Schoolboy Q – Habits & Contradictions

Jetzt nochmal in den HipHop-ist-alles-andere-als-tot-Kanon einzustimmen, ist so überflüssig, wie der vielzitierte, -verfluchte und –wiederlegte Artikel in der Süddeutschen seinerzeit selbst. Allein im letzten Jahr konnte man sich vor neuem Lieblingsrappermaterial kaum retten und sogar der an die Mainstreammedien verloren geglaubte R&B feierte dank Frank Ocean und The Weeknd ein eindrucksvolles Comeback.

Und auch 2012 fängt so vielversprechend an, wie 2011 endete. Jüngster Aspirant auf den Titel „Hoffnungsträger des Jahres“: Schoolboy Q. In Deutschland noch kaum ein Begriff, in Amerika Bestandteil eines illustren Quartetts Namens Black Hippy und bereits eine Größe, mit der man rechnen muss. Der vierköpfigen Crew aus L.A. gehört übrigens auch Kendrick Lamar an, der mit seinem Album „Section.80“ einen der musikalischen Höhepunkte des letzten Jahres markierte. Die beiden gehören also zusammen, allerdings eher auf die ergänzende Yin-Yang Art, wobei Schoolboy Q eindeutig den düsteren Part übernimmt.

Auf seinem Album „Habits & Contradictions“ geht es überwiegend um den klassischen Dreisatz im HipHop; Frauen, Geld, Dope. Allerdings kann Q auch ganz anders, was er eindrucksvoll zu beweisen versteht. Schon die Beats machen deutlich, dass sich die Platte nicht so einfach in eine Schublade zwängen lässt. Mal hat man es mit verspielten, rennenden Synthiesounds zu tun, mal klatscht einem einfach eine dreckige Drum um die Ohren. Auch technisch variiert der junge Mann nach belieben. Auf „There He Go“ hat er sich für die eingängige Hook einfach mal den Nicki Minaj-Flow geliehen und auch in Sachen lyrischer Kreativität steht er der Pink Lady in nichts nach. „Look up in the sky, it’s a bird, it’s a plane, no, it be this nigga here, just lookin’ at you lames“.

Auf „Oxy Music“, einer astreinen Ticker-Rap-Nummer, strapaziert er seine Stimme entsprechend dem Thema und damit auch die Nerven der Zuhörerschaft. Oxy ist übrigens die Kurzform für Oxycodon, ein hochwirksames Schmerzmittel, durch dessen Vertrieb sich Schoolboy seinerzeit finanziert hat. Schon die ersten Bars des Songs ziehen einen in eine Welt, die man hofft nur in lyrischer Form betreten zu müssen und die Schoolboy so intensiv zu schildern versteht, dass man selber das Gefühl hat, man stünde Knietief im Drogensumpf South Centrals. „Blood on the wall, death in the air, birds on the ground, pistols everywhere. Devils in the eyes, babies always cry, papa never home, fuck it we all alone“.
 
Ein Highlight der angenehmeren Art ist hingegen die Party&Bullshit-Hymne „Hands On The Wheel“. Lockere Melodie mit Gitarrengeschrammel im Hintergrund, wichtigster Earcatcher ist aber das Sample der Folk-Rock-Sängerin Lissie, deren entliehener Song bezeichnenderweise „Pursuit Of Happiness“ heißt. Um die Nummer abzurunden, hat sich Q seinen East-Coast-Bruder-im-Geiste A$AP Rocky ins Boot geholt. Die beiden ergänzen sich nun mal perfekt und machen „Hands On The Wheel“ zu einer wunderbaren Pre-Samstag-Abend-Night-Life-Nummer, logische Konsequenz dieser Mischung: „If I fucked her once, then I can fuck her twice/ yeah, you heard me right, I might fuck tonight“.

Wieder eine ganz andere Seite präsentiert Schoolboy dann auf dem Track „Blessed“ mit Homie Kendrick. „Now how the fuck I’m ‘posed to say this? You see, my nigga just lost his son while I’m here huggin’ on my daughter I grip her harder, kiss her on the head as I cry for a bit, thinkin’ of some bullshit to tell him, like ‚It’ll be okay. You’ll be straight, it’ll be aight.’ Well, fuck that shit, whatever you need, yo, I got it!“ Eine Zeile, die einem unweigerlich nahe geht, weil sie überhaupt nicht affektiert wirkt, denn selbst in diesem Moment bleibt er Schoolboy Q, verbleibt er in seinem astreinen West-Coast-gefärbtem Slang, wirft mit N-Bomben als wären es Kamelle beim Karneval und bietet als Trostspender erstmal einen Blunt an.

Das mag man plump finden oder eben einfach real. Diese Mischung macht jedenfalls auf ganze Sicht auch den Stil des Albums aus; es fühlt sich immer echt an, egal ob es um alte Hoodtales oder Partytracks geht. Das ganze technisch auf hohem Niveau vorgetragen, mit einem guten Ohr für die richtigen Beats und einem Händchen für die Features. Apropos: Die Gastbeiträge sind überschaubar gewählt, aber jeder der Rapper hat seine Daseinsberechtigung: Natürlich dürfen die Black-Hippy-Homies nicht fehlen, neben dem bereits erwähnten Kendrick Lamar finden sich auch Ab Soul und Jay Rock auf der Platte. A$AP Rocky hatten wir bereits ausreichend gewürdigt, außerdem geben sich noch Dom Kennedy und Curren$y auf einen entspannten Lex Luger-Beat die Ehre. Wie vielfältig das Album ist, wurde ja nun schon zu genüge hervorgehoben.

Das kann natürlich auch voll in die Hose gehen konfus und unübersichtlich wirken, im Falle von Schoolboy Q ist es einfach eine extrem gute Platte geworden, mit 18 Titeln von denen jeder die volle Aufmerksamkeit verdient.