Die Bandbreite – Hexenjagd

Schon das Cover der 2008 erschienenen CD "Hexenjagd“ ist  gruselig. Als würde ein geistig behinderter Affe auf einem Windows 95-Grafikprogramm rumhacken. Die beiden Duisburger Rapper mit dem unangenehm nach 90er-Provinzjugendzentrum klingenden Namen "Die Bandbreite“ inszenieren sich als Verfemte, Verfolgte. Sie sind es, die die Wahrheit aussprechen, die in einer vom Mossad und der CIA regierten Welt verfolgt werden. Auf dem Cover sind der Wojna und der Thorben, so heißen die beiden Rapper, zu sehen. Sie sind an die Trümmer eines Wolkenkratzers gefesselt, über denen ein Friedenstaube gleitet. Wojna und Thorben fehlte es aber anscheinend an Mitteln, deshalb haben sie das Seil einfach via Windows 95-Grafikprogramm erstellt, und die Endbearbeitung dem oben erwähnten Affen überlassen. Im Inlay danken die beiden Jürgen Elsässer, einem Steinzeitkommunisten, der von der NPD viele löbliche Worte zu hören bekam. Holger Apfel, Vorsitzender der NPD im sächsischen Landtag sagte über Elsässer, nachdem der von seinem Bronzezeitkommunismus-Blättchen "Neues Deutschland“ rauschgeschmissen wurde: "Der heutige Tag zeigt einmal mehr, unter welchem fürchterlichen Anpassungs- und Konformitätsdruck Politiker und Publizisten des linken Spektrums stehen: Ein nationales Wort, und sie sind erledigt. Die Art und Weise, wie man Jürgen Elsässer erst aus der ‚Jungen Welt‛ und dann aus dem ‚Neuen Deutschland‛ herausgedrängt hat, erinnert an stalinistische Säuberungsaktionen. Mit Jürgen Elsässer hat man die letzte linksnationale Stimme zum Verstummen gebracht(…)"

Interessante Freunde haben die Herren Rapper da. Aber da man ja nicht vorschnell urteilen soll, muss man sich dann doch ihr Machwerk "Hexenjagd“ zu Gemüte führen. Der erste Track ist ein Reggeaton-Remix ihres Verschwörungstheoretiker-Partykrachers "Selbst gemacht“, der bei Leuten, die "Zeitgeist“ geschaut haben, einen gewissen Hype ausgelöst hat.
Der Track zeugt von soliden Geschichtskenntnissen und einem soliden Antiamerikanismus. Der Track greift die Verschwörungstheorien um einen sogenannten "Inside-Job“ der USA auf, und bezichtig die Vereinigten Staaten, den 11. September selbst in die Wege geleitet zu haben, um –es kommt, wie es kommen muss- an das Öl des Iraks heranzukommen. Erstmal ist diese Thematik dermaßen ausgelutscht, das selbst nerdigste "Untergrund“-Rapper gähnend wegschalten und lieber wieder einen Track über den steinigen Weg nach ganz oben schreiben würden. Und zweitens widert es mich an, dass zwei Gewerkschaftler, die mit gegelten Haaren und Denkerpose
hausieren gehen, etwas nachplappern, das sie in einem Internetvideo gesehen haben. Ungefähr dasselbe Thema greift der  Track "Unter falscher Flagge“ auf. Hier werfen sie dem Westen vor, Attentate zu inszenieren, um ihren Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen. Die Fakten sind zwar nett zusammengetragen, aber dem Westen die Schuld für islamischen Terror in die Schuhe zu schieben, ist nur die spiegelverkehrte Variante von dem, was die beiden Gewerkschaftsrapper  der westlichen Welt vorwerfen. Bei diesem Track fällt dann auch der Beat unangenehm auf, dieser Ekel wird mich über die ganze CD der Beiden begleiten. Die beiden MCs scheinen keine besonders große Rap-Sozialisierung zu besitzen und gestalten ihre Instrumentals eher als gefällige Hintergrundmusik, die auch beim großen IGM-Gewerkschaftstreffen-Bratwurst-essenden- Schnurbartträger mitschunkeln lässt. Nazi-Liebling Elsässer darf auf dem dritten Track ein Shoutout hinterlassen dessen Aussage ist, dass es keinen islamistischen Terror gibt, sondern dass die Terroristen nur Marionetten einer Geheimdienstverschwörung aus Mossad, MI-6 und CIA sind. Eigentlich wartet man beim Hören des Albums nur darauf, das Thorben und Wojna eine Weltverschwörung des Internationalen Judentums anprangern und die Protokolle der Weisen von Zion zitieren. Beim Track "Die neue RAF“ lassen die beiden ihre mittelständische Fantasie ein wenig schweifen, und rappen über eine fiktive Kontaktanfrage einer "neuen RAF“.

