Obwohl gerade mal zwei Jahre zwischen Alpa Guns letztem Album „Almanci“ und seinem neuesten Werk „Ehrensache“ liegen, hat sich Deutschrap in der Zwischenzeit geradezu dramatisch verändert – auch für den Schöneberger. Die Aussöhnung der ehemals bis aufs Blut zerstrittenen Ex-Aggro-Berliner sido und Bushido hat auch indirekt zu diversen Bündnisbrüchen und Neuallianzen geführt. Alpas ehemalige Labelheimat, Sektenmuzik, das von Anfang an eher den Eindruck eines Hobbyprojektes als eines ambitionierten Untergrundlabels vermittelte, hat sich mehr oder weniger in Luft aufgelöst.
Manch einer erinnert sich vielleicht noch an das „Halt die Fresse„-Video anlässlich Alpas Goldstatus, in dem zwei Gäste ihren Auftritt zelebrierten, die man bis dato eher nicht mit dem Schöneberger assoziiert hätte, als da wären Fler und Kool Savas. Tatsächlich tauchen die beiden auch mit Gastbeiträgen auf „Ehrensache“ auf, von den ehemaligen Sektierern hat es hingegen keiner aufs Album geschafft. Ein erster Erklärungsansatz findet sich bereits auf dem Intro, „Ich bin Killuminati, lan, vergiss mal Anis und Paul/ was für ein ’23’, ihr habt eure Seele verkauft“.
Um aber endgültig Klarheit zu schaffen, zumindest aus Alpas Sicht, und nicht nur Andeutungen im luftleeren Raum stehen zu lassen, folgt die Vergangenheitsaufarbeitung in Form von „Alles war die Sekte“. Weniger ein Disstrack als eher eine Bilanz. So hat Alpa auch positive Worte für den ehemaligen Sektenbruder Fuhrmann übrig, das D von Tony hingegen stand zumindest intern scheinbar eher für Diva denn für Damager. „Tony war nicht so fleißig, er ist oft schnell beleidigt/ er zickt die ganze Zeit nur rum, wenn er nicht high ist“. Das Thema sido wird selbstverständlich erst am Ende des Tracks behandelt und da es für Alpa ein sehr persönliches Thema zu sein scheint, soll dem an dieser Stelle auch nicht vorgegriffen werden. Der Track ist jedenfalls, soviel sei gesagt, eines der Highlights, da man Alpas Frust über den Lauf der Dinge spürt, er aber niemals beleidigend oder unsachlich wird.
Generell ist das etwas, dass man ihm auf das ganze Album gesehen hoch anrechnen kann. So wäre da zum Beispiel der Track „Sind wir nicht alle ein bisschen (Sarrazin)“ mit Fler. Was genau man sich darunter vorstellen kann, hört sich dann so an „Lan, ich bin nicht wir ihr/ Schöneberg, hier müssen sich Deutsche integrieren“ und Fler hält dem wiederum dann die Straßenversion der Thesen besungenen Polemikers entgegen, wenn er rappt „Denkst weil ich Deutscher bin, bist du was Besseres/ doch du kannst nur mit Brüdern kommen, wenn du mal auf die Fresse kriegst“. Kein schlechter Song, denn die beiden bekennen sich beide selbst zu den Klischees der jeweils anderen Kultur. So bestehen beide auf ihr deutsches Auto und Fler rettet die Ehre seiner Freundin in einem Vier-Fäuste-Gespräch.
Als Berliner kommt Alpa Gun nicht an dem Thema Gentrifizierung vorbei, ohne das Wort in „Das neue Berlin“ jedoch auch nur ein einziges Mal zu erwähnen. Und das ist auch gut so. Auch das Unwort des Yuppies taucht lediglich ein Mal und im Vergleich zum generellen Grundtenor der Debatte in einem eher harmlosen Kontext vor, „Schöneberg 30, sie drängen uns hier raus, damit die Yuppies bei uns einziehen“. „An diesem Ort suchst du vergeblich nach vertrauter Wärme/ und wenn du auf die Schnauze fliegst dann musst du daraus lernen“ oder „Im neuen Berlin ist auf keinen Fall Platz für jeden/ soziale Brennpunkte werden zur teuersten Gegend“ deuten zwar an, dass auch Alpa als Urberliner nicht mit der Entwicklung des Schmuddelstädtchens zur Weltmetropole einverstanden ist, aber er lässt auch die positiven Aspekte nicht unter den Tisch fallen, wie eine höhere Sicherheit und gestiegene Lebensqualität.
Trotzdem: Alles in allem hätte eine Schlankheitskur der Platte nicht geschadet. Einige Songs sind schlicht langweilig oder hätten noch etwas ausgefeilter sein können, die Ode an HipHop „Hip Hop lebt“ klingt mit ihren Samples von Eazy, Snoop und Co. doch reichlich angestaubt.
Außerdem wäre da noch der Track „Zu spät“ zu nennen, der vor allem wegen des Gastrappers Toolate aufstößt. Der Song richtet sich in erster Linie an bzw. gegen Farid Bang und so ist da zu hören „Grins – Du führst ein Judendasein wie der Zins“. Ernsthaft? Es gibt also für einen deutschen Rapper mit muslimisch-arabischem Hintergrund nach wie vor keinen schlimmeren Vorwurf, als den des Jüdischseins? Das ist bitter. Der „Arabstyle Remix“ am Ende der Platte hingegen entschädigt dann wieder für den Ausrutscher, vor allem Dank der Beiträge von PA Sports, der Alpa auf seiner Tour unterstützt und des Atzenkeepers MC Bogy. Die beiden letztgenannten Tracks finden sich übrigens lediglich auf der Premiumedition von „Ehrensache“.
Insgesamt hat Alpa Gun die Neuorientierung gut getan. Thematisch immer noch um Vielfalt und objektive Herangehensweise bemüht. Technisch stabil und die Beats solide gebastelt, mit Synthie und Drums, ohne Experimente und Sperenzchen und mit etwas zu viel Füllmaterial ist „Ehrensache“ dann aber doch nur überdurchschnittlich statt herausragend.