Hengzt und die Folgen: Homophobie war noch nie cool (Kommentar)

Seit Jahren erheben vereinzelt Rapper ihre Stimme gegen die Schwulenfeindlichkeit in ihrer Szene. Nun steigt die Anzahl der MCs, die von der immer noch verbreiteten Salonfähigkeit von Homophobie im Rap nichts halten, aber spürbar an. Das gibt Anlass zur Hoffnung.

Am Sonntag Abend veröffentlichte Bass Sultan Hengzt das Cover seines neuen Albums „Musik wegen Weibaz“: Ein Hasenmaske-tragender Mann neben einer jungen sommerlich gekleideten Frau ist darauf zu sehen. Wenige Stunden später lud B. S. H. auf Facebook und Twitter ein weiteres vermeintliches Albumcover hoch, auf dem sich zwei Männer küssen. Ein schwulenfeindlicher Shitstorm, der in die Abgründe der deutschen Rap-Szene blicken ließ, folgte. Dass manche Homosexualität als Krankheit – wissenschaftlich widerlegbar – bezeichneten, gehörte noch zu den harmloseren Äußerungen. Diese Explosion der Schwulenfeindlichkeit war selbst dem Bundesvorsitzenden der Grünen Cem Özdemir und der Wochenzeitung Die Zeit eine Meldung auf Twitter wert.

Ursprünglich war das Hochladen des Fotos der zwei küssenden Männern „eher als Scherz gedacht“, wie Bass Sultan Hengzt gegenüber rap.de erklärte. Ein guter Freund habe ihm das bearbeitete Bild via Whatsapp geschickt. Der Berliner Rapper fand das Foto „irgendwie lustig“ und hat es „dann einfach online gestellt ohne großartig nachzudenken“. Eine spontane Idee, die weitreichende Folgen hatte, wie alle sehen konnten. Doch wie sehen die Hintergründe aus?

In Sport, Militär und Politik dominiert nach wie vor das männliche Geschlecht. Im Rap ist das auch so. Für Frauen ist da wenig Platz. Der klassische Weg zum Ruhm im Rap – mittlerweile gibt es einige Ausnahmen – führt über die Inszenierung einer übersteigerten Männlichkeit: Beleidigungen, eine Macho-Attitüde und das Abstellen jeglicher Gefühle außer der Aggressivität gehören dazu. Die Worte gay, schwul, Homo oder Schwuchtel verwenden viele Sprechgesangskünstler gerne beleidigend, vor allem im Battle-Rap. Als imaginäres Feindbild hat sich vor allem der Homosexuelle als verweiblichter Mann im Rap durchgesetzt.

Als Nora Hantzsch Studentin an der Berliner Humboldt-Universität war, verfasste sie 2009 eine wissenschaftliche Arbeit über die Homophobie in der deutschen Rap-Szene. Hantzsch ist auch bekannt als Sookee, eine Rapperin, die sich gegen die Homophobie und den Sexismus der Szene stemmt. Hier ein Hörbeispiel: „Pro Homo“ (2011), das sie mit Tapete gemacht hat.

Homosexualität ist im Rap ein absolutes Tabuthema“, schreibt sie in ihrer Auseinandersetzung mit der HipHop-Homophobie. Ein Rapper, der sich geoutet habe, sei ihr nicht bekannt. Sie weist außerdem darauf hin, dass Kritik an der Homophobie innerhalb der Szene lange Zeit ausgeblieben sei. Sexismus oder Rassismus seien dagegen schon früher thematisiert worden.

Fettes Brot haben ihr zufolge mit „Schwule Mädchen“ (2002) zum ersten Mal ein Track gegen die anti-schwule Haltung des deutschen Raps gemacht. Die Hamburger Rapper bezeichnen sich in diesem Song selbstironisch als schwule Mädchen. Damit schlugen sie ihre Kritiker, die der Rap-Gruppe vorwarfen, dass ihre Musik zu soft geworden sei, mit den eigenen Waffen.

