Dass sich irgendwelche Nachwuchsakteure wie Harris und Afrob oder auch Tyron Ricketts in die Fänge einer dilettantischen Regiecrew begeben, mag ja noch angehen, aber warum ein gestandener Schauspieler wie Claude Oliver Rudolph nicht mitten im Dreh aufsteht und sagt: "Das ist doch kompletter Schwachsinn. Warum muss ich das jetzt sagen? Warum trage ich als Schrottplatzbesitzer eine Metzgerschürze und warum habe ich die ganze Zeit Blut an den Händen? Wie bin ich denn überhaupt hierher gekommen und was hat das alles mit meiner Rolle zu tun?“, verstehe ich wirklich nicht.
"Kopf oder Zahl“ wirkt komplett so, als hätte man ein paar Jungs technisch sehr hochwertiges Equipment zur Verfügung gestellt und gesagt: "Macht mal!"
Vom Look her muss ja Geld da gewesen sein für diesen Film. Anders kann man sich die wirklich hochwertige cineastische Optik des Projekts nicht erklären. Anscheinend muss die Kohle auch noch für den Kameramann gereicht haben, aber fürs Drehbuch wurde es dann schon ein bisschen knapper und für Dialoge und Dialogregie, war dann leider, leider gar kein Geld mehr vorhanden. Aus diesem Grund wird dann auch sehr viel geschwiegen in diesem Film – lange und ausführlich. Geschwiegen und geschaut – bedeutungsschwer und immer mit einer Klaviermelodie im Hintergrund. Das soll Tiefe vermitteln, wo leider keine ist. Genauso, wie die untersichtig abgefilmten Hochhäuser, mit einem dramatisch fliegenden Wolkenhimmel darüber. Immer wieder dasselbe Hochhaus von unten, aber leider vollkommen sinnfrei.
Ich will den Machern gar nicht unterstellen, dass sie keine Story im Kopf hatten. Die hatten sie bestimmt! Aber die Verknüpfung der einzelnen Episoden zu einem stimmigen Ganzen wurde gründlich versemmelt und als Zuschauer bleibt einem am Ende nichts anderes übrig, als darüber nachzudenken, was denn jetzt die beknackteste und absurdeste Szene in diesem Film war.
War es die, wo der aus dem Knast entlassene Vater mitten in der Nacht ins Kinderheim einbricht, um seinen Sohn zu entführen und urplötzlich ist es Tag, als er den Jungen unter den Arm nimmt, einen Hausmeister umboxt und mit dessen Wagen flieht?
Oder war es jene Szene, in der Tyron Ricketts als durchtrainierter, junger und vor allem herzensguter Polizist einen schwergewichtigen Mann verfolgt, der von einem Garagendach springt, dadurch entkommen kann und Tyron, der nicht hinterherspringen kann (aus welchem Grund auch immer), bleibt nichts anderes übrig als zu schauen – verzweifelt und betroffen zu schauen. Das tut er aber sowieso die ganze Zeit in diesem Film. Ein schauender, stets betroffen blickender Stein.
Ein guter Anwärter für Beknacktheit ist aber auch die Szene, in der besagter Vater aus dem Knast kommt und auf eine blinde Prostituierte trifft, die von Jenny Elvers-Elbertzhagen verkörpert wird und jenen Vater durch einen gezielten Griff in den Schritt wieder erkennt!!!!
Warum die Augen von Jenny offensichtlich mit einer stumpfen Glasscherbe aus ihren Augenhöhlen entfernt wurden, das weiß man nicht, ist aber auch egal.
Geil ist auch, wenn sich der elfjährige Junge den Heroinrest aus der Spritze einer kasachischen Prostituierten pumpt und dann kotzend auf dem Teppich liegend, seinen ersten Turn bekommt. Die Prostituierte wurde übrigens zuvor auf einer Art Sklavenmarkt verkauft, die den Filmemachern Gelegenheit gab, eine Phantasie mit mehreren nackten Frauen in demütigen Positionen auszuleben. Dann wurde diese Prostituierte aber wiederum per Zufall vom Aus-Dem-Knast-Vater befreit und spielt für ein paar glückliche, unbeschwerte Momente mit Vater und aus dem Kinderheim entführten Sohn – heile Familie. Leider ist sie Heroinabhängig und im Übrigen die Tochter des schwergewichtigen, älteren Mannes, der vor Tyron Ricketts in der anderen Szene davon laufen konnte.
