Jeder Rapper macht Werbung für sein kommendes Release – ist ja auch legitim. Aber wieso macht mittlerweile fast jeder Rapper die immer gleiche 08/15-Promo? Wieso findet fast jede Promophase völlig unkreativ und eigenständig nach Schema F statt, das mittlerweile eigentlich jeder durchschaut haben sollte? Warum ist jeder kleine Funken Originalität in einer Promophase etwas besonderes? Und wieso unterscheiden sich die verschiedenen Promophasen höchstens im Aufhänger der obligatorischen Videoblogs? Ich will diese Fragen gar nicht endgültig beantworten oder beantwortet haben, aber ich will diese Denkanstöße mal in den Raum werfen.
Einen starken Song auskoppeln, dann eine radiotaugliche Single und eine, die den sog. „alten Fans“ gefällt. Eine Reihe furchtbar lustiger Videoblogs, einige Infovideos (am besten ein Deluxe Box-Unboxing), Cover, Tracklist und Features nach und nach raushauen und Interviews mit vorbereiteten Standardantworten bei allen üblichen Verdächtigen. Wir Medien berichten inzwischen ja auch über jeden Furz, also wird jede erdenkliche Info gesplittet, um möglichst viel Berichterstattung abzugreifen und dementsprechend möglichst oft bzw. lange im Gespräch zu sein. XY veröffentlicht die erste Hälfte seiner Tracklist – hallo? Geht’s noch?
Warum muss das alles so laufen? Klar, dass man Promo machen muss. Aber warum so verdammt langweilig? Es geht weder nur um die Musik (was mir ohnehin lieber wäre) noch ist da irgendein kreativer Eigenanteil zu finden. Künstler und / oder A&Rs sind vermutlich einfach zu feige, ihre soliden berechenbaren Verkäufe mit origineller, ungewohnter Promo aufs Spiel zu setzen. Hoch zu pokern. Was für Muschis.
Kollegah hat mit seiner durchaus unterhaltsamen Promo-Überdosis eh schon sämtliche Rekorde geknackt – und hat sich dabei was getraut. Diese „Vom Salat schrumpft der Bizeps„-Geschichte zum Beispiel. Dafür hat es Eier gebraucht, das hätte auch nach hinten los gehen können. Stattdessen hat er noch Majoe mitgezogen, der von Kollegahs Promophase weit mehr profitiert hat, als von seiner eigenen, die nicht erwähnenswert war. Vermutlich wird Kollegahs nächste Promophase sehr gemäßigt laufen, weil die „King„-Promo einfach nicht mehr zu toppen ist. Wenn man die mal auf die Quintessenz herunter bricht, war sie eigentlich auch nach Schema-F – nur hat er das Standard-Promophasen Spiel damit durchgespielt. Und er hat sich wie gesagt was getraut.
Worauf ich hinaus will: Diese ganzen langweiligen Nullnummern kennt man doch echt auswendig. Eure Videoblogs sind nicht mehr witzig – und wenn, dann nur über ein bis zwei Episoden. Dazu fällt mir spontan zum Beispiel Summer Cems „Scorpion King„-Reihe ein. Die hatte absolut gar nichts mit dem Album zu tun, war am Reißbrett geplant, einfach weil: „Cem, Bruder, du brauchst auf jeden Fall paar lustige Videos„. Idee, preisgünstige Umsetzung und fertig. Anfangs waren die ja auch noch lustig, der Kanaken-Humor zieht halt – aber über neun Episoden? Dann doch lieber ein paar Infos zum Album – wohlgemerkt nicht zum Inhalt der Box. Unvergessen, wie offensichtlich unwohl sich Genetikk fühlten, als sie ein derartiges Produktinformationsvideo aufnehmen mussten.
Es geht nur darum Welle zu machen, mal mehr, mal weniger originell. „Gschichtn ausm Trailerpark“ oder „Lance Butters hasst“ oder „Dissen für Promo“ oder „Orsons Classics“ oder oder oder. Dann gibt es natürlich noch die ganze hohe Kunst: Gesellschaftlich so relevant zu sein, dass ein kleiner Skandal völlig ausreicht, um in die Klatschspalten der Republik einzudringen. Bushidos Lieblingsmove.
Ein aktuelles Musterbeispiel für originelle, unterhaltsame und intelligente Promo gibt es auch: K.I.Z., die ihre Promophase als kommunistische Propaganda inszenieren. „Das Kannibalenlied“ und diverse Botschaften an Hater, Fans und Jugend sind erfrischend unterhaltsam, selbstständig und provokant. Da wird die Promophase ad absurdum geführt und das Motiv der Propaganda zur Kritik an ebenjener. Es gibt einen roten Faden, einen nie da gewesenen Aufhänger. Da wurden sich Gedanken gemacht, ohne zu krampfhaft auf irgendeine Zielgruppe (haben K.I.Z. überhaupt eine richtige Zielgruppe?) hin zu kalkulieren. Die Erklärung kann ich mir an dieser Stelle eigentlich sparen – vergleiche einfach mal die „Hurra die Welt geht unter„-Promo mit der von Hengzts „Musik wegen Weibaz„. Okay, das Cover mit den küssenden Männern hat für ordentlich Gesprächsstoff gesorgt – versehentlich – aber die eigentliche PR bestand aus einer unerträglichen Menge an Studio-, Live-, Unplugged- und normalen Video-Versionen von soften Sommerhits.
Das hier ist gar keine Hasstirade, sondern eher ein Appell: Zieht euch den Stock aus dem Arsch, findet eure Eier wieder und schmeißt eure Köpfe an. Überlegt euch etwas kreatives, statt immer dem gleichen Trott zu folgen. Riskiert mal was und lasst euch nicht alles von euren A&Rs diktieren, die nur wirtschaftliche Interessen verfolgen. Diese ganze beschissene Schema-F-Promo ist nämlich eine Frechheit, die ihren Zenit zudem längst überschritten hat.