Doch abgesehen davon, ist es weiterhin schon mal als riesiges Plus zu werten, dass sich die Boys aus Niedersachsen im Gegensatz zu den meisten Anderen überhaupt Gedanken darüber gemacht haben, was sie diesem unserem manchmal langweilig gewordenen Rapspiel Neues und Innovatives hinzufügen können, mal ganz unabhängig davon, ob einem "Schauspielrap", wie Alligatoah ihre eigene Sparte bezeichnen, nun gefällt oder nicht. Das Leitthema also ist, wie der Titel bereits verrät, religiöser Fanatismus, Religion im Allgemeinen, verpackt in Geschichten über und aus der Sicht eines Terroristen, dessen Mission es ist, andere Glaubensrichtungen in den Dreck zu ziehen ("Mein Gott macht die Menschen selig / mein Gott hat den längsten Penis") und penibel darauf zu achten, das Leben im Zeichen Gottes zu führen ("Ich entleere meine Blase – in Gottes Namen / ich kämme mir die Haare aus den Zottelhaaren und ich popel in der Nase – in Gottes Namen"). Dies gipfelt schlussendlich in den beiden Storytellern "Sprenggürtel" und "Im Namen des Gesetzes" in denen der Protagonist zunächst an einem idyllischen Frühlingsmorgen plant, einen Anschlag zu verüben und anschließend vor Gericht dafür zum Tode verurteilt wird. Nebenher werden aber eben auch Alltagsthemen, wie ausgeprägte Counterstrike-Sucht inklusive Realitäts- und Freundinverlust oder Raubkopierertum abgearbeitet, und wenn dann mal gebattlet wird, dann natürlich nicht um die besseren Rapskills oder die Anzahl der gefickten Mütter, sondern, wer am besten Fußball spielen, kochen oder pokern kann. Alligatoah-Style eben.
Zwar geht es musikalisch gesehen nicht so abgefahren zu wie textlich, jedoch sind die Instrumentals von Deagle durchgehend passend und interessant produziert, keine Synthiegewitter, sondern oftmals leicht orientalisch anmutende, warme Sounds. In Kombination mit einem wirklich guten Gespür für eingängige Hooks finden sich hin und wieder ein paar wirkliche Perlen mit wahrem Ohrwurmcharakter. Vor allem bei dem bereits erwähnten "Sprenggürtel" dem Hit der Platte wird deutlich, was die beiden musikalisch auf dem Kasten haben. Hook, Bridges, Filmsamples, Cuts, Strophen ergeben ein so homogenes, eingängiges Bild, dass es eine wahre Freude ist.
Nichtsdestotrotz kann einem die Art, wie Kaliba seine Themen behandelt, völlig zuwider sein, die Grenze zur Albernheit wird mehr als nur einmal überschritten und ehrlich gesagt hasse ich es auch, wenn Leute ihnen eigentlich fremde Dialekte versuchen, zu imitieren (Sowas kommt IMMER scheiße, bitte trotz Schauspielrap nie wieder tun!). Wer aber bereit ist, über solche Makel hinwegzusehen oder dies sogar mag und sich für 57 Minuten auf diesen wahnwitzigen Stil einlässt, wird mit "In Gottes Namen" seine helle Freude haben.