Als K.I.Z. vor ziemlich genau zehn Jahren ins Deutschrap-Game steppten, waren sie der ironische Gegenentwurf zum gerade erst so richtig aus dem Ei gekrochenen Straßenrap. Sie nahmen verbreitete Klischees auf, übersteigerten sie ins Extrem und schafften es so, gleichzeitig auf die innewohnende Lächerlichkeit aufmerksam zu machen und dabei trotzdem keine (womöglich herablassende) Außenperspektive einzunehmen. K.I.Z. waren eine radikale Kritik an den inneren Zu- und Missständen von Deutschrap. Ihre Waffen waren Sarkasmus und Überdrehtheit. Damit nahmen sie seinerzeit eine absolute Sonderstellung ein: Ironie und Rap? War damals eher nicht angesagt. Böse gucken vertrug sich nicht damit, über sich selbst lachen zu können. Rap war eine ernste Angelegenheit.
Heute, zehn Jahre später, sieht das alles sehr anders aus. Ironie ist längst im deutschen Rap angekommen, und nicht nur das, gar nicht mehr wegzudenken. Die Straßenrapper von heute wissen sehr wohl, dass es noch viel souveräner kommt, wenn man über sich selbst auch mal lachen kann. Deutschrap ist lockerer geworden, K.I.Z. haben viel zu diesem Siegeszug beigetragen. Das Problem ist nur: Wenn alle sich jetzt schon über sich selbst lustig machen, worüber dann noch spotten? Die Humor-Revolution frisst ihre Kinder bzw. deren Themen.
Was machen K.I.Z. also auf ihrem neuen Album „Hurra die Welt geht unter„? Sie bringen ihr bisher persönlichstes Werk an den Start. „HDWGU“ ist so nah an den vier Berlinern (von denen freilich nur drei rappen und somit erkennbar sind) wie bisher kein K.I.Z.-Album. Nicht, dass hier auf Sarkasmus und Ironie ganz verzichtet würde, nein. Aber die Grundstimmung ist doch ungewohnt ernsthaft, geradezu seriös. Das deutete sich bereits in den beiden vorab ausgekoppelten Videos „Boom Boom Boom“ sowie dem Titeltrack an. Brach sich da noch eine etwas arg simple, im letzteren Falle naive Kapitalismuskritik Bahn, so überrascht das gesamte Album mit einigen ungewohnt ehrlichen, emotionalen Songs. Passend dazu sind die Beats (größtenteils von KevBeats und Nico) insgesamt auch weniger abgedreht, dafür geschmeidiger und variabler ausgefallen.
Im Falle von Tareks Trennungssong „Freier Fall“ geht das voll in die Hose – auch wenn zugegebenermaßen Mut dazu gehört, sich lyrisch so nackt zu machen.“Und du denkst ich schlaf alleine ein? Doch meine treue Begleitung ist meine Einsamkeit“ – hm, hm, hm. Eigentlich ja nicht unbedingt verkehrt – aber von K.I.Z.? Solche Töne? So tolerant bin ich dann doch nicht. Maxims düstere und schonungslose Abrechnung mit der frühen Kindheit hingegen, „Käfigbett„, ist ein verdammt genialer Streich, der ungeahnt brutale Aspekte der auf den ersten Blick so idyllischen Lebenszeit in den ersten Jahren nach der Geburt aufzeigt: Die herzlosen Eltern, die einen ohne zu zögern, in die böse, kalte Welt hinausgestoßen haben. Konsequenterweise heißt es in der Hook: „Ich hab zwei Kugeln in der Kammer/ eine für Papa und eine für Mama„. Böse.
Womit der Höhe- und der Tiefpunkt des Albums schon benannt wären, wobei auch noch das vor sich hindümpelnde „AMG Mercedes“ zu den Schwachstellen zählt. Dazwischen finden sich starke Songs wie etwa „Ariane„, in dem Nico die Abgründe eines unter der Woche brav-unterwürfigen Bürohengsts auslotet, der am Wochenende seine sadistische, rücksichtslose Ader auslebt – „American Psycho“ lässt grüßen. „Geld“ bringt die Zweischneidigkeit des beliebten Tauschmittels präzise auf den Punkt und entspricht zusammen mit dem Stalking-Song „Verückt nach dir“ (das man auch als Kritik am Ideal einer lebenslänglichen Beziehung auffassen kann), „Superstars“ und dem eigenwilligen Partysong „Ehrenlos“ am ehesten dem, was man von K.I.Z. bislang gewohnt war.
„Ich lass meinen Lakaien für mich einen Geldschein verbrennen
Champagner für alle, die es sich leisten können
Das Problem ist nicht, dass ich ein Alkoholiker bin
Das Problem ist dass ich hier nichts zum saufen mehr bekomm‘“ (Maxim auf „Ehrenlos„)
Und dann ist da natürlich dieser Song namens „Was würde Manny Marc tun?„, ein absolutes krankes Teil, von vorne bis hinten. In den Strophen, bei denen auch Audio88 & Yassin mit am Start ist, werden ernste Themen wie Kindesmissbrauch in der Familie, die Sorgen um ein behindertes Kind oder die Angst eines Flüchtlings abgehandelt. Und dann kommt Manny Marc und sprengt mit seiner Atzen-typischen Hook alles weg. Wahnsinn.
So ist „Hurra die Welt geht unter“ also wie gesagt das seriöseste Album der Berliner bisher. K.I.Z. sind erwachsen geworden. Die Frage ist, will man das wirklich? Gerade, wenn ich mir das der Deluxe-irgendwas-Version beiliegende Mixtape mit dem ironischen Titel „Früher waren die besser“ anhöre, auf dem es ältere, unveröffentlichte Stücke zu hören gibt, muss ich mit nein antworten. Eigentlich will ich das nicht. Eigentlich bin ich genau wie diese schlimmen Fans, die nur die alten Sachen ihres Lieblingskünstlers feiern. Klar ist das alles hier schlüssiger, besser produziert, zu Ende gedachter und ehrlicher – aber der Wahnsinn bricht sich eben auch nur noch selten Bahn. Und für den hat man K.I.Z. doch immer geliebt.