Betrachtet man das Cover von Alpa Guns viertem Album „Alles kommt zurück„, so blickt einem ein ernst dreinschauender Alpa entgegen. Freilich nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten sieht man einen frech grinsenden Alpa, der seinen Kopf durch die Fetzen des grimmigen steckt. Das kann man als allgemein auf Alpas Art bezogen sehen: Hinter oft ernsten Ansagen und Themen hat sich der Schöneberger stets ein Lächeln bewahrt.
Es passt aber auch zu der Entwicklung, die Alpa seit seinem letzten Album „Ehrensache“ durchlaufen hat. Auf jenem wurde noch viel ab- und nachgerechnet. Vor allem die noch frische Trennung von Sido und Sektenmuzik schien ihn zu plagen. Damit hat Alpa inzwischen ganz offenbar abgeschlossen. Auf „Alles kommt zurück“ reckt er zwar auch noch desöfteren mahnend seinen Zeigefinger und gibt sich immer wieder betont moralisch, wie man es von ihm kennt. Dieses Mal aber mit weit mehr Leichtigkeit, Lockerheit und Lässigkeit, als das auf dem Vorgänger der Fall war.
So wird das Album mit dem munter rockenden (und bereits als Video veröffentlichten) „Das ist Alpa“ eröffnet, in dessen drei Strophen noch mal Alpas Entwicklung vom Grasticker aus dem Aggroumfeld zum Fahrer von Sido zum eigenständigen Rapper nachgezeichnet werden. Sicher mit einem Schuss Bitterkeit hier und da: „Ihr wolltet mich schon immer unten halten, aber macht nix„. Genau: Macht nix. Denn: „Ich hate nicht/ Wozu denn auch? (…) Ich bin beliebt bei den Mädchen aus den verschiedensten Städten„.
Gut, nach wie vor sieht Alpa sich in der Rolle des Aufklärers und Mahners, der hinter die Kulissen des Rapgeschäfts blickt und seine Schlüsse zieht, so etwa in „Rapperpolitik„. Das ist zwar nicht immer von so bahnbrechendem Erkenntniswert, wie Alpa selbst es offenbar empfindet, schließlich wird derlei heute nicht nur in zahlreichen Foren bzw. Kommentarbereichen, sondern auch in jeder Menge YouTube-Blogs diskutiert. Weniger wahr ist es deshalb aber natürlich trotzdem nicht.
Das Entscheidende: Bei aller ermahnenden Grundhaltung wirkt Alpa kein bisschen verbittert. In „Hater“ beschreibt er, wie er sich heute freimacht von dem ganzen negativen Unsinn. „Damals war ich aggressiv und schlug mit einem Gürtel zu/ heute bin ich King und geb ein Fick auf eure Haterei„. Loslassen ist einer der Grundbegriffe auf „Alles kommt zurück„. „Ich mach mein Ding und sorg dafür dass es mir gut geht“ – so befreit spielt Alpa in 2013 auf. Mit der Vergangenheit (Sekte etc.) hat er ja auf „Ehrensache“ auch schon genug abgerechnet.
Das eigentliche Anliegen Alpas ist es jedoch weder, andauernd seine neugewonnene Lockerheit zu zelebrieren noch Ränkespiele im Rapgame aufzudecken. Ihm geht es um die großen Menschheitsfragen, die er in Thementracks wie „Die Welt brennt„, „Grüner Schein“ oder „Hunger“ verhandelt. Der Tenor bleibt dabei immer derselbe: Geld verdirbt den Charakter, Hunger nach Macht auch, religiöse Fanatiker und gierige Machthaber stützen die Menschheit immer wieder in Kriege. Sicher, das sind einfache, durchaus bekannte Tatsachen, die Alpa aber trotzdem mit einer gehörigen Portion Leben zu füllen weiß, Stichwort: Glaubwürdigkeit. Man kauft es ihm einfach jederzeit ab, dass ihn diese Probleme beschäftigen – auch wenn er selbst, wie so viele andere, keine Lösung anbieten kann. Wäre ja auch ein bisschen zu einfach…
Ein wirklich starker Song ist auch der zweite Teil von „Verbotene Liebe“ (lässt man den Gesangspart mal außer Acht…): Vordergründig eine banale unglückliche Liebesgeschichte greift Alpa hier ein durchaus heißes Eisen an: Den Konflikt zwischen Türken und Kurden. Das alles, ohne übertrieben zu polarisieren oder mit dem Zeigefinger auf irgendjemand zu zeigen, sondern so einfühlsam und emotional, dass selbst der letzte verbohrte nationalistische Hohlkopf es noch nachvollziehen können sollte.
Nach wie vor bleibt Ehrlichkeit und Verlässlichkeit die größte Stärke Alpas. Seine Raps wirken kein Stück aufgesetzt oder bemüht, sondern scheinen stets direkt aus seinem Herzen zu kommen. Das dürfte auch einer der Gründe, wenn nicht der entscheidende Grund sein, warum er bei so vielen Kids, gerade denen von der sogenannten Straße (also mit Migrationshintergrund) so gut ankommt. Seine Weisheiten mögen nicht die allerkomplexesten oder neuartigsten sein, auch seine Raptechnik ist nicht umwerfend innovativ, sondern eher solide. Aber genau deshalb nimmt man ihm seine Raps stets ab. Hier rappt jemand nicht, um sich oder anderen etwas zu beweisen, sondern weil er etwas mitteilen will. Das macht Alpas Texte so greif-, ja, fühlbar. Dabei scheut er sich auch nicht, dahin zu gehen, wo’s richtig weh tut, Stichwort: Gefühle („Angst„).
Abgerundet wird „Alles kommt zurück“ durch einen Gastauftritt des gewohnt souveränen türkischen Rapstars Ceza auf „Turkish Style„, dem gemeinsamen Song mit PA Sports „AL/PA“ sowie dem großartigen „Ertränk den Alkohol“ mit Silla: „Das kann nicht das süße Leben sein so bitter wie der Alk schmeckt“. Nein, das süße Leben findet man auf Alpas Album kaum, zumindest nicht, sofern man darunter läufige Bitches, schnelle Autos und geköpfte Champagnerflaschen versteht. Alpa ist kein Aufschneider, kein Angeber, der den Dicken raushängen lässt. Eher ein verlässlicher, bodenständiger großer Bruder, auf türkisch Abi, der immer ein offenes Ohr für die Sorgen seiner jüngeren Geschwister hat und gern mit Rat und Tat zur Seite steht. So ist „Alles kommt zurück“ sicher nicht das innovativste Rapalbum 2013 – aber mit Sicherheit eines der ehrlichsten.