Vor drei Jahren fingen vermehrt Rapper an, in Interviews mit großen Zeitungen die Homophobie der Hip-Hop-Szene zu verurteilen. „Ich stehe krass gegen Sexismus, Homophobie oder sonstiges Randgruppen-Bashing“, sagte beispielsweise Casper in der Zeit. Das war 2013. Ein Jahr später fragte ein Redakteur von Jetzt.de, das Online-Magazin der Süddeutschen Zeitung, Marteria, ob seine Rap-Kollegen ihm es übel nehmen würden, dass er sich auf „OMG!“ schwulenfreundlich äußere. Der gebürtige Rostocker antwortete: „Ja, ist ja klar. Aber mir ist es relativ egal, was andere darüber sagen. Ich versuche zu vermitteln, was ich denke, nur so kann ich gute Musik machen.

Und aktuell gibt es mehrere Rapper, die sich über die Salonfähigkeit des Schwulenhasses im Hip-Hop lustig machen – auch musikalisch. Money Boy machte in letzter Zeit zum Beispiel mit seinem Kollegen Juicy Gay mehrere Songs mit homoerotischen Inhalten. Seine Haltung zur Homosexualität ist aber unklar. Auf Twitter äußert er sich weiterhin auch schwulenfeindlich – offenbar aber nicht mit ernsten Absichten.

Zugezogen Maskulin, das Rapperduo bestehend aus grim104 und Testo, zeigen der Homophobie in den ersten Sekunden ihres gerade erschienenes Album „Alles brennt“ mit den Zeilen “Du kommst in den Backstage und schaust erst mal dumm / Denn ich mach’ grad’ mit dem Backup deiner Vorgruppe ‘rum” die rote Karte.

Mit seinem homoerotischen Albumcover – das keines ist – reiht sich Bass Sultan Hengzt nun ebenfalls – wenn auch unabsichtlich – in diese fortschrittliche Deutschrap-Bewegung ein. Vielleicht ist er sogar der Kurioseste in dieser Liste. Aus seinem Mund kam 2004 noch die Zeile „Blas Schwanz, schwule Sau, Schwuchtel, Arschloch!“. Die Rede ist vom Lied „Du bist ein …“ auf dem neben ihm noch Silla, She-Raw, King Orgasmus One mitwirkten. Gegenüber rap.de betonte B. S. H., dass er „noch nie“ schwulenfeindlich gedacht habe. Hinsichtlich der HipHop-Homophobie fragt sich der Rapper, ob es „ein typisches Macho-Verhalten ist, um einen auf obercool zu tun, oder, ob die Leute das aus vollen Herzen Ernst meinen“.

Elmo, der ältere Bruder von MoTrip, rappt in „Frank Ocean“ mit der Sängerin Lito aus seiner im Januar erschienenen EP „+-0“ darüber, wie unreflektiert die Schwulenfeindlichkeit seiner Jugendtage war. In seinem Lied äußert er sich sehr bedacht und tolerant zur Homosexualität. Er weist auch auf einen inneren Widerspruch vieler Homophoben hin: „Ich fand Schwule eklig, aber Lesben nicht.

Es gibt also durchaus deutsche Rapper, die dazu beitragen, dass ihre Szene sich von einem seiner größten Mankos – der Homophobie – befreit. Ein weiterer Schritt in diese Richtung könnte eine öffentliche Stellungnahme nicht homophober Rapper und deren Fans sein. Sie können über ihre Facebook-, Twitter- und Instagram-Profile ein Foto von sich, auf dem sie eine selbstgeschriebene homofreundliche Zeile vor sich halten, hochladen. Den Post könnten sie mit #GayOkay oder #ProHomo betiteln. Es würde der deutschen Hip-Hop-Szene gut zu Gesicht stehen, wenn sie weiterhin gegen die Homophobie ankämpfen würde. Dann könnte man irgendwann vielleicht sogar sagen: „Rap war mal schwulenfeindlich.“ Und nur die Älteren würden sich noch daran erinnern, was Rap mit Homophobie einst zu tun hatte.