Noch nicht aus dem Freudentaumel über Crack Ignaz‘ und Wandls „Geld leben“ herausgekommen, ereilte mich die Nachricht, LGoony und Ignaz hätten überraschend ein gemeinsames Album veröffentlicht. In mehrfach potenzierter Euphorie beschaffte ich mir „Aurora“ und wartete schweren Herzens den Feierabend ab, um es in aller Ruhe noch völlig jungfräulich ein erstes Mal durchhören zu können. Ernüchterung. „Vielleicht waren die Erwartungen etwas zu hoch gesteckt“ versuchte ich mir einzureden. Außerdem hatte ich einen anderen, einen ruhigeren, Synthieflächen-verhangeneren, nebeligeren , Autotune-Singsang-lastigeren Sound erhofft. Stattdessen wird straight über prasselnde 808s und Samples gerappt – „Ich bin bestimmt nur gerade nicht in der passenden Stimmung dafür“ .
Seither habe ich „Aurora“ sehr oft und in den verschiedensten Situationen gehört, der eher gemäßigte Eindruck bleibt aber. Nicht, dass es schlecht wäre, bei einer Zusammenarbeit dieser beiden hervorragenden Künstler hätte nur ein weit besseres Ergebnis zustande kommen können. Es finden sich ja auch durchaus sehr starke Songs, etwa „Oida Wow“ , das mit einer eingängigen, gemeinsamen Catchphrase-Hook und starken Parts punktet, „Eis“ , das ungefähr so klingt, wie ich mir „Aurora“ erhofft hatte, oder „XN“ , das mit der originellen Idee besticht, sich selbst als Reptiloide zu inszenieren. Auf der anderen Seite stehen aber eben schwache, halbgare Anspielstationen, beispielsweise „Halloween“ . Das tragende Sample hatte bereits für Suff Daddys „Elephant“ hervorragende Dienste geleistet, wurde hier aber von Lex Lugner derart unbeholfen gechoppt – womöglich, um das Sample nicht auf die exakt gleiche Art zu verwenden? – dass es völlig verstümmelt und unpassend unter den Drums herumeiert. Die Hook, in der LGoony ständig wiederholt, der Shit – also die Herkunft des ganzen Geldes in den Jeanstaschen – sei so mystisch wie Halloween, will auch nicht so recht funktionieren.
Das darauf folgende „7000“ krankt an sehr ähnlichen Symptonen – viel zu plump eingesetztes Sample, das sich nicht ins Gesamtbild einfügt, verhältnismäßig witzlose Parts und eine uneingängige Hook. Ohnehin sind es meist die Songs, die nach vorne gehen, bei denen die Stärken der Protagonisten kaum zum tragen kommen. Die erfreuliche Ausnahme stellt das von Gee Futuristic und Young Nikki3000 produzierte „Tokyo Boys“ dar, das mit hektisch umherzischenden Drums und Panic-Room-Atmosphäre ordentlich Druck macht. Insbesondere der inbrünstig gerappte Part von Crack Ignaz lädt zum Ellenbogen-trappen ein, auch wenn Ignaz insgesamt auf „Aurora“ etwas von LGoonys Präsenz in den Hintergrund gedrängt wird.
Das liegt nicht daran, das LGoony unbedingt besser abliefert, er rappt einfach greifbarer und übernimmt einen Großteil der Hooks, während der Österreicher sich außerdem weniger pointiert, als jüngst auf „Geld leben“ , zeigt. Wenngleich das Wechselspiel etwas einseitig wirken mag, die Kombo geht dennoch auf. Ignaz collagenhafte Parts im starken Dialekt kontrastieren stimmig mit LGoonys technisch versierten straight-Raps. Lediglich mehr Zusammenspiel wäre wünschenswert gewesen: Songs, bei denen die Protagonisten sich alle zwei- oder vier Takte den Ball zuspielen und im Part wechseln, hätte das ganze abgerundet. Dieses Prinzip greift aber lediglich vage in der Hook von „Oida Wow“ . Trotz stellenweise eher schwacher Tracks ist „Aurora“ kein schlechtes Release – aber es wäre ohne Frage viel mehr möglich gewesen.