Puh. Ganz schön viel für einen 90-Minuten Film, der laut Klappentext überdies nur innerhalb von 24 Stunden im Leben der verschiedenen Protagonisten spielt.
Denn das ist ja noch nicht alles. Da ist auch noch die blonde, rassistische Fernsehredakteurin, die sich einen ungeliebten, aber geilen, schwarzen Loverboy hält, für den sie sich auch ein bisschen schämt, wobei man die ganze Zeit denkt: "Ah, die blonde, rassistische Schlampe hat Dschungelfieber“, doch weit gefehlt. Überraschendste und absurdeste Wendung hier: Loverboy war mit dieser Frau sogar verheiratet, hat sie nur ausgenutzt, um an seine Aufenthaltsgenehmigung zu gelangen und ist in Wirklichkeit schwul. Hahaha.
Welche Rollen Harris und Afrob in diesem Film spielen, erschließt sich einem nicht wirklich. Irgendwie sollen sie die Story zusammen halten, was beide aber schauspielerisch total überfordert. Die Story der beiden ist darüberhinaus so hanebüchen und schlampig konstruiert, was alleine damit beginnt, dass die Jungs zum großen Unterweltboss gehen, der stilecht von mehreren leichtbekleideten Frauen massiert wird, und diesem ein Päckchen Heroin anbieten, das sie aber… DingDingDing… noch gar nicht haben und auch nie besitzen werden.
Dass sie auf der Suche nach dem Stoff, dann auch noch dem vermeintlichen Dealer, einem älteren Afghanischen Herrn, einen Baseballschläger über den Kopf hauen und eine Wohnung verwüsten – nun ja. Was soll’s? Sieht halt irgendwie gut aus.
Ralf Richter, notorischer Bösewicht, spielt auch noch mit. Er ist der böse Bulle, der Bad Cop im Gegensatz zum guten Tyron.
Richter brennt in seiner Rolle einem anderen Typen, dem Sohn des älteren Afghanischen Herrn, der zuvor aus dem fünften Stock gefallen ist, aber anscheinend doch überlebt hat, mit einem Schneidbrenner das Wort "HEROIN“ auf die Brust. Danach versucht Richter diesen sogar noch anzuzünden, brennt sich dabei aber selber an und wird dann von seinem Opfer gerettet, woraufhin sich eine tiefe, tiefe und liebevolle Männerfreundschaft entwickelt!!!!
Und wieder möchte man schreien. Schreien und davonlaufen, vor all den langweiligen und abgeschmackten Klischees, die in diesem Film verwurstet werden.
Höhepunkt der Klischee-Abgeschmacktheit, der Klischee Super-Gau sozusagen, ist dann aber das sogenannte Zigeunerlager, das urplötzlich eine Rolle spielt und das tatsächlich so aussieht, als hätte man es direkt aus dem Musical "Der Glöckner von Notre Dame" importiert. Mit schwarzgelockten Jünglingen, die Gitarre spielen und Frauen, die wie auf der Gitanes-Zigarettenpackung Flamenco tanzen. Spätestens da musste ich lachen und ein unkontrolliertes Zucken in meinen Beinen, verriet mir, dass ich eigentlich weg wollte. Weit weg.
Doch passt auf. Das alles ist nur ungefähr nur zehn Prozent der Handlung, weil es schließlich noch viel, viel mehr Darsteller gibt, die allesamt eine Geschichte haben und irgendwie zusammen gehören. Aber wenn schon die Filmemacher es nicht geschafft haben, diese Zusammenhänge herzustellen – wie soll ich das können? Ich gebe an dieser Stelle einfach auf.
Da wirkt es schon fast ein wenig kleinkariert, wenn ich zum Abschluss darauf hinweise, dass auf dem Cover, unter dem Punkt Extras, ein Musikvideo angepriesen wird, das von Xatar und Massiv sein soll. Auf der DVD war dann allerdings nur ein Video von Xatar und Manuellsen zu finden.
Na gut. Fängt immerhin auch mit M an, also so ganz falsch ist es dann doch nicht.
PS: Dass auf der ständig geworfenen Münze, gar kein Kopf drauf ist, sondern ein Adler… ach Gott, was soll’s?