„Ich bin wieder back mit dem coolsten Tape“ rappt Cro in der Hook von „Drinks auf mich„. Und ja, verdammt. Da hat er recht. Niemand kann das bestreiten. Schon deshalb, weil niemand anderes Mixtapes herausbringt. Warum eigentlich? Während gestandene Ami-Rapper sich nie zu schade waren und sind, kostenlos neue Songs unters Volk zu bringen, selbst ein Lil Wayne in seinen besten Zeiten es nicht unter fünf Mixtapes im Monat machte und ein Rick Ross gar bessere Mixtapes als Alben droppt, scheinen deutsche Rapper immer noch zu geizig oder zu ängstlich zu sein. Schade eigentlich, denn wie zahllose Beispiele jenseits des großen Teichs belegen, funktioniert das Prinzip absolut. Auch und gerade im kommerziellen Sinn. Wer etwas schenkt, tut dies selten ohne jede Gegenleistung, zumindest auf längere Sicht.
Cro jedenfalls, der immer noch unverschämt erfolgreiche Stuttgarter Panda, hat sich entschieden, ein Mixtape zum kostenlosen Download anzubieten. Und man kann jetzt schon festhalten, dass dieser Move gut angenommen wird – nach drei Tagen soll es bereits 100.000 Mal heruntergeladen worden sein. Wie nicht anders zu erwarten, ist „Sunny“ ein sehr sommerliches, sprich melodiöses Stück Musik. Es fällt aber auf, dass Cro noch mehr als auf seinem Debütalbum „Raop“ seine Rap-Skills in den Vordergrund gerückt hat. Das beginnt bereits im ersten Song „Für immer hier„, in dem Cro wieder mal seinen Doubletime-Flow auspackt, mit dem er schon im Intro von „Raop“ den einen oder anderen Hater das Maul gestopft hat. Und hört bei Tracks wie „Drinks auf mich“ oder dem voller Old School-Flavor steckenden „Stehtisch-Freestyle“ nicht auf.
„Sunny“ ist insgesamt Rap-lastiger und weniger catchy als „Raop„. Vor allem aber ist es reflektierter. Cro beschäftigt sich durchaus mit dem, was seine Hater im vorwerfen, nicht schuldbewusst oder selbstmitleidig, sondern eher mit einem Achselzucken: Was wollt ihr denn von mir? Kann ich was dafür, dass ich mit meiner Musik zur rechten Zeit am rechten Ort war? Kann ich was dafür, dass ich einfach oft gute Laune habe? Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: „Sunny“ ist kein mixtapegewordener Rechtfertigungsversuch eines sich unverstanden fühlenden Erfolgreichen. Kein bisschen. Aber ein Jahr nach dem schier märchenhaften Durchmarsch seines Debütalbums ist es für Cro offenbar Zeit, ein paar Dinge Revue passieren zu lassen.
Besonders deutlich wird das im Titeltrack, der sich an die in seinem Überhit „Easy“ besungene unbekannte Schönheit richtet, bei der er sich für den Erfolg bedankt. Gleichzeitig betont er aber auch, dass Geld für ihn keine Rolle spielt. Gut, kann man leicht sagen, wenn man welches hat. Klar. Trotzdem nimmt man es dem unbekümmerten Jungen weiterhin ab, dass er sich im Falle eines plötzlichen Bankrotts einfach auf sein Skateboard stellen und davonfahren würde, womöglich in eine noch goldenere Zukunft.
In „Was geht“ präsentiert er sich dann auch als der ganz normale Junge von nebenan, mit ganz normalen Freunden, die Sex haben, Drogen nehmen, Bier trinken und eine gute oder auch mal nicht ganz so gute Zeit haben. Cro ist immer noch Carlos aus dem Block, darauf legt er Wert. Abgehoben klingt definitiv anders. Und er hat immer noch ein sehr gutes Gespür für Hits. Das beweist er vor allem mit den flott geschnippelten Soul-Samples, etwa auf dem bereits mehrfach erwähnten „Drinks auf mich„, dem gar nicht mal so heimlichen Hit des Tapes. Unwiderstehlich nach vorne prescht der, und mit der Line „Jap genau, du denkst, du bist Jay/ jap genau, ich denk‘ du bist gay“ wird es für Cros Verhältnisse geradezu aggressiv.
Abgsehen von seinem Versuch, einen Sextrack aufzunehmen („Du & ich„), der hauptsächlich an seinem schwäbischen Akzent scheitert und ein weiteres Mal beweist, dass Dialekt und Erotik schlecht zusammengehen, ist „Sunny“ ein wunderbar rundes Stück Musik geworden, dass trotz einiger nachdenklicherer Stellen immer noch jene Unbekümmertheit und glaubhaft gute Laune versprüht, mit der Cro seinen Ruhm begründet hat. Haters gone hate – aber wer zum Badesee fährt und noch nach Beschallung sucht, wird hier definitiv fündig.