einlasse.

In MoTrips Fall muss ich mich wirklich zwingen seinen tollen Auftritt zu verlassen – doch gleichzeitig bin ich unfassbar froh die Underchievers erlebt und und ihre Musik kennen gelernt zu haben! Der Auftritt macht Bock auf mehr. Die Jungs kommen definitiv auf meine „To Listen“ Liste, wenn ich wieder zu Hause bin. Der Musik-Nerd in mir freut sich jedenfalls wie ein kleiner Junge zu Weihnachten, wenn er gute, neue Künstler für sich entdeckt

Nach den Underchievers geht’s um 20:30 Uhr wieder zur Mainstage zum HipHop-Pflichtseminar bei Professor Dr. DJ Premier und seinem Gast-Dozenten Royce da 5‘9. Die Rap-Combo PRhyme ist nämlich am Start und hierfür müssen G-Eazy und Moneboy, die gleichzeitig spielen, den Kürzeren ziehen.

Zu Money Boy kann gesagt werden, dass sein Auftritt anscheinend eine absolute Frechheit war. Mein werten Kollegen gingen mit dem Vorsatz des Unterhaltungswunsches zur Splash! Mag Bühne. Bei Mone Boy trifft Rap bekanntlich auf Comedy. Sein konsequent ignorant-asozialer Humor bringt die Gemeinde im Netz auf der einen Seite zur Weißglut, während ein nicht kleiner Teil mit einer gehörigen Portion Selbstironie seine Posts mit Jubelschreien empfängt. Der Boy hat auf jeden Fall seine Daseinsberechtigung, doch was er sich mit seiner Präsens auf dem Splash! gedacht hat, wird uns allen wohl ein Rätsel bleiben. Zunächst erschien der Herr aus dem schönen Österreich mit einer argen Verspätung von fast 20 Minuten. Darauf performt dann beinahe ausschließlich seine mitgereiste Entourage (wer nun Medikamenten Manfred und der Hustensaft Jüngling ist, lässt sich nicht genau definieren), während Money Boy sichtlich berauscht hinterm DJ Pult steht. Zu guter letzt gibt es dann noch 2-3 Tracks vom Boy. Die Money Boy-Jünger sind sichtlich enttäuscht.

Anders sieht es hingegen auf der Hauptbühne aus. Bringen wir es auf den Punkt: DJ Premier ist mit Royce da 5’9 in der Prhyme Combo das (persönlich) erste riesige Highlight des Splashs. Quasi der erste große Headliner. DJ Premier bringt die Oldschooler in Ekstase. Allein dafür hat es sich gelohnt hierhin zu reisen.

Beflügelt und euphorisiert von DJ Premiers Show kennt meine Vorfreude auf den nächsten Act keine Grenzen. Es könnte nicht besser sein: ASD ist am Start! Afrob und Samy Deluxe sind wieder vereint! Die zwei Deutschrap-Legenden bringen gemeinsam als zweiter Headliner auf der Hauptbühne die Stimmung noch weiter zum Kochen. Danke an dieser Stelle aber auch an PRhmye! Danke, dass sie uns nach ihrer genialen Show für den anschließenden ASD Auftritt richtig in Fahrt gebracht haben! Die Menge ist heiss auf mehr Rap! „ASD“ Chöre werden eingestimmt und erhallen über den gesamten Platz. Ich verspure eine Gänsehaut am ganzen Körper. Allein dies ist bereits ein Magic-Moment in der 18 jährigen Splash! Historie. Die Show beginnt und die Mainstage befindet sich im Ausnahmezustand. Dabei fanden Afrob und Samy das perfekte Verhältnis zwischen den neuen Tracks ihres jüngst erschienenen Albums „Blockbusta“ und ihren alten Hits. Ob nun „Reimemonster„, „Weck mich auf„, „Legenär/Populär“ oder „Sneak Preview: bei jedem einzelnen Lied bringen ASD die Menge zum Ausrasten. Wir feiern als gäbe es kein Morgen mehr. Der Auftritt Legendär ! ASD Populär!!

Um 23:00 Uhr ist die ASD Show zu Ende. Es war ein Abriss wie er im Buche steht. Wenn man an dieser Stelle Celo zitieren darf: Sie haben alles rasiert! Nun habe ich eine halbe Stunde Zeit zum verschnaufen, denn um 23:30 Uhr verzaubert unser Lieblingsalien vom Mars wieder die Mainstage. Marsimoto verkündet mit seiner Heliumstimme das Motto des Abends: „GREEN SPLASH!“ Grüne und rote Bengalos brennen. Eine giftgrüne Rauchwolke umgibt uns alle. Marsi erscheint mit seiner Live-Band. Allesamt maskiert. Hier offenbart sich uns die wohl beste Bühnenshow des diesjährigen Splashs. Marsimoto bombadiert unser Trommelfell nicht nur mit seinem verspulten, einzigartigen Sound. Nein, hier gibts auch was zu sehen. Die Show ist ein Erlebnis. Spätestens als auch noch Marteria auf der Bühne stand war der „What The Fuck!?“-Moment perfekt! Marsi bringt uns zum staunen. Er nimmt uns mit auf eine Reise, fernab von Raum und Zeit. Ich bin begeistert und kann es kaum fassen. „Grüner Samt“ von Marsimoto wird für mich ein All-Time-Classic bleiben und „Ring der Nebelungen“ führt die Genialität fort. Was die Jungs auf der Bühne hier auf die Beine gestellt haben versetzt mich in Sprachlosigkeit. Um 1:00 Uhr Endet die Reise und Marsi reist wieder in ferne Welten. Möge sein Lieblingsbegleiter stets mit ihm sein, sodass er uns mit einem weiteren musikalischen Meisterwerk beglückt. Die kommende Marsimoto Tour ist auf jeden Fall Pflichtprogramm für mich.

