J. Cole – Cole World – The Sideline Story

Er ist neben Kendrick Lamar einer der Shooting Stars der aktuellen US-amerikanischen Rapgeneration. Drei hochgelobte Mixtapes und ein Signing bei Jay-Zs Roc Nation-Label erzeugten einen Hype um J. Cole, der in den letzten Jahren seinesgleichen suchte. Somit stiegen nicht nur die Erwartungen an das Debütalbum des gebürtigen Frankfurters mit jedem weiteren Monat, in dem es auf sich warten ließ, weiter in die Höhe, auch die Erwartungen an Cole selbst wuchsen immer mehr. Zum „Retter des Hip Hops“ und zum „Next Big Thing“ wurde er auserkoren, sein Debütalbum von einigen Blogs vorab als das „Illmatic“ dieser Generation bezeichnet. Keine leichte Aufgabe, diese hohen Erwartungen zu erfüllen.

Mehrmals nimmt Cole auf „Cole World: The Sideline Story“ Bezug auf diese Erwartungshaltung. „Some say that rap is alive/ it turns out that I’m the proof„, rappt er etwa auf dem Song „Rise And Shine„. Die Eröffnung des Albums mit einem atmosphärisch dichten Intro, das nahtlos in das großartige und nochmal einen Tick atmosphärischere „Dollar And A Dream III“ übergeht, lässt daran kaum zweifeln. Allgemein versteht es Cole, seine Raps mit stark produzierten Beats, die zu großen Teilen ebenfalls von ihm selbst stammen, zu unterlegen. In erster Linie überzeugt „Cole World: The Sideline Story“ aber auf lyrischer Ebene. Kaum einer versteht es im aktuellen Rapgeschehen so gut, Geschichten zu erzählen. Ob er von den eigenen Abgründen und Problemen berichtet wie auf seinem bisher wohl persönlichsten Song „Breakdown“ oder auf dem großartigen „Lost Ones“ auf sehr authentische Art und Weise Schwangerschaften und Abtreibungen thematisiert – Cole bleibt stets glaubwürdig und überzeugend.

In „Sideline Story“ legt Cole seinen bisherigen Werdegang nieder und macht deutlich, dass er es satt hat, sich auf den „Sidelines“ zu befinden. Die kürzlich aufgekommenen Gerüchte, er sei von Roc Nation gedroppt worden, adressiert Cole – ob nun ganz bewusst oder einfach aus Zufall – mit klaren Worten. „I made it to the roc/ even though they tried to box me out […] Some nigga ask me why Jay never shout me out/ Like I’m supposed to give a fuck.

Kein Zweifel, „Cole World“ ist eines der stärksten Alben der letzten Jahre. Doch wo viel Licht ist, gibt es eben auch Schatten. In erster Linie krankt das Album an dem deutlich erkennbaren Versuch, eine erfolgreiche Single zu kreieren. Das vor mittlerweile eineinhalb Jahren veröffentlichte „Who Dat“ hat es nicht einmal auf das Album geschafft, „Workout“ wurde zum Bonustrack degradiert. Immerhin „Can’t Get Enough“ mit Trey Songz ist gut auf dem Album platziert und überzeugt. Ob dies jedoch auch auf kommerzieller Ebene der Fall sein wird, muss sich zeigen. Dementsprechend scheint es eigentlich wenig verwunderlich, dass Cole mit „Lights Please“ und „In The Morning“ die beiden Songs auf das Album gepackt hat, die im bisher am meisten Gehör verschafften. Dass diese bereits auf Mixtapes erschienen sind und der Song „Lights Please„, der letztendlich ausschlaggebend für das Signing bei Roc Nation war, schon über zwei Jahre alt ist, war Cole dabei egal, hinterlässt aber einen etwas faden Beigeschmack.

Gut, eigentlich nur halb so schlimm, denn diese beiden Songs sind es nicht, die wirklich störend auffallen. Dafür fallen „Mr. Nice Watch„, auf dem Cole und Jay-Z über einen Beat mit den derzeit so schicken Dubstep- und Electronica-Einflüsse rappen, und der Titeltrack „Cole World“ negativ ins Gewicht. Zwei potenzielle Skipstationen, die den Eindruck machen, als würde Cole auf Teufel komm raus den aktuellen Szene-Trends hinterherlaufen und es irgendwie jedem rechtmachen. Dass er derlei wenig appetitliche Anbierderungen eigentlich nicht gar nötig hat, beweist er auf starken Tracks wie „Nobody’s Perfect„, das mit einer überzeugenden Hook von Missy Elliot daherkommt, „Rise And Shine“ oder „God’s Gift„.

Es wird für „Cole World: The Sideline Story“ vermutlich nicht zum „Illmatic“ dieser Generation reichen. Dafür ist es einfach zu wenig bahnbrechend und weist mit den beiden angesprochenen Tracks auch Skipkandidaten auf, die definitiv nicht zeitlos, sondern eher unangenehm zeitgeistig sind und einem Klassikerstatus somit eindeutig im Weg stehen. Zumal Nas, als er „Illmatic“ aufnahm, ja auch gar nicht vorhatte, unbedingt einen Klassiker zu produzieren und dementsprechend praktisch auf keinerlei Erwartungshaltungen Rücksicht nehmen musste – ein Umstand, der ihn von J. Cole eben deutlich unterscheidet. Dennoch ist dieses Album sehr gut, stellenweise sogar großartig, und löst durchaus berechtigte Vorfreude auf die kommenden Cole-Releases aus. Und wer weiß, Vielleicht kommt in Zukunft ja doch noch J. Coles persönliches „Villematic“ auf uns zu – sag niemals nie.