"(…)Klick Klack Boom Kapitalisten/ Klick Klack Boom Kopfschuss Kopfschuss (…)"

Aber was hier so radikal klingt ist letzendlich doch nur die Träumerei zweier Jusos, denn zwar sind die Bosse "Heuschrecken“ und "heimliche Hitlers“, die "den kleinen Man“ ausbeuten, aber letztendlich bleibt "Die Bandbreite" sozialdemokratisch, und entscheidet sich für den Weg der Friedfertigkeit. Klasse.

"Kein Sex mit Nazis“ soll ein heiterer Anti-Nazi-Track sein, Hitler schwul, Heß schwul, Braune Löcher, Evas braune Titten, hahahaha. Was haben wir gelacht.

Der Track "Der Anti-Deutsche“ stellt eine Abrechnung mit einer neuen Strömung innerhalb der Linken, den so genannten Anti-Deutschen, dar, die im linken Lager für erhebliche Verstimmung sorgen. Diese Gruppierung fällt durch ihre Israel-Liebe auf, schwenkt auf Demos die Magen David-Fahne und neigt dazu, Palituch-Träger zu verprügeln. Man hat das Gefühl, das die Beiden dem traditionellen anti-imperialistischen Lager der Linken angehören und nun bemerken, dass eine neue, "coolere“ Gruppe ihnen die Anhänger abspenstig macht. Und das regt die beiden natürlich mächtig auf. Als nächster Track fällt die Nummer 12 namens „Throwing Stones“ auf. Mit der deutsch-iranischen Worldmusic-Crew Tapesh 2012 singen die beiden über die Steinigung eines vergewaltigen Mädchens im Iran. Das finde ich wiederum sehr löblich, wirkt aber etwas sonderlich, da die beiden sich gerne sonst als Diktatorenversteher inszenieren und plötzlich die Scharia anprangern. "Macht den Fernseher an“ ist eine pubertäre Anklage gegen das Fernsehen und Medien, die uns mit falschen Informationen und bösen Absichten füttern und "uns unten halten“. Medienkritik gehört ja mittlerweile zum Standard-Repertoire eines jeden sozialkritischen Rappers und wird auch durch den Track von "Die Bandbreite“ nicht bereichert. Aber "Die Bandbreite“ kann auch anders. Nicht nur mit erhobenen Zeigefinger, sondern auch total ironisch und ein bisschen böse.
Das Lied „Tötet Knut“ wird die Kinder der Bratwurst essenden  Schnurbartträger erschüttern:
"(…)Ja, der kleine Kackbär, war schon ziemlich stark zerschlissen, da nahm ich mir die Freiheit, ihn von oben anzupissen. Entmannte ihn danach und spielte Golf mit seinen Hoden, später mit dem Fell wischte ich meinen Küchenboden (…)"

Am Ende dieses Albums sehe ich mich gezwungen, einige Sachen klarzustellen. Ich liebe politischen Rap, und ich liebe radikale Inhalte von radikalen Künstlern. Aber wenn biederer Bratwurst-Sozialismus mit gefährlicher Paranoia gepaart wird, dann hört für mich die Liebe auf. Wie bei Public Enemy, die mit zunehmenden Erfolg immer unheimlicher wurden. Nur, dass diese wenigstens Relevanz besaßen. Das einzige Positive, was ich zu diesem Album zu sagen habe, ist dass ich mich seit langem wieder intensiv mit den Texten einer Rapcrew auseinander gesetzt habe und dass dieses Album für mich nicht allzu schnell in Vergessenheit geraten wird. Das  ist zwar viel, aber gut ist das noch lange nicht.