Der Freitag ist bisher ein durchgehender Adrenalinrausch ohne Pause. Kein Künstler hat mich bislang enttäuscht – im Gegenteil. Mein Verstand kann es kaum fassen, was ich hier heute erleben durfte. Die Konzerte sind für heute wohl nun vorbei, doch der Tag ist noch nicht zu Ende! Nach fast fünf Stunden entferne ich mich nun von der Mainstage und bege mich zur Splash! Mag Stage. Hier legen nun die Betty Ford Boys auf. Dexter, Brenk Sinatra und Suff Daddy geben sich hier die Ehre. Nach den Konzert-Marathon des heutigen Tages gibt es nichts besseres als die erstklassigen Beats der Betty Ford Boys. Ich verliebe mich in ihren Sound. Ok, auch hier kommen die Jungs auf meine „To Listen“ Liste, wenn ich wieder zu Hause bin. Mehr noch: ich muss mir ihre Platten auf Vinyl kaufen! Ich bin mehr als begeistert. Obwohl die Betty Ford Boys „nur“ im Anschluss der Konzerte auflegten, gehört ihr Set für mich zu den absoluten Highlights des Splash! 18. Der krönende Abschluss ist der letzte Track, in dem sie aus der Simpsons Titelmelodie einen richtig guten Beat basteln. (Auch zu sehen im Beatfight: Dexter vs. Shuko; Amn. d. Red.)

Einziges Manko: die eisige Kälte! Obwohl der Tag sehr angenehm und sonnenreich war, begann es bereits beim Marsimoto Auftritt recht frisch zu werden. Jedoch war der anschließende Temperaturabfall enorm, sodass die eine Menge Festivalbesucher im T-Shirt (trotz der grandiosen Musik) wieder zum Zeltplatz zurück gehen. Da ich sowas in der Art erwartete, schlüpfte ich geschwind in meinen Hoodie und bouncte weiter zu den Beats der Betty Ford Boys. Doch selbst da war der erste Tag für mich noch nicht zu Ende. Nachdem mich Marsimoto so geflasht hat, wusste ich, dass ich zu Kid Simius gehen MUSS. Es ist hinlänglich bekannt, dass Marterias/Marsimotos Produzent und DJ ein kleines musikalisches Genie sein soll, bei dem die Genres homogen ineinander überfließen. Außerdem gefällt mir der Gedanke den jetzt schon legendären ersten Festival Tag an der Samoa Stage direkt am See zu beenden. Der sichelförmige Mond strahlt am Himmel und während Kid Simius einen Sound auflegt, der mich mit offenem Mund staunen lässt. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mir vorher auch kein Lied von Kid Simius angehört hab. Ich bin auf gut Glück zur Samoa Stage und hab gehofft, dass mir die Musik gefallen wird. Naja, im Grunde dachte ich, dass Kid Simius wohl nicht all zu scheiße sein wird, wenn er für Marsimotos Klang verantwortlich ist. Aber zwischen „nicht scheiße sein“ und „FUCK! Der Junge schießt mich mit seinem Sound gerade in eine andere Sphäre!!!“ liegen Welten.

Während die chilligen Beats der Betty Ford Boys genau das richtige waren um entspannt von der Aufregung der Konzerte runter zu kommen (aber dennoch gleichzeitig zu feiern), passte Kid Simius perfekt für den Abschluss eines rundum perfekten Festival Tages. Musikalisch lässt sich der Sound zwischen klassichen Rap Beats, Dubstep und House einordnen. Alles wird live eingespielt. Hier und da greift sich das spanische Wunderkind auch die E-Gitarre und spielt paar geile Riffs ein. Alles in allem bin ich auch von ihm schlichtweg begeistert. Auch hier schafft es der mir vorher unbekannte Künstler sich auf meine „To Listen“ Liste zu schleichen. Außerdem muss ich den werten Herrn auch unbedingt wieder Live sehen.

Mittlerweile ist es fast vier Uhr in der Früh. Am Horizont erkennt man den nahenden Sonnenaufgang. Wie am gestrigen Tag gehe ich zu Fuß zum Zeltplatz zurück und genieße dabei die Stille auf dem Weg. Ich kann es kaum fassen was ich heute erlebt habe. Ich habe gehofft, dass es toller Tag wird, aber ich hätte niemals zu träumen gewagt eine einzigartige und atemberaubende Show nach der anderen zu sehen. Nun gehts erst mal ab ins Zelt zum schlafen. Mal schauen, was der morgige Tag zu bieten hat.

Teil 2. folgt.