Mit seinem Song „Staatsfeind“ sorgte Toni der Assi 2008 für Furore. Er entwickelte sich im Nu zum Bürgerschreck par excéllence und musste sich vor Gericht für seine homophoben Texte wegen vermeintlicher Volksverhetzung verantworten. Mit einer Geldstrafe von 8.000€, welche er laut eigener Aussage an ein SOS Kinderdorf spendete, legte man den Fall des Anton Latinovic, so ein bürgerlicher Name, schließlich ad acta.
Vielleicht stimmt es ja, dass man aus Schaden klug wird. Jedenfalls stellt sich Tonis drittes Soloalbum „Von Brate für Brate“ nicht exakt in die Reihe seiner Vorgänger, sondern schlägt durchaus ein paar neue Wege ein. Dabei nimmt der Mannheimer aber weiterhin kein Blatt vor den Mund und bleibt sich selbst hundertprozentig treu: Hart, härter, Toni der Assi. Thematiken wie Söhne von Sexarbeiterinnen, Vater Staat, welcher aus Tonis Sicht ebenfalls ein Hurensohn ist oder whacke Rapper kommen nicht zu kurz. Man merkt aber, dass auch ernste Themen zunehmend ihren Platz in Tonis Musik finden. Ehre, Moral, feste Regeln, nach denen sich das Leben richtet – das sind Werte, die nicht nur der CDU, sondern auch dem Mannheimer sehr am Herzen zu liegen scheinen. Dabei hat Toni keine Schwierigkeiten, alles in Gut oder Böse einzuteilen. Dazwischen gibt es in seiner welt nicht viel. Das Böse wird dabei hauptsächich durch Frau Dr. Merkel, ihres Zeichens Bundeskanzlerin dieses Landes, repräsentiert. Beinahe mantraartig wiederholt er immer wieder ihren Namen.
Überhaupt sind Wiederholungen ein Stilmittel, dem Toni keineswegs abgeneigt ist. So ertönen während des gesamten Albums jede Menge „Bratatates“ und „Breees„. Toni der Assi ist sicherlich nicht der technisch versierteste Rapper, aber definitiv einer der unterhaltsamsten. Ein Phänomen dieser Toni. Und gerade der Unterhaltungsfaktor, sein jugoslawischer Humor gepaart mit seiner ureigenen Herangehendsweise an Themen sowie einem bewusst als Stilmittel eingesetzten Gastarbeiter-Sprech machen sein Album sehr unterhaltsam.
Gleich im ersten Song „Muttaficka“ wird der Hörer von einer freundlichen Frauenstimme mit einem erfrischenden „Na, du Hurensohn“ begrüßt. Während in der Deutschrapszene täglich gefühlte 345.678 Millionen Mütter gefickt werden, legt Toni aber etwas überraschend Wert auf die Feststellung, dass er keine erziehungsberechtigten Damen ficke. Eine Maxime, die er auf „Von Brate für Brate“ auch tatsächlich einhält. Der Song richtet sich mal wieder an den Typus Mensch, der gerne mit doppelten moralischen Standards hantiert. „Muttaficka werden Brüder nur für YouTube-Klicks„. Wer also vorne rum auf Brate machen, aber hinten herum ehrenlos und schlecht über Toni und seine Familie reden will und dabei selbst vor der Ehre der Mutti keinen Halt macht, sollte nicht darauf hoffen, ein besonders guter Freund des Ex-Jugoslawen zu werden. „Ihr nennt euch Gangster, fickst du Mami auch, wenn sie in Raten deinen Benz zahlt?„.
Ebenso kritisch geht Toni bei „Parasit Gesellschaft“ vor, einem der ernsten Songs des Albums, bei dem weniger Tonis Wortwitz dominiert, sondern das Aufzählen diverser Missstände der Gesellschaft. Von Klimakatastrophen und Tierleiden, Hungersnöten, dem Sterben von Pflanzen und Bäumen über Kriege, ungerechte Verteilung von Ressourcen bis hin zu gepanschter Nahrung lässt Toni nichts aus. Toni lässt seinen Aggressionen gegen Staat und Politik freien Lauf und geht dabei recht grobschlächtig und unreflektiert vor. Statt irgendwelchen Lösungsansätzen, geschweige denn Lösungen macht es sich Toni in seinem fatalistischen Fazit gemütlich: „Wir sind zu spät, scheiß auf die Welt„.
Natürlich beschränkt sich „Von Brate für Brate“ nicht nur auf solche im weiteren Sinne politischen Themen. Mit dem überraschenden „Blut Diamant“ wird das Highlight des Albums erreicht. Irgnedwo zwischen Bitches, politischen Themen und seinem typischen Humor schlägt er für seine Verhältnisse geradezu sanfte und nachdenkliche Töne an. Scheint so, als ob sein weicher Kern, der „Blut Diamant“ also, trotz des harten Straßenlebens nicht verloren gegangen sei. Toni zeigt Herz. „Blut Diamant“ erzählt das Schicksal eines kleinen Jungen, dessen Kindheit durch Gewalt zum Albtraum mutiert, körperlicher sowie seelischer Missbrauch inklusive. Er fühlt sich von seiner Familie unverstanden, ist noch ein Kind, muss aber einstecken wie ein Mann. Das eigene Zuhause wird zur Hölle, von der man sich am liebsten so weit entfernt wie möglich aufhält. „Blutige Zeit und die Zeit, sie verzeiht nicht„. Die Qualen, das Bluten des kleinen Jungen, verdunkelt das Leuchten des Diamanten. Eine interessante Metapher. auch der Part von Featuregast Timeless greift die düstere Stimmung des Songs auf und setzt ihr die i-Tüpfelchen auf. Wen dieser Song kalt lässt, hat wohl Steine in der Brust. Sehr intensiv, Breee!
Auch die gute, alte Liebe kommt nicht zu kurz, wenngleich Toni diese Thematik nun ja, sagen wir mal etwas ungewöhnlich aufgreift. In „Heirate mich“ geht es um Freiheit, Liebe und Völkerverständigung. Das alles, wie sollte es anders sein, mit einem guten Schuss Balkan-Wahnsinn á la Toni. Die böse Angelaaa, der der Heiratsantrag gilt, ist in diesem Fall jedoch nur Mittel zum Zweck: „Angela, ich will heiraten dich, dann deutsche Pass und Freiheit für mich„. So verschmelzen die Grenzen zwischen stürmischer Leidenschaft und kalter Berechnung.
Songs wie „Welcome to Fightclub“ oder „Black Jackets World“ stellen dann aber das Pendant zu diesen vergleichsweise nachdenklichen Tönen dar. Aggressiv nach vorne stürmen, aufs Ganze gehen, zerstören. Unterstützt auf diesem Weg wird Toni hierbei unter anderem von keinem geringeren als Freund von Niemand-Anführer Vega („Welcome to Fightcub“). „Das Logo meines Labels zeigt schon, ich bin kein Händeschüttler„. Die beiden harmonieren gut und ballern abwechselend geballte Straßenkredibilität auf den Track. In ihrem persönlichen Fightclub gibt es offenbar keine Regeln, „Toni und ich, zwei Fäuste für ein Halleluja. Also zieh deinen Kopp ein, du Spast„. Probleme werden hier noch mit den Fäusten geregelt. Souveräner Straßenrap.
In „Millionär“ malt Toni sich das Leben mit einem prall gefüllten Konto aus. „Millionär, wenn ich einer war, mein Auto, mein Haus und Frau Merkel Chauffeur„. Helikopter auf der Yacht, Häuser, Autos, Frauen – alles en masse verfügbar. Es wird in Schampus gebadet, nichts ist zu teuer, nicht mal das Benzin (Scheiß Grüne!). Wirklich viel zu tun bleibt da nicht mehr. „Mein Hobby war nur noch Steuern hinterziehen„. Diesmal übernimmt nicht allein Angelaaaa die Rolle des Bösen und muss nackt an der Stange tanzen, nein, auch der gute, alte Thilo Sarrazin darf als Sündenbock herhalten. „Fick Sarrazin, Thilo halt’s Maul/ Ich mach neben deinem Haus 15 Dönerbuden auf„. Problem gelöst – zumindest für Toni.
Auf dem Titeltrack „Von Brate für Brate“ schließlich widmet sich Toni seinen Braten aus der gesamten Republik. Die Herkunft ist Toni dabei scheißegal. „Bruder ist Bruder und woher? Das juckt nix!“ Eine sehr schöne Einstellung, die über so manche zuvor getätigte unbedachte und nicht ganz ausgereifte Aussage hinwegtröstet.
Was immer man über „Von Brate für Brate“ sagen will – man kann nicht behaupten, dass es kein originelles und unterhaltsames Album wäre. Durch Tonis besonderen Sprachschatz hebt es sich deutlich von der Masse ab. Die eine oder andere Zeile mag ein bisschen simpel oder vereinfachend daherkommen, grobe Ausfälle sind jedoch nicht zu verzeichnen. Und der ausgesprochen eigenwillige Humor von Toni macht es fast unmöglich, nicht wenigstens das ein oder andere Mal mit ihm zu lachen. Und zwar so herzhaft wie ein serbischer Bohneneintopf.