00:00. Mitternacht. Die Stunde Null. Mit der Null beginnt alles, mit ihr endet alles. Vom Nichts ins Nichts, sozusagen. Eine passende Wahl also, die Timeless für den Titel seines Debütalbums getroffen hat. Rein optisch hebt sich „00:00“ merklich von den anderen Releases seines Labels Freunde von Niemand ab. Statt grauem Beton und einem düsteren, wolkenverhangenen Himmel dominiert ein frisches Hellblau, in Kombination mit einem ebensofrischen Orange.
Dass Timeless trotz all dieser Farbenfreude ein waschechter Freund von Niemand ist, beweist er jedoch gleich im Intro „00:00„: Die Disses an Muso und SAM sollen wohl Grenzen ziehen, wirken allerdings etwas bemüht und unmotiviert, wie eine lästige Pflichtübung. Dankenswerterweise verzichtet Timeless in seinem weiteren Vortrag aber auf sonstige Angriffe. Seine Stärken liegen ohnehin nicht im Battlebereich, sondern erstens in seinem präzisen Flow, zweitens in seiner leicht rauen Stimme und drittens seiner Themenwahl – ja, es geht um Weiber, Wein und wilde Feste, aber stets mit einem Schuss Melancholie, einem Blick für die Schattenseiten des vermeintlich schönen Lebens, einer Träne in der Knopfleiste des Polohemds.
„Schwarzer Schwan“ zum Beispiel schafft es, durch gezielten Einsatz der Stimme eine geradezu atemberaubende Atmosphäre zu generieren. Wort für Wort zieht Timeless den Zuhörer in seinen Bann und lässt vor seinem geistigen Auge das Bild des unglücklichen, einsamen Mädchens entstehen. Seine Inspiration dafür hat er sich wohl von Aronofskys Film „Black Swan“ geholt, an dessen angespannte Stimmung der Song auch durchaus erinnert. Im Verlauf des Songs scheint sich Timeless immer weiter hineinzusteigern, die melodramatische Hook mit süßlich-poppigem Appeal unterstreicht dabei den sehnsüchtigen Touch. Ein klarer Höhepunkt von „00:00„, der strategisch günstig ziemlich genau in der Mitte des Albums platziert wurde.
Was bis dahin geschah: Mit dem Intro „00:00“ wurden wie gesagt ein paar Feindbilder erschaffen, mit „Krone“ nachdrücklich Anspruch auf den ewig umkämpften Rapthron erhoben, mit „Scheißegal“ die Entschuldigung aus dem vorhergehenden „Sorry“ einfach wieder beiseite gewischt. Das alles auf kraftvoll produzierten Beats, gerne mit der einen oder anderen Gitarre hier und da und vor allem mit vielen melodischen Elementen, seien es der leicht schiefe Singsang-Einfluss auf „Sorry„, der ein wenig an selige G-Funk-Zeiten gemahnt oder die melodiöse Synthieline in „Scheißegal„, zweifellos einem der Hits des Albums, nicht zuletzt dank des fetzigen Beats aus den Geräten von Joshimixu.
„Der Morgen danach“ feat. Vega wirft das Spotlight auf die düsteren Aspekte übertriebenen Alkoholkonsums. Auf einem breitangelegten, flächigen Beat lassen sich die beiden über den Genuss von „Wasser in der Farbe von Bernstein“ aus. Von der Atmosphäre her erinnert das ein wenig an alte Olson Rough-Stücke. Episches Stück. Den fälligen Kontrapunkt setzt Timeless gleich im Anschluss mit „Kame-ha-me-ha!„, einem klassischen Rapresenter, mit dem er seine technischen Fertigkeiten unter Beweis stellt – durchaus mit Erfolg.
„Baphomet“ setzt dann technisch sogar noch mal einen drauf. Saubere Reimpatternverschiebungen schüttelt der Kölner hier über einen düsteren, von Kirchenglocken im wahrsten Sinn des Wortes eingeläuteten Beat von Johnny Pepp. Timeys Begeisterung für einen gewissen Marshall Mathers kann man gerade in diesem Song durchaus heraushören. „Rapgame“ mit Timeless‚ frühem Förderer Eko Fresh basiert dann passenderweise auch auf einem Beat von Johnny Pepp, der seinen Dr. Dre nicht verleugnen kann bzw. will.
Mit „Spieglein, Spieglein“ hat Timeless kurz vor Ende noch einen Höhepunkt von „00:00“ parat. Dass Joshimixu einer der fähigsten des aktuellen Spiels ist, braucht man nicht mehr extra hervorzuheben. Hier liefert er einen Soundtrack-artigen Beat, der für Timeys Storyteller über das wenig erbauliche Schicksal eines jungen Mannes (ein Alter Ego von ihm? Nicht ausgeschlossen).
„00:00“ ist ein vielschichtiges, gutproduziertes Album, dass Timeless von seinen besten Seiten zeigt: Als guten, weil leidenschaftlichen Erzähler, als technisch versierten Reimeschleuderer, als greifbare Rap-Persona mit Schwächen und Stärken (Frauen und Alkohol – sowohl Stärke wie Schwäche). Obwohl es durch seine vielen melodischen Elemente aus dem sonstigen Freunde von Niemand-Repertoire herausragt, passt es trotzdem gut zum Label mit dem erhobenen Mittelfinger gen Rest der sogenannten Szene. Auch wenn er kein Ultra wie Vega oder Bosca ist – Leidenschaft, Einsatzwille und ein durchaus klassisches Verständnis von Männlichkeit zeichnen auch Timeless‚ Debüt aus.