Eko Fresh und die Deutschrap-Szene – das war nicht immer ein einfaches Verhältnis. Schon als Savas den damals gerade mal 17jährigen Newcomer vorstellte, hagelte es Protest. Zu lässig, zu frech, zu arrogant lauteten die Vorwürfe der Hater. Gut, das ist Standard. Aber nach dem Zerwürfnis mit dem einstigen Mentor und dem folgenden jahrelangen Streit sah es zeitweise wirklich so aus, als habe Eko alle Sympathien verspielt. Viel schlimmer war für den neutralen Beobachter, der sich um Beef und Hateration nicht weiter schert, aber, dass Eko sein offensichtlich ungewöhnlich großes Talent nie so richtig ausspielte. Oft hatte man den Eindruck, er wolle es zu vielen recht machen, wolle sich oder anderen zu viel beweisen. Schon mit den beiden letzten Alben „Ekrem“ sowie „Ek to the roots“ hatte er sich jedoch spürbar von diesem Druck freigemacht.Mit „Eksodus“ liefert er nun sein bestes und rundestes Album ab. Gewissermaßen sein Meisterstück.
Dabei blickt er schon im Intro milde auf seine eigenen Lehr- und Wanderjahre zurück. Der Beat, den Phat Crispy da gezimmert hat, weckt Erinnerungen an die Hamburger Schule des Deutschrap – zu Ekos Anfangszeiten noch der erklärte Feind. Doch mit dem Alter kommt bekanntlich die Weisheit und die Einsicht. Heute kann Eko locker und unbeschwert zu seinen frühen Einflüssen stehen. Das ist die Message, die dieser Beat vermittelt. Mal ganz abgesehen davon, dass er einfach gut ist. Ein bisschen witzig ist das ja ohnehin: Wo Eko früher die Provokation schlechthin für jeden vermeintlich realen Keeper war, da setzt er heute voll auf die klassischen HipHop-Werte. Mit einer opportunistischen 180-Grad-Wendung oder gar Anbiederung an einen vermeintlichen Zeitgeist hat das jedoch nicht im geringsten etwas zu tun. Es ist das Ergebnis eines Reifeprozesses, eines zu sich selbst Findens, eines Ankommens im Jetzt und Hier, was einen souveränen Blick auf Vergangenes wie erlittenes Unrecht erlaubt.
Denn Eko ist auf „Eksodus“ so souverän wie noch nie. Er bestimmt selbst die Themen, er setzt die Akzente, wie es ihm passt, er gibt den Takt vor, der zu ihm passt. Und die Entscheidung, die Featuregäste auf eine Extra-CD zu packen, kommt der Kohärenz und Selbstbestimmheit von „Eksodus“ sehr zugute. Da ist nichts gekünsteltes, nichts gewolltes an diesem Album. Wenn Eko auf den „101 Bars“ oder auf „Jetzt bin ich dran“ einleitend klarstellt, wer er ist und wofür er steht, dann ist das absolut nicht aufgesetzt. Sondern einfach nur die passende Einleitung eines Albums, das weit über persönliche Standortbestimmung hinausgeht. Eko vergewissert sich selbst noch mal in „Der wahre Weg„, dass er trotz mancher Fehler und Irrwege im Grunde das einzig Wahre, das Richtige getan hat – und dann geht es erst richtig los.
Dass der Kölner ein begnadeter Texter, ein Styler vor dem Herrn ist, ist nichts neues. Und genau diese Seite lässt er im Hauptteil des Albums voll raushängen. Wenn er auf „E.K.O.“ die gesamten drei Strophen über die drei selben Endreimsilben durchzieht, wenn er in „3 in 1“ mit den Klischees und dem Schubladendenken im Deutschrap spielt, wenn er ein Flowmanifest wie „Läuft/reicht“ loslässt, dann ist das weit mehr als Kunsthandwerk oder Reime um des Reimens willen. Es ist Entertainment auf hohem Niveau, Rap für Rapfans, dabei nicht krampfhaft gewollt, sondern locker aus der Hüfte geschossen.
Da aber auch das nicht wirklich albumfüllend wäre, lässt Eko auf „Eksodus“ eine weitere seine Stärken zum Tragen kommen, und zwar genau die, die womöglich bisher zu wenig Beachtung in seiner Karriere fand: Humor. Und zwar nicht die schenkelpatschende Heiterkeit mit derben Witzchen, sondern die feinste Variante davon, die Ironie, vor allem auch die Selbstironie. So ist „Quotentürke“ der längst überfällige Beitrag zur mittlerweile unerträglich gewordenen Migrationsdebatte. Das soll Sarrazin mal in seinem Wohnzimmer pumpen. Am besten nackt. Mit „Kein Plan“ hingegen schafft Eko das Kunststück, einen Song über Sex aufzunehmen, der nicht nur nicht peinlich, sondern tatsächlich sogar lustig ist. Okay, der Effekt, dass das Ende jeder Zeile dem Anfang einen neuen Sinn verleiht, nutzt sich nach ein paar Mal hören natürlich ab. Wer lacht schon dauernd über denselben Witz? Darum aber geht es auch gar nicht. Der Song beweist, dass Eko seine Rolle als lieber Kerl mittlerweile einfach annehmen kann – und aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke macht.
Und wie in allen witzigen Menschen steckt in Eko auch ein Melancholiker. Diese Seite zeigt er in Songs wie „Guten Morgen“ mit Julian Williams (Ex-J-Luv) oder auch dem wehmütigen „Alte Zeit„. Allerdings ist es eine sehr sanfte Melancholie, die da durch die Zeilen spricht, vergleichbar mit einem schönen, sonnigen Herbsttag. Und die endgültige Abrundung von „Eksodus“, das durch seine Vielseitigkeit besticht, die nie in Wahllosigkeit oder Beliebigkeit ausartet.
Wer dann noch nicht genug hat und auf die vollen Gästelisten inklusive diverser Ami-Features steht, der kann sich dann auch noch „Jetzt kommen wir auf die Sachen – zusammen“ geben. Im Grunde ist die Bonus-CD zwar verzichtbar, für viele Hörer mag es aber spannend sein, Eko neben Weggefährten wie Farid, Bushido, Azad, Caput, Massiv, MoTrip, Ali As oder Shindy sowie seinen Ami-Idolen Cassidy, Lil Eazy E, Cuban Link oder Nine zu hören. Warum auch nicht, verdammt. Mit „Eksodus“ ist Eko Fresh ein so gutes, stimmiges und schlüssiges Album gelungen – der darf jetzt ohnehin alles. Sogar noch ein weiteres 2Pac-Album raushauen. Sollte „Eksodus“ – wie hier und da angedeutet – sein letztes Soloalbum bleiben, wäre es der perfekte Abschied. Man soll ja aufhören, wenn’s am Schönsten ist. Andererseits wäre das verdammt schade. Jetzt, wo endlich alles stimmt.