Eigentlich sind ja die großen bürgerlichen Medien in Deutschland dafür bekannt, dass sie gerade dem HipHop-Element des Sprayens kritisch gegenüberstehen. Schließlich ist es gesetzlich verboten. Das Süddeutsche Zeitung Magazin zeigt aber, dass das nicht immer so sein muss. In ihrem Artikel „Farbenlehre“ der aktuellen Ausgabe, Heft 15, geht es um einen Vater, der seinen Sohn beim Taggen begleitet – und für ihn Schmiere steht.
Es ist eine schön geschriebene Reportage , die das Sprühen nicht problematisiert oder kriminalisiert. Im Gegenteil, das Hobby des Sohnes hat erzieherische Vorteile: Der Vater konnte seinem Sohn den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant – „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ – nahe bringen, als er ihm erklärte, dass es nicht gut sei auf sauberen Häuserfassaden zu sprühen. Das klingt dann umgangssprachlich etwa so: „Stell dir vor, bei uns zu Hause würde irgendjemand …„.
Der Text weist auch auf eine Doppelmoral im gesellschaftlichen Umgang mit der Graffiti-Kunst hin. Wenn zum Beispiel die Zeitungen etwas über gierige Banker schreibe, werde der Artikel häufig mit einem Graffito von Geld fressenden Monstern illustriert, schreibt der Vater, der lieber anonym bleibt. Zu Illustrationszwecken also sei die Kunstform durchaus erwünscht. Wenn die Zeitungen aber berichten würden, dass ein 21- und ein 22-Jähriger in Singapur mit Stockschlägen bestraft werde, weil sie einen U-Bahn-Waggon angesprüht haben, hagele es Leserbriefe, die solche Strafen auch in Deutschland fordern. Diese menschenverachtenden Reaktionen konnten auch wir nicht einfach so stehen lassen. Wir schrieben dazu den Kommentar „Wie Graffiti das Volk erzürnt„, den du hier lesen kannst.
Es wird auch auf die Ästhetik der bunten Wände hingewiesen, der Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg wird zitiert: „Du stehst in der U-Bahn, alles ist grau und düster und plötzlich hält einer dieser Graffiti-Züge und erhellt den Platz wie ein großer Blumenstrauß aus Lateinamerika.“ Das lassen wir, in Anlehnung an eine durch und durch verlogene Kampagne der BVG zur (inzwischen gescheiterten) Olympiabewerbung Berlins, einfach mal so stehen.