Latin Grammys: Keine Identität

1997 wurde die "Latin Academy of Recording and Sciences" gegründet. 3 Jahre später, Latin-Music erlebte mittlerweile  einen absoluten Boom, wurden  als Konsequenz  die "Latin Grammys" ins Leben gerufen. Nun, immerhin 5 Jahre nach der ersten Veranstaltung, ist  noch immer nicht klar, was denn eigentlich für wen genau gefeiert wird: Die Latin-Grammys sind auf  der Suche nach der eigenen Identität.

Ein erster Schritt ist hierbei wohl der "Umzug" von CBS, einem amerikanischen Sender, zu dem Spanish Language Network "Univsion".  Kam es in den Jahren davor schon zu einigen peinlichen Auftritten, als Künstler, dem Englischen nicht mächtig, krampfhaft versuchten ihre Dankesreden auch amerikanischen Zuschauern verständlich zu machen, umgeht man in diesem Jahr diese Notwendigkeit. So ist auch der Grundtenor der lateinischen Künstler "Who needs CBS, anyways? Wir haben unser eigenes Netzwerk". Sind die Latin  Grammys zu hause angekommen?

Das ist eine berechtigte Frage, denn wird es zwar 43 (!) Kategorien geben, die von spanischen bis portugiesischen Genres alles abdecken, doch eines der größten und am schnellsten wachsenden  latin Genre wird kaum einem Eindruck bei den diesjährigen Awards hinterlassen: Reggaeton.

Bisher waren die  Grammys  immer sehr bemüht, große Latin Stars für  ihr Erreichen zu ehren. Da wären z.B. Carlos Santana, Marc Anthony und Shakira. Doch kam es bei diesen Bemühungen auch schon zu sehr skurilen Ehrungen. So bekam der kubanische Sänger Ibrahim Ferrer, welcher im August starb, den wohl absurdesten Awards: Best New Artist. Er war 73.

Anfangs waren die Veranstalter sehr darauf bedacht, große Namen zu engagieren, um das Interesse des amerikanischen CBS-Publikums zu wecken. Daher traten neben Christina Aguilera, deren Vater ecuadorischer Abstammung ist, auch  die Boy-Band N’Sync auf.  Diese Übereifrigkeit wurde mit einem Boykott mehrere latino Künstler bestraft. Das Label Fonovisa bat seine Künstler, der Veranstaltung fern zu bleiben, da der mexikanischen Musik nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Die äußerst multinationale Nominierungs Liste in diesem Jahr ist daher als Reaktionen auf davor begangene Fehler zu verstehen. Doch in dieser ganzen Verbissenheit werden auch Künslter gehypet, die entweder nur durchschnitt sind, oder international werder Erfolg, noch Anerkennung verbuchen können. Ein Beispiel hierfür ist die Künstlerin Bebe, deren Album gleich fünf mal nominiert ist. Die neuesten Pressungen ihres Longplayer "Pafuera Telaranas" kommen mit einem "5 Nominierungen"-Sticker daher. Frei nach dem Motto: Wenn ich nicht die Künstler holen will, die ich hab, hole ich mir die, die gerne hätte.

Was jedoch wirklich verwundert ist folgende Tatsache: Neben den ganzen latin Pop-Sternchen wird ein Genre fast vollkommen außer Acht gelassen: Reggaeton. Man sucht vergeblich nach einem Reggaeton-Ablum in der "Best Album" Liste. Und auch die zwei Nominierungen, die Daddy Yankee zukamen, sind eher als Alibi, denn als wahre Anerkennung zu sehen, bedenkt man, dass DAS Produzenten-Team des Reggaetons, Luny Tunes, nicht eine Nominierung erhielten.

Eigentlich sollte  diese Feindlichkeit gegenüber Reggaeton niemanden verwundern,  ist es schon seit geraumer Zeit einfach so, dass jeglische Award-Shows der Entwicklung des Musik-Marktes hinterher rennen. (Es brauchte Jahre  – und einen Boykott – bis HipHop endlich seinen Platz bei den amerikanischen Grammys bekam.)  Die mexikanische Rock Band "Molotov" spricht aus, was die meisten latino Artists denken: "Es mangelt Reggaeton an Authenzität. Es ist halb HipHop, halb Puerto-Ricanische Musik. Es ist wie weißer HipHop".  Alles klar…

Dennoch werden die Awards einen ungewollt zynischen Beigeschmack haben, in Anbetracht dessen, dass Daddy Yankee bei den Latin Awards, veranstaltet in den USA, weniger Nominierungen als Bebe bekommt. Nennen wir es einfach Glück, dass manche, neue Genre solche Veranstaltungen nicht brauchen, um die Welt zu erbobern. Vielleicht werden Reggaeton-Künstle auchr irgendwann haufenweise Awards mit nach Hause schleppen. Doch wenn es soweit ist, werden sie diese zum großen Durchbruch nicht mehr brauchen.

Quelle: New York Times