Zur Zeit läuft es im Hause Selfmade wie am Schnürchen. Das letzte Release „Jung, brutal, gutaussehend 2“ verkauft sich immer noch wie geschnitten Brot und mit „D.N.A.“ vom Duo Genetikk steht auch schon der nächste Kandidat für den ganz großen Coup in den Startlöchern. Die Erwartungen sind nach dem bereits veröffentlichten Snippet, der Featureliste, die unter anderem mit einem Gastpart von Wu-Tang Gründungsmitglied RZA aufwartet und den Vorab-Tracks natürlich enorm.
Genetikk scheint das aber nicht aus der Ruhe zu bringen. Bereits beim Intro und dem darauffolgenden Track „Spezies“ wird deutlich, dass das Duo HipHop auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringt. Ein MC, ein DJ und fertig ist die Sache. Gimmicks, Faxen, Effekte? Lass mal. Dazu kommen noch hochwertige Beats und Produktionen. Denkbar einfache Formel eigentlich – aber wie man in der Praxis sieht, nicht immer denkbar einfach umzusetzen.
Bereits das Intro überzeugt mit druckvollem Bass, knallenden Snares und Scratch-Einlagen. Auch Tracks wie „Spezies“ und „Yes Sir“ tropfen vor Dopeness nur so. Gerade „Yes Sir“ zeigt eindrucksvoll, wie stark sich das Duo weiterentwickelt hat. Es gibt knallende Bässe gepaart mit druckvollem Stimmeinsatz und dem notwendigen Spritzer Aggressivität. Das Ganze schlägt einen Bogen von klassischem Backpack-Rap zum Straßen-Shit. Generell fällt es schwer, das Album irgendeinem vermeintlichen Subgenre zuzuordnen. Es bietet Einflüsse diverser Rapstile wie -epochen und bleibt dabei immer eigenständig.
Mit „Packets in the Boots“ gibt es dann sogar den ultimativen Kopfnicker Track auf die Ohren. Das bereits breit angekündigte Wu-Tang Feature RZA bietet dabei leider nicht die erwünschte Offenbarung, ist aber trotzdem sehr solide. Und auch Karuzo funktioniert auf diesem Battlesound-lastigen Tracks perfekt. Die Mischung aus arroganter Ignoranz und Gedisse gegen Kommerz und Whack MCs ergibt ein absolutes Highlight von „D.N.A.„.
Die Jungs lieben einfach die HipHop Kultur, das beweisen die zahllosen Anspielungen und Verweise auf Klassiker und ehemalige Hits, die die beiden feiern und auf ihrer Platte eine ganz eigenen Note geben. Sei es der Anfang vom Titeltrack „D.N.A.„, der mit einer „Füchse“ Hommage daher kommt oder einzelne kurze Passagen, die immer wieder Rapklassiker aufgreifen.
„Scheiß auf jeden, ihr seid alles keine Member/ Macht Mukke für den Sommer/ ich nur für November. Immer wenn es regnet musst du an mich denken/ von Bling Bling und Strass lasse ich mich nicht blenden/ Eure Welt ist bunt, alle sind glücklich und zufrieden/ dann sag mir warum gibt es auf der Welt keine Liebe? „(Packets in den Boots).
Etwa bis zur Hälfte macht das Album einfach unverschämt viel Spaß. Die Jungs zerlegen damit locker so ziemlich alles, was zur Zeit sonst so an Deutschrap-Releases rausgekommen ist. Man merkt wie hungrig und frisch Karuzo und Sikk sind. Namentlich gedisst wird übrigens auf dem kompletten Album nicht – hat man offenbar gar nicht nötig.
Leider gilt diese Lobeshymne aber nur bis zu Track 12, dem bereits veröffentlichten „Liebs oder lass es“ mit Sido. Ab da beginnt die Platte leider ein wenig zu schwächeln. „Lieb es oder lass es“ ist einfach die typische Radiosingle, die durch einen für Genetikk-Verhältnisse recht banalen Text und Sidos soliden, aber durchaus nicht herausragenden Part zum Rest abfällt. Während in den Vorgängertracks noch ordentlich auf die Kacke gehauen wurde und ein trockener Fick auf Massenkompatibilität gegeben wurde, bricht der Song leider mit dieser Linie.
Dass der nächste Track „Alles möglich“ danach gleich wieder die düstere Schiene aufgreift und thematisch mit am schwersten zu verdauen ist, ist zwar sehr zu begrüßen, lässt den Vorgänger aber noch unnötiger erscheinen. „Alles möglich“ ist ein sehr intensiver Seelenstriptease, der einen Blick auf Karuzos nicht unbedingt harmonische und heitere Kindheit wirft.
„Du bist weg“ setzt diesen Weg dann konsequent fort. Thematisch dreht sich der Track um den frühzeitigen Tod eines Kindes. Bis zur Hook wunderbar umgesetzt, leider passt eben diese Hook nicht wirklich in das anspruchsvolle Konzept, was vor allem an den recht platten Worten liegt. Mit „Strawberry Fields“ wird das Steuer aber endgültig wieder herumgerissen. Ein drückender Beat mit bitterbösen Texten und kampfeslustigen Flow. Einfach purer In-die-Fresse-Rap – und das ist dann auch mal wieder einfach gut so.
„Ich will nur weit weg und meinen Frieden wiederfinden/ dort wo die Sirenen ihre Wiegenlieder singen/ Mein Hippie-Daddy hat geschworen, dass es sie gibt/ Ich such schon mein Leben lang nach diesen Strawberry-Fields./ Doch wenn einer glaubt er kann mich in die Knie zwingen/ werde ich seine Seele seinem Schöpfer wiederbringen/ Mein Hippie-Daddy hat geschworen, dass es sie gibt./ Ich schaufel eure Gräber auf den Strawberry Fields.“ (Strawberry Fields)
Mit „Kappa Alpha Rho“ sowie dem „Outro“ wird es dann zum Schluss leider noch mal etwas seicht. Erstgenannter Track ist nicht mal ansatzweise so interessant wie seine Vorgänger. Ernüchternd plätschern die Raps vor sich hin und auch textlich ist da nichts großartig neues vorhanden, was man nicht schon aus vorherigen Tracks kennt. Mit dem Outro zeigt dann ausgerechnet der Alleskönner MoTrip, dass auch er mal einen schwächeren Tag erwischen kann. Klingt beinahe schon lustlos – schade.
Die wenigen Ausfälle verhindern jedoch nicht, dass Genetikk mit dieser Platte ein Meisterwerk hingelegt haben und im Vergleich mit „Voodoozirkus“ noch mal eine ordentliche Schippe drauflegen können. Dazu kommen die druckvolle Stimme und der lässige bis nachlässige Flow von Karuzo. Durch die Verschmelzung verschiedener Stile und Motive wird die Platte unglaublich vielseitig und interessant. Hätte man die Platte von 18 auf 14 Tracks reduziert, dann hätten Genetikk mit „D.N.A“ einen absolut perfekten Deutschrap-Klassiker hingelegt. So reicht es immer noch zu einem heißen Anwärter aufs Album des Jahres. Und vielleicht kann beim nächsten Mal ja Rick Rubin helfen, noch einen kleinen Tick fokussierter vorzugehen.