Die Deutschrap-Blase steigt unaufhaltsam und macht keine Anstalten zu platzen. Das zog natürlich auch das ein oder andere Comeback nach sich. Curse, Denyo, Nico Suave, Ferris MC und viele andere betraten die Deutschrap-Bildfläche nach Jahren der Abwesenheit erneut. Einige wünschenswerte Comebacks lassen aber auf sich warten. Denen widmen wir uns in der Reihe “Deutschrap-Comebacks, auf die wir warten“.
Hollywood Hank hat eine eingeschworene Fangemeinde, die ihn regelrecht verehrt. Nicht ganz zu unrecht. Sven Pingel war schon immer mysteriös – allerdings nicht auf eine Maskenträger-Image Art. Es existiert genau ein Interview vom bekennenden Soziopathen. Ebenfalls nur ein einziges, amateurhaftes Musikvideo. Live trat er fast nie auf. Seine Alben-Cover zierte er stets als psychopatische Clown geschminkt. Sein Gesicht kannte man trotzdem. Doch das größte Mysterium waren und sind eigentlich seine Texte. Wie ernst sind Zeilen wie „Mein Logo ist kein Sägeblatt, mein Logo ist ein Hakenkreuz“ zu nehmen? Das kann wohl keiner – vielleicht nicht einmal Hank selbst – so genau sagen.
Wenn man Hollywood Hank unbedingt in eine Schublade stecken müsste, dann wäre es wohl „Horrorcore-Punchlinerap“ oder „Hardcore Entertainment“, wie er selbst gerne (und mittlerweile vielfach gesamplet) ins Mic rotzte. Aber eigentlich sprengt der Ostdeutsche jegliche Rahmen, in die man ihn zwängen könnte. Ein beinahe unerreichtes technisches Niveau – zwar nicht immer ganz sauber, aber hörbar spontan aus dem Ärmel geschüttelt – ein einzigartig intuitiver Flow, durchsetzt von geflexten Passagen und ein Humor, so schwarz und kompromisslos, wie kein anderer.
Als RBA-Legende mit hervorragenden Connections im Untergrund, kamen Kollabo-Projekte mit JAW und Favorite zustande. Sein Soloalbum „Soziopath“ gilt als unumstößlicher Untergrundklassiker. Man kann Hanks Alben auch zum hundertsten Mal hören – früher oder später wird einem eine Punchline, ein unvorhersehbar lustiger Reim oder ein Wortspiel auffallen, das man bis dato nie wirklich wahrgenommen hatte.
„Ich bin so romantisch, ich frag Frauen sogar vor dem Geschlechtsverkehr, ob sie was dagegen haben – sowas wie Pfefferspray“
Hollywood Hank erschuf Tracks, bei denen man zuhört – nicht weil sie sonderlich gehaltvoll sind, sondern weil sie so verdammt rough und zugleich unterhaltsam sind. Die gelegentlichen Einblicke in seine Psyche – ob Kunstfigur oder 100% authentisch ist nicht ersichtlich – machen den „letzten tighten Arier“ um so interessanter.
Die selbstproduzierten, rohen und zugleich kraftvollen Beats unterstrichen Hanks Mutter-Geficke, Gewalt- und Drogenexzesse und die Seitenhiebe gegen unliebsame Rapkollegen perfekt in ihrer rücksichtslosen, unkalkulierten Art und der wuchtigen Wortwahl. Wenn HollywoodsFinest, so sein altes Pseudonym, dann plötzlich reflektiert und merklich berührt aus der Sicht eines Amokläufers oder eines vom Vater vergewaltigten Kindes rappt, dann sind das intensive Gänsehaut-Momente, wie sie kaum ein anderer erzeugen kann. Hank prägte ein ganzes, irgendwie eigenes, Subgenre in Deutschland. Der personifizierte Underground.
Ende letzten Jahres betrat Pingel die Bildfläche erneut unter dem Alter Ego Bak Ta Ehli. Als Friedensbotschafter gegen Gewalt, Rassismus, Sexismus, Drogenkonsum und alle anderen bis Dato propagierten Inhalte. Genaueres lässt sich hier nachlesen. Plötzlich schossen Experten aus dem Boden, die alle schon immer gewusst haben wollten, dass Hank „der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten“ wollte und nichts von alledem jemals ernst gemeint gewesen sei. Gegenstimmen, die der Meinung waren, Hank würde sich lediglich einen Scherz erlauben und Bak Ta Ehli als eine Art Parodie verwenden, wurden mit einem „Du hast Hank nicht verstanden!“ im Keim erstickt.
Dumm nur, dass die Gegenstimmen Recht behielten. Ein Comeback war das so oder so nicht. Ein richtiges Comeback von Hollywood Hank, der seit seinem letzten Release („Menschenfeind“ mit JAW) lange Zeit im Gefängnis saß und mittlerweile eine Ausbildung absolviert, das wäre ein Deutschrap-Comeback, auf das wir warten. Mit aller Härte und Kompromisslosigkeit, die wir so zu schätzen